Beschlussvorlage - 16/SVV/0563

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Stadtverordnetenversammlung stellt fest, dass das Bürgerbegehren „Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte“ unzulässig ist.

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Erläuterung

Begründung:

 

Mit der Übergabe der Unterschriftenlisten am 06.07.2016 wurde die Durchführung eines Bürgerentscheids zu den Forderungen beantragt:

 

In den Teilbereichen A und C des Sanierungsgebiets „Potsdamer Mitte“ gelten folgende Grundsätze, soweit keine entgegenstehenden vertraglichen oder rechtlichen Pflichten der Stadt Potsdam bestehen:

 

  1. Die Stadt Potsdam oder von ihr Beauftragte sollen keine kommunalen Grundstücke im o.g. Gebiet mehr verkaufen.
  2. r Erwerb und Abriss des Hotels Mercure sowie die Abrisse des Wohnblocks am Staudenhof und des Fachhochschulgebäudes sollen keine öffentlichen Fördermittel und städtischen Eigenanteile eingesetzt werden. Diese Finanzmittel sollen vorrangig für die Entwicklung der unter Punkt 1 genannten kommunalen Grundstücke beansprucht und eingesetzt werden.

 

Der Fragestellung ist eine Skizze mit den nachfolgenden Eruterungen beigefügt:

 

 

Das Sanierungsgebiet »Potsdamer Mitte« ist durch die Sanierungssatzung »Potsdamer Mitte« vom 15.11.1999 förmlich festgelegt. Die Teilbereiche A und C entsprechen den im »Plan zu den Vorbereitenden Untersuchungen für Sanierungsgebiet Potsdamer Mitte, 1998« festgelegten Teilbereichen.

Der Teilbereich A wird im Süden durch den damals geplanten Verlauf der Inner-städtischen Entlastungsstraße (ISIS) parallel zum Bahndamm, im Westen durch Lustgartenmauer, Henning-von-Tresckow-Straße und Schlossstraße, im Norden durch Schlossstraße und die nördliche Raumkante des Alten Marktes begrenzt, im Osten durch die Rückseite des Grundstückes des Alten Rathauses und das Havelufer. Der Teilbereich C wird im Süden durch die nördliche Raumkante des Alten Marktes, im Westen durch die Friedrich-Ebert-Straße, im Norden durch die Straße Am Kanal begrenzt, im Osten durch die Straße Am Alten Markt.

 

Dem Bürgerbegehren ist zudem die nachfolgende Begründung beigefügt:

 

Sie als Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt haben es in der Hand! Wollen Sie, dass die letzten stadtbildprägenden Bauten der Nachkriegsepoche in Zeiten knapper Kassen aus öffentlichen Mitteln abgerissen werden? Wollen Sie eine Stadt in der Luxuswohnungen und überteuerter Leerstand die Stadtmitte prägen und andererseits Räume für Bildung, Wissenschaft und Kreativität an den Stadtrand gedrängt werden?

Durch ihr Wachstum der letzten Jahre steht die Landeshauptstadt Potsdam vor großen Herausforderungen in den Feldern Bildung, Beteiligung und Integration und steht großem Bedarf in der Förderung der Wissenschaft und Kreativwirtschaft gegenüber. Im Bereich des Sanierungsgebiets »Potsdamer Mitte« bestehen mit dem Hochschulgebäude und dem benachbarten Wohnhaus am Alten Markt (Staudenhof) bedeutende Potenziale für eine sozialverträgliche, zukunftsweisende und generationengerechte Weiternutzung des Bestands. Der Verkauf weiterer öffentlicher Liegenschaften wäre unumkehrbar und würde der Stadt und zukünftigen Generationen sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten in ihrem Zentrum nehmen.

Kostendeckungsvorschlag:

Durch Annahme des Vorschlages werden insgesamt Kosten eingespart (Veräerungsverfahren, kommunale Eigenanteile zu Fördermitteln für den Abriss von Gebäuden und für Neuordnungsmaßnahmen). Dem Einnahmeverlust aus den nicht realisierten Grundstücksverkäufen stehen dauerhafte Miet- und Pachteinnahmen und stetig steigende Grundstücks- und somit Vermögenswerte für die Kommune gegenüber.

