05.03.2003 - 5.8 Streichung aus der Ehrenbürgerliste

Beschluss:
abgelehnt
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Die Antragstellerin Fraktion >Die Andere< hat den Beschlusstext wie folgt geändert/ergänzt:

 

Der Beschluss Nr. 95 der Stadtverordnetenversammlung vom 08.04.1933:

„Der Magistrat wird ersucht, dem Herrn Reichspräsidenten Exzellenz von Hindenburg und dem Herrn Reichskanzler Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht der Stadt Potsdam zu verleihen.“

wird aufgehoben.

 

Entsprechend dem Antrag der Fraktion >Die Andere< ist die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes wörtlich in die Niederschrift aufzunehmen:

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Frau Knoblich:

„Wir kommen dann zur Drucksache 03/SVV/0022. Es gibt hier eine geänderte Fassung der Fraktion >Die Andere<. Ich frage jetzt Herrn Kruschat: Würden Sie dazu noch sprechen?  Ach, Herr Richter bitte – Sie haben das Wort. Die Redezeit hatten wir für die Fraktionen auf fünf Minuten begrenzt. Ich bitte darum, daran zu denken.“

 

Stadtverordneter Richter, Fraktion >Die Andere<:

„Wertes Präsidium, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Diskussion um die Streichung Paul von Hindenburgs aus der Ehrenbürgerliste unserer Stadt, die wir beantragten, hat folgende Ergebnisse erbracht: Es ist nicht sicher, ob eine Ehrenbürgerliste überhaupt existiert oder ob es sich nur um eine Auflistung der Ehrenbürger handelt. Folglich ist auch nicht sicher, ob Ehrenbürger aus einer solchen Liste oder Auflistung gestrichen werden können. Es ist unklar, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen eine Ehrenbürgerschaft 1933 verliehen werden konnte. Eine Satzung aus dieser Zeit ist nicht mehr vorhanden. Deutlich geworden ist, dass Herr von Hindenburg keinerlei Verdienste für die Stadt Potsdam erbracht hat, die eine Ehrenbürgerschaft rechtfertigen würden - was aber auch 1933 Voraussetzung war eine Ehrenbürgerschaft gewesen sein dürfte. Darüber hinaus ist vollkommen klar, dass Herr von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft zusammen mit Herrn Adolf Hitler verliehen bekommen hat. Anlass war der ‚Tag von Potsdam’ und die Ernennung Herrn Hitlers zum Reichskanzler. Aus propagandistischen Gründen wurde der Staatsakt zu Potsdam durch die gemeinsame Verleihung der Ehrenbürgerwürde in über 4.000 Gemeinden Deutschlands auf die Kommunen ausgeweitet. Die Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Frau Ströwer fasste dies sehr treffend wie folgt zusammen: Unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtergreifung, zu der Paul von Hindenburg einen wichtigen Teil beigetragen hat, wurde systematisch durch ganz Deutschland, und zwar insgesamt in 4.500 Gemeinden und Städten, der Antrag auf Ehrenbürgerschaft für Hindenburg gestellt, immer gemeinsam mit Adolf Hitler. Und tatsächlich war es so, dass immer die beiden im Schlepptau als nationalsozialistische Danksagungsgeste für Hindenburg die beiden gemeinsam ernannt wurden. Allein dieser Hintergrund der Ernennung rechtfertigt es heute zu sagen, diese Ehrenbürgerschaft, die Hindenburg deswegen erhalten hat, weil er Hitler zum Reichskanzler berufen hat, muss heute zurückgenommen werden. Deswegen haben wir unseren Antrag dahingehend verändert, dass wir nun die Aufhebung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung von 1933 beantragen, um jegliches Missverständnis, im Bezug auf die Ehrenbürgerschaft von Herrn Hitler und Herrn von Hindenburg auszuschließen; denn nach dem heutigen Diskussionsstand  war auch die Streichung Hitlers und Görings im Jahre 1990 nicht möglich. Sie haben heute die Chance, sich eindeutig zu diesem Thema zu positionieren, was gerade im Hinblick auf den kommenden Jahrestag des ‚Tages von Potsdam’ von besonderer Bedeutung ist. Ich kann nur erneut an Sie appellieren, es sich noch einmal zu überlegen, wie Sie sich dazu verhalten wollen und ich danke Ihnen im Voraus.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Vielen Dank Herr Richter. Gibt es weitere Wortmeldungen? Herr Mühