23.02.2011 - 14.1 Änderung der Hauptsatzung

Beschluss:
zur Kenntnis genommen
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Herr Exner bringt die Mitteilungsvorlage ein, die anschließend zur Kenntnis genommen wird.

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Die Stadtverordnetenversammlung nimmt zur Kenntnis:

 

Auf Grundlage des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 06.10.2010, 10/SVV/0638, wurde die Möglichkeit einer Hauptsatzungsänderung rechtlich geprüft. Im Ergebnis der Prüfung ist festzustellen, dass eine Aufnahme der im Beschluss aufgeführten Regelungen in die Hauptsatzung rechtswidrig wäre.

 

Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

 

§ 36 BauGB regelt das gemeindliche Einvernehmen. Das setzt voraus, dass es zwei verschiedene Willensträger gibt: Die Gemeinde und die Baugenehmigungsbehörde. In der Landeshauptstadt Potsdam sind Gemeinde und Baugenehmigungsbehörde identisch, so dass § 36 BauGB dem Wortlaut nach zunächst nicht unmittelbar anwendbar ist. In seiner früheren Rechtsprechung ist das Bundesverwaltungsgericht allerdings noch davon ausgegangen, dass eine mit der Baugenehmigungsbehörde identische Gemeinde gleichwohl die Befugnis haben soll, sich den Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB selbst zu eröffnen und die sich aus der Vorschrift ergebenden Rechtsfolgen nutzbar zu machen. Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 19.04.2004 (BVerwG 4 C 16/03) aufgegeben und zur Begründung folgendes ausgeführt:

„Die in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde dient der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit. Die Gemeinde soll als sachnahe und fachkundige Behörde dort, wo sie noch nicht geplant hat, oder dann, wenn ein Bauvorhaben von ihrer Planung abweicht, im Genehmigungsverfahren an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens mitentscheidend beteiligt werden. Darüber hinaus soll sie in den Fällen, in denen ein nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB zulässiges Vorhaben ihren planerischen Vorstellungen nicht entspricht, von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen können, durch Aufstellung eines Bebauungsplanes die planungsrechtlichen Grundlagen für die Zulässigkeit eines Vorhabens zu ändern und zur Sicherung der Planung die Mittel der Veränderungssperre oder der Zurückstellung von Baugesuchen zu ergreifen. Die Beteiligung der Gemeinde ist dem Umstand geschuldet, dass über den Bauantrag allein die Baugenehmigungsbehörde entscheidet. Nur ihr Bescheid wirkt unmittelbar nach außen und regelt die Rechtsverhältnisse hinsichtlich des Baugesuchs. Lediglich über den Weg der Einvernehmensversagung kann die Gemeinde verhindern, dass ein Bauvorhaben verwirklicht wird, das bauplanungsrechtlich unzulässig ist oder ihren planerischen Vorstellungen widerspricht. Des Schutzes, dem § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu dienen bestimmt ist, bedarf die mit der Baugenehmigungsberde identische Gemeinde nicht; denn sie kann den Zweck des Einvernehmenserfordernisses selbst erfüllen. Die Gefahr, dass der zuständige Rechtsträger ein Bauvorhaben über ihren Kopf hinweg genehmigt, besteht nicht. Zwar ist vorstellbar, dass dann, wenn innerhalb der Gemeinde für die Erteilung der Baugenehmigung und die Erklärung des Einvernehmens verschiedene Organe zuständig sind, bei Wegfall des förmlichen Einvernehmens eine Koordination unterbleibt und die Planungshoheit dadurch zu kurz kommt. Es ist aber Sache der Gemeinde selbst oder des Landesgesetzgebers, durch nähere kommunalverfassungsrechtliche Regelungen dafür zu sorgen, dass die Belange der Planungshoheit hinreichend gewahrt bleiben. Aus Sicht des Bundesgesetzgebers bestand keine Veranlassung für die Einführung eines gesonderten Verfahrens zu internen Abstimmung zwischen verschiedenen Organen der Gemeinde; das Bundesrecht enthält insoweit auch keine verfassungsrechtlichen Vorgaben.“

 

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg führt in einem Urteil aus, dass in solchen Fällen die Herstellung des Einvernehmens nicht nur entbehrlich ist, weil § 36 Abs. 1 S. 1 auf das Verhältnis von Gemeinde und Baugenehmigungsbehörde eines anderen Rechtsträgers zugeschnitten ist, sondern dass § 36 BauGB schlicht nicht anwendbar ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2009, 8 S 1685/08).