Das Bürgerbegehren ist unzulässig.

 

Das Bürgerbegehren erfüllt zwar die formalen Voraussetzungen. Es ist am 06.07.2016 schriftlich beim Gemeindewahlleiter eingereicht  worden. Es enthält die zur Entscheidung zu bringende Frage, eine Begründung und einen Vorschlag zur Kostendeckung. Es ist eine Vertrauensperson und eine stellvertretende Vertrauensperson benannt.

 

 

 

 

Das erforderliche Quorum von 10 vom Hundert der Bürger ist erreicht:

 

Stimmberechtigte:136 102

Unterschriften insgesamt:  16 865

ltige Unterschriften:  14 742(10,8 % der Stimmberechtigten)

Erforderliche gültige Unterschriften:  13 610(10,0 % der Stimmberechtigten)

Ungültige Unterschriften:    2 123

 

Jedoch sind die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt.

 

Das Bürgerbegehren entspricht in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen des § 15 Kommunalverfassung Brandenburg (BbgKVerf):

 

  1. Die im Bürgerbegehren vorgelegten Formulierungen genügen bereits nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Bestimmtheitsanforderungen:

 

a)

Unklar ist zunächst, was das Begehren genau unter den in Ziff. 1 genannten, nach dem Willen der Initiatoren dem Veräerungsverbot unterfallenden, „kommunalen“ Grundstücken versteht. Sind dies nur solche, die im Eigentum der Landeshauptstadt Potsdam stehen oder sind dies auch solche, die im Eigentum der ProPotsdam GmbH oder des Sanierungsträgers Potsdam GmbH (Treuhandvermögen) stehen?

 

b)

Darüber hinaus ist die intendierte Reichweite des in Ziff. 2 im Zusammenhang mit der Finanzierung des Abrisses genannten Begriffs „städtische Eigenmittel“ unklar. Sollen dies nur solche sein, die aufgrund etwaiger Voraussetzungen im Förderbescheid von der Stadt Potsdam mindestens als Eigenbeitrag eingesetzt werden müssen, um den Anteil der Fördermittel vollumfänglich zu erhalten oder ist gemeint, dass jegliche, also auch von den Bestimmungen des Förderbescheids unabhängige Haushaltsmittel nicht für den Erwerb und Abriss des Hotels Mercure und den Abriss des Wohnblocks am Staudenhof sowie des Fachhochschulgebäudes verwandt werden sollen?

 

c)

Weiter ist unklar, was damit gemeint ist, dass „diese Finanzmittel“ (d.h. Fördermittel und entsprechende kommunale Eigenanteile) für die Entwicklung der unter Ziff. 1 des Bürgerbegehrens genannten Grundstücke „beansprucht und eingesetzt“ werden sollen. Gehen die Initiatoren des Begehrens hier davon aus, dass die Fördermittel „umgewidmet“ werden könnten (was die Formulierung nahe legt) oder sollen hier neue Fördermittel beantragt werden (was das allein rechtlich zulässige, wenn auch u.U. nicht erfolgversprechende, Verfahren wäre)?

 

d)

Was ist genau mit der „Entwicklung der kommunalen Grundstücke“ in Ziff. 2 gemeint?

 

e)

r den Bürger in seinen Auswirkungen nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar ist schließlich auch die den Fragen vorangestellte allgemeine Einschränkung „soweit keine entgegenstehenden vertraglichen oder rechtlichen Pflichten der Stadt Potsdam bestehen“. Wie gleich noch unter Ziff.2 und 3 gezeigt  wird, führen die entgegenstehenden vertraglichen oder rechtlichen Pflichten der Stadt Potsdam, insbesondere solche des Förderrechts und des besonderen Städtebaurechts, nämlich dazu, dass der  Bürgerentscheid rechtlich nicht umsetzbar ist, so dass die Bürger über im Ergebnis weitgehend inhaltsleere Forderungen abstimmen.

