Anfrage - 05/SVV/0456
Grunddaten
- Betreff:
-
Baumfällungen in Potsdam
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Anfrage
- Federführend:
- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
- Einreicher*:
- Stadtverordneter Schüler, Fraktion Grüne/B90
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | PA |
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Erledigt
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Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam
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Anhörung
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01.06.2005
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Beschlussvorschlag
Wiederholt erlange ich Kenntnis von zumindest fragwürdigen Baumfällungen in Potsdam. So wurden im März 2005 angeblich gesunde Bäume in der Virchowstraße gefällt. Nach einer in den PNN vom 20.05.2005 veröffentlichten Mitteilung des BUND wurden auch in der Nedlitzer Straße und in der Großen Weinmeisterstraße wahrscheinlich gesunde Bäume gefällt. Mehrere dieser Fällungen fielen nach der Mitteilung des BUND in die am 15. März eines jeden Jahres beginnende Vegetationsperiode.
Ich frage
den Oberbürgermeister:
Sind für
diese Maßnahmen Fällgenehmigungen erteilt?
Antwort:
Im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben
Neubau eines Einfamilienhauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück Große
Weinmeisterstraße 48 wurde eine Fällgenehmigung für 10 Bäume erteilt.
In Abstimmung aller Belange (hier insbesondere Belange der Denkmalpflege und Berücksichtigung des Weltkulturerbes der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten) ist der Baukörper an einer Seite über das im Bebauungsplan Nr. 48 festgesetzte Baufenster hinaus verschoben worden, um die mittig im ursprünglichen Baufenster stehenden 2 prägenden Bäume (Kaukasische Flügelnuss) erhalten zu können.
Der vom Bauherrn gestellte Antrag auf Ausnahmegenehmigung zur Fällung in der Vegetationszeit ist nach Beteiligung des Naturschutzbeirates der Unteren Naturschutzbehörde mit der Auflage genehmigt worden, dass die Fällarbeiten unverzüglich einzustellen sind, wenn ein Brutgeschehen von Vögeln, Nist- oder Lebensstätten von Fledermäusen, Insekten oder anderen besonders geschützten Tierarten festgestellt wird.
Für die
Eiche in der Nedlitzer Straße (Baum-Nr. 31) liegt ein Gutachten vor. Die
Schnittstelle kurz über dem Erdboden zeigt keine Schäden, da das Gutachten in
1,50 – 2,00 m Höhe (alter Anfahrschaden) durchzuführen war. In dieser Höhe
befand sich eine tiefe Morschung, die zur Fällung führte. Die Ringfestigkeit
des Stammes im Morschungsbereich war auf etwa 120 Grad unterbrochen. Die
Morschung ist über die Stammmitte hinaus eingedrungen und stellt somit ein
großes Bruchrisiko bei starken Stürmen dar.
In diesen
Fällen, wo eine Gefahr erkannt wurde, sind wir verpflichtet, zu handeln.
Das
Gutachten geht von einer Fällung aus, diesem wurde gefolgt. Die Variante
Torsoschnitt-Stamm plus Starkaststummel wurde verworfen.
In der
Virchowstraße 1. BA wollten wir in der Planung die 2 Kastanien erhalten. Beim
Baugeschehen zeigten sich am Stammfuß der Kastanie an der Karl-Marx-Straße
Pilzfruchtkörper vom wulstigen Lackkporling. Klopfproben zeigten klar starke
Morschungen an, so dass die Kosten für ein Gutachten überflüssig waren.
Für die
zweite Kastanie vor der Abzweigung der Robert-Koch-Straße wurde ein Gutachten
eingeholt, da der kleine Pilzfruchtkörper am Stammfuß visuell keinen
Rückschluss über das Ausmaß der Holzzersetzung im Stamm zuließ. Das Gutachten empfahl aber dann auch
die Fällung.
In der Virchowstraße hatte das
Baugeschehen mit dem Eingriffen ins Wurzelwerk zusätzlich belastet, so dass die
Vitalität der Bäume weiter nachlassen musste. Wir konnten aber zum jetzigen
Zeitpunkt eine Nachpflanzung über die Planung der Baumaßnahme mit absichern.
Zum Punkt
Fällungen und Schnittarbeiten in der Vegetationsperiode folgende Erläuterungen:
Der Pflegeschnitt dient in erster Linie der Herstellung der Verkehrssicherheit und bei Jungbäumen zur Erziehung. Die Erziehung ist wiederum die Voraussetzung für gesunde, verkehrssichere Altbäume, die dann geringere Pflegekosten beanspruchen. Um dies zu erreichen, sind die Schnittmaßnahmen im Lebendholzbereich in der Vegetationszeit vorteilhaft, da der Baum reagieren kann in Form von Abschottungen oder schnellem Wundverschluss. Große Schnittflächen im Lebendholzbereich im Winter, in der Ruhephase trocknen ein und eine Reaktion des Baumes erfolgt im Frühjahr nur verzögert oder gar nicht, was dann den holzzersetzenden Pilzen Tür und Tor öffnet.