 

Nach dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass bezogen auf die Landeshauptstadt Potsdam die Vorschrift des § 36 BauGB unmittelbar nicht anwendbar ist.

 

Ein Zugriff auf die Regelung des § 36 BauGB über die Hauptsatzung, der auch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgericht nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein soll, jedoch kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen vorbehalten bleiben muss, dürfte nach Novellierung des Kommunalverfassungsrechts im Land Brandenburg allerdings nicht – mehr –glich sein.

 

Gemäß § 54  Abs. 1 Nr. 3 BbgKVerf ist der Oberbürgermeister auf dem Gebiet der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, wozu gemäß § 52 Abs. 1 S. 1 BbgBO auch das Baugenehmigungsverfahren gehört, zuständig. Eine Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften wie z.B. § 36 BauGB liegt – wie bereits ausgeführt – nicht vor. Die Stellung des Oberbürgermeisters wurde gestärkt. Im Vergleich zu § 63 Abs. 1 lit. c) GO a.F. hat der Gesetzgeber in § 54 BbgKVerf eine wesentliche Änderung vorgenommen: Der Aufgabenbereich des Oberbürgermeisters wurde auch auf solche Aufgaben erweitert, die nicht der Gefahrenabwehr dienen. Die Erweiterung der Zuständigkeit des Oberbürgermeisters wird in der Drucksache 4/5056 stichpunktartig unter anderem wie folgt begründet:

 

-          Minderung des rechtlichen Risikos, dass das unzuständige Organ handelt,

-          Keine Gestaltungspielräume für die Gemeindevertretung (siehe: Muth, Kommunalrecht in Brandenburg - Potsdamer Kommentar, zu § 54, 9 ff).

 

 

Eine Übertragung der Zuständigkeit in Baugenehmigungsverfahren („Sonderordnungsrecht“) auf die Stadtverordnetenversammlung war sowohl nach der GO und ist nach der BbgKVerf ausgeschlossen. Baugenehmigungsbehörde „in“ der Landeshauptstadt Potsdam ist daher immer die „Behörde“ Oberbürgermeister. Dies bedeutet, dass der Oberbürgermeister in eigener Zuständigkeit aufgrund der Bindung an Recht und Gesetz in Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden hat. Eine entsprechende Anwendung von § 36 BauGB kann und darf ihn nicht einschränken. Eine entsprechende Anwendung von § 36 BauGB dürfte vor diesem kommunalrechtlichen Hintergrund nicht rechtmäßig sein.

 

Darüber hinaus ist folgendes zu beachten:

Eine Entscheidung im Rahmen des gemeindlichen Einvernehmens könnte ohnehin nur durch die Stadtverordnetenversammlung selbst, nicht jedoch durch den Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen erfolgen. Nach § 43 BbgKVerf handelt es sich bei diesem Ausschuss um einen beratenden, nicht jedoch um einen beschließenden Ausschuss. Die Zuständigkeit des Ausschusses für Stadtentwicklung und Bauen „beschränkt“ sich daher auf die Beratung und Vorbereitung der Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung und die Kontrolle der Verwaltung. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen kann demgemäß Empfehlungen gegenüber der Stadtverordnetenversammlung, nicht jedoch gegenüber dem Oberbürgermeister erteilen. Selbst, wenn eine Anwendung des § 36 BauGB möglich wäre, könnte die Entscheidung über das Erteilen oder Versagen des Einvernehmens nur durch die Stadtverordnetenversammlung, nicht jedoch durch den Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen getroffen werden.

Demgemäßsste sich die Stadtverordnetenversammlung monatlich mit ca. 90 Bauanträgen, die bei der Unteren Bauaufsicht durchschnittlich im Monat eingehen, befassen. Hierbei wären durch die Stadtverordnetenversammlung die Monatsfristen der BbgBO bzw. des BauGB (§§ 145 Abs. 1, 22 Abs. 5 S. 2) zu beachten.