 

 

  1. Das Bürgerbegehren betrifft (je nach Auslegung seines Inhalts) in beiden Ziffern Angelegenheiten, die nicht in die Entscheidungszuständigkeit der Gemeindevertretung oder des Hauptausschusses fallen (vgl. § 15 Abs. 1 BbgKVerf). So besteht im Hinblick auf Grundstücke im Treuhandvermögen der Sanierungsträger Potsdam GmbH sofern diese nach der Intention des Begehrens erfasst sein sollten weder eine unmittelbare Verfügungsbefugnis der Stadt Potsdam noch ein unmittelbares Weisungsrecht der Stadt. Vor allem aber liegt die (möglicherweise) unter Ziff. 2 begehrte Umwidmung von Fördergeldern nicht in der Entscheidungszuständigkeit der Gemeindevertretung, sondern wenn überhaupt derjenigen des Fördermittelgebers.

 

  1. Darüber hinaus verfolgt das Bürgerbegehren teilweise gesetzeswidrige Ziele i.S.d. § 15 Abs. 3 BbgKVerf. Insbesondere verstößt das unter Ziff. 1 enthaltene Veräerungsverbot gegen das im Sanierungsgebiet geltende Privatisierungsgebot des § 159 Abs. 3 BauGB.

 

  1. Ein Bürgerbegehren ist darüber hinaus nach der Rechtsprechung wegen mangelhafter Begründung unzulässig, wenn diese als Täuschung des Bürgerwillens erscheint sowie zu einer nicht mehr hinnehmbaren und damit unzulässigen Wahlbeeinflussung führt. Dies ist hier der Fall: Während die Fragestellung des Bürgerbegehrens unter Ziff. 1 allein auf ein Veerungsverbot im Sanierungsgebiet abzielt und unter Ziff. 2 auf die Frage der Finanzierung von Erwerb und Abriss des Hotels Mercure sowie des Abrisses von Staudenhof und Fachhochschule abgestellt wird, offenbart die Begründung die eigentlichen Ziele desrgerbegehrens - nämlich die Abkehr von den bisherigen Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung zur Wiederannäherung an das charakteristische, historisch gewachsene Stadtbild, die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses zum Sanierungsbebauungsplan „Lustgarten“ sowie die Sanierung und Weiternutzung des Fachhochschulgebäudes und des Wohngebäudes am Staudenhof.

 

Die Bürger werden jedoch in die Irre geführt, wenn ihnen suggeriert wird, durch die Unterzeichnung des Bürgerbegehrens und die damit verbundene Unterstützung der dort unter Ziffer 1 und 2 formulierten Forderungen ließen sich die in der Begründung genannten Ziele erreichen: Weder das Veräerungsverbot noch die Vorgabe, den Abriss von Mercure, Fachhochschulgebäude und Wohngebäude am Staudenhof nicht mit öffentlichen Fördermitteln zu finanzieren, führen zum gewünschten Ergebnis, die genannten „stadtbildprägenden Bauten der Nachkriegsepoche“ zu erhalten und eine „sozialverträgliche, zukunftsweisende und generationengerechte“ Weiternutzung der Bestandsbauten zu gewährleisten. Vielmehr wäre es grundsätzlich auch nach Annahme des Beschlussvorschlags weiter möglich und aufgrund der unveränderten Sanierungsziele auch geboten, die genannten Gebäude abzureißen:

 

Die Frage des zivilrechtlichen Grundstückseigentums hat zunächst keinerlei Auswirkungen auf die künftige Nutzung der Flächen.

 

Die Formulierung unter Ziff. 2 des Bürgerbegehrens verlangt zudem keine Sanierung des vorhandenen Gebäudebestands, sondern beinhaltet allein die Idee, Fördermittel und städtische Eigenanteile zu einer nicht näher beschriebenen Entwicklung der im Sanierungsgebiet liegenden kommunalen „Grundstücke“ einzusetzen. Ausgeschlossen wäre daher nach Ziff. 2 des Begehrens allein der Einsatz von Fördermitteln und städtischer Eigenanteile zum Zwecke des Abrisses. Eine vollumfängliche Finanzierung des Abrisses durch die Stadt Potsdam wäre aber weiterhin denkbar.