Für
Baumfällungen und starken Totholzbesatz gilt, wenn die Gefahr erkannt wurde,
ist umgehend zu handeln. Dies ist die Forderung des Kommunalen
Schadensausgleichs (KSA) und der Rechtssprechung. Um den Versicherungsschutz
nicht zu verlieren, wird seit Jahren so verfahren.
Zum Fällen
ist zu ergänzen, dass im Zweifelsfall ein Gutachten zur Holzfestigkeit erstellt
wird. Weiter werden die
Sachbearbeiter des FB Grün- und Verkehrsflächen, Bereich Grünflächen,
für die Baumpflege jährlich fachlich weitergebildet.
Zur
Pflege der öffentlichen Bäume gab es eine Abstimmung zwischen den
Naturschutzverbänden und dem damaligen Naturschutz- und Grünflächenamt lt.
Protokoll vom 02.05.1995. Unter zu a) steht:
„Für die
sich aus der Verkehrssicherungspflicht (Straßenbäume, Gehölzflächen auf öffentlichen
Grünflächen) ergebenden regulären Eingriffe (Pflegeschnitte im
pflanzenphysiologisch günstigeren Sommerhalbjahr) und akut erforderlich
werdende stärkere Eingriffe soll keine Beteiligung der Naturschutzverbände
durchgeführt werden.“
„Begründung:
1. Aus
der Rechtssprechung ist bekannt, dass die Verkehrssicherungspflicht den
Naturschutzaspekten im Range vorgeht.
2. Im Rahmen
der Auftragserteilung für die Pflegearbeiten wird der Hinweis gegeben, bei
Vorfinden von Nist-
und Brutstätten unverzüglich mit dem Auftraggeber Kontakt aufzunehmen und die
Arbeit einzustellen. Damit wird auch den Bestimmungen nach §§ 34 und 38
Rechnung getragen.“
Die
Forderungen aus Punkt 2. sind Bestandteil jedes Pflegeauftrages und werden über
Jahre auch so gehandhabt, um der Verkehrssicherheit und dem Naturschutz gerecht
zu werden.
Auch vom
Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung gibt es ein
Schreiben mit gleichem Inhalt vom 13.02.2002.
Weiter
ist zu beachten, die Straßenbäume gehören zur Straße (Straßenbaulastträger) und
laut § 10 des Brandenburgischen Straßengesetzes (BdgStr.G) liegen sie in der
Hoheitsverwaltung der LHP; zur Herstellung der Sicherheit bedarf es keiner
Genehmigung, Zustimmung oder Erlaubnis.
Mit der
Baumpflege werden nur Fachfirmen für Baumpflege beauftragt. Nachzuweisen sind
oder waren langjährige Referenzen und die Einstellung eines Fachagrarwirtes für
Baumpflege. Zur Zeit haben wir sieben Firmen, die zu den Bedingungen des
Rahmenvertrages arbeiten. Die Grundlage ist die ZTV-Baumpflege als Richtlinie.
Die
Firmen müssen in der Lage sein, am Baum fachgerecht zu arbeiten. Sie müssen
Probleme in Bezug auf die Vitalität und Statik der Bäume einschließlich
Krankheiten, Pilz- und Schädlingsbefall einschätzen können. Sie brauchen keine
besonderen Kenntnisse zum Vogelschutz, Dendroentomologie und Biotopschutz, aber
sie haben beim Erkennen von Brutstätten und Insektenvorkommen den Auftraggeber
zu informieren und die Arbeiten an diesem Baum einzustellen.
Die
Beauftragung der Baumpflege erfolgt nicht pauschal, sondern jeder Baum hat
einen abzuarbeitenden Leistungstext.
Vor der
Bezahlung der Aufträge erfolgt eine Abnahme durch den Auftraggeber.
Entsprechend den Forderungen zur Verkehrssicherheit sind wir verpflichtet,
kontinuierlich Baumkontrollen durchzuführen und erkannte Probleme zur
Verkehrssicherheit – was natürlich auch Lichtraumprofile und Stockausschläge
betrifft – umgehend zu beauftragen. Schon diese Forderung bedingt eine
kontinuierliche Auftragsvergabe und eine Abarbeitung übers Jahr verteilt.
Baumpflege
im Zeitraum September bis März kann das vorhandene Auftragsvolumen nicht
abdecken. Im Winter sind viele Tage aus baumbiologischen oder
Sicherheitsgründen (Wetterlage) für die Baumpflege nicht zu nutzen. Als Folge
müssten die Arbeiten auf eine noch größere Anzahl von Fachbetrieben verteilt
werden, die regional nicht vorhanden sind.