 

Die Formulierung des Begehrens beinhaltet schließlich auch keine Änderung der bisher festgelegten Sanierungsziele oder des Aufstellungsbeschlusses zum Bebauungsplan „Lustgarten“.

 

  1. Eine an den in der Begründung zum Bürgerbegehren genannten Zielen orientierte Auslegung der Fragestellung würde im Übrigen auch nicht zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens führen:

a)

Ginge man nämlich davon aus, dass das Bürgerbegehren sich nicht nur auf die Art der Finanzierung des Abrisses des Hotels Mercure bezieht, sondern diesen komplett verhindern will, so würde diese Zielstellung dem Beschluss zur Aufstellung des Sanierungsbebauungsplans „Lustgarten“ vom 02.03.2016 widersprechen. Gem. § 15 Abs. 3 BbgKVerf sind aber Bürgerentscheide über die Aufstellung von Bebauungsplänen nicht zulässig.

 

b)

Ebenfalls unter Zugrundelegung der Annahme, dass das Bürgerbegehren sich trotz des abweichenden Wortlauts der Fragestellung eigentlich gegen den Abriss von Mercure, Fachhochschule und Wohnblock am Staudenhof richtet, so stünde diese Zielstellung in Widerspruch zu einer ganzen Reihe von Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung zur Wiederannäherung an das charakteristische, historisch gewachsene Stadtbild. Grundsätzlich können zwar durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid auch Beschlüsse der Gemeindevertretung wieder aufgehoben werden. Hierzu ist aber eine Frist von 8 Wochen zwischen Veröffentlichung des Beschlusses und Einreichung beim Gemeindewahlleiter zu wahren (§ 15 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf). Diese Frist ist für die überwiegende Anzahl der betroffenen Beschlüsse abgelaufen.

 

  1. Schließlich fehlt es an einem den Anforderungen des § 15 BbgKVerf genügenden Kostendeckungsvorschlag. Zwar dürfen die Anforderungen an einen solchen Kostendeckungsvorschlag nicht überspannt werden, da den Initiatoren des Begehrens nicht dieselben Informationen zur Verfügung stehen wie der Verwaltung. Vorliegend aber geht der vermeintliche Kostendeckungsvorschlag von vollkommen falschen und den Bürger in die Irre führenden Annahmen aus, wenn dargelegt wird, dass insgesamt Kosten gespart würden.

 

Zunächst wird nicht einmal der Versuch unternommen, die Einnahmeverluste infolge unterlassener Grundstücksverkäufe auch nur annähernd zu beziffern oder die Grundstücke und Grundstücksgrößen, um die es hierbei gehen kann, grob zu beschreiben.

 

Darüber hinaus werden folgende jedenfalls bei Umsetzung der aus der Begründung ersichtlichen Ziele der Sanierung von Fachhochschule und Wohnblock am Staudenhof zu betrachtende - sonstige Auswirkungen auf die kommunalen Finanzen (einschließlich des Treuhandvermögens des Sanierungsträgers) überhaupt nicht in Rechnung gestellt:

 

Sanierungskosten Fachhochschule und Wohnblock am Staudenhof

Betriebskosten Nachfolgenutzungen Fachhochschule

Voraussichtlich fehlende Förderfähigkeit der geplanten Sanierungsmaßnahmen.

 

Dass die Sanierung von rund 50 Jahre alten DDR-Bauten sowie der Betrieb eines Gebäudes von der Größe der Fachhochschule Kosten auslöst, hätte auch für die Initiative auf der Hand liegen müssen. Vertiefte haushaltsrechtliche Kenntnisse wären hierfür nicht erforderlich gewesen.

 

Soweit der Kostendeckungsvorschlag darauf verweist, dass etwaigen Einnahmeverlusten infolge des beabsichtigten Veräerungsverbots stetig steigende Grundstücks- und somit Vermögenswerte für die Kommune entgegenstünden, wird übersehen, dass es sich hierbei nicht um haushaltswirksame Einnahmen der Kommune handelt, mit denen Ausgaben an anderer Stelle (z.B. Sanierungskosten für die Fachhochschule) ausgeglichen werden könnten.

 

Es ist daher die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen.

 

 

 

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Fazit finanzielle Auswirkungen

 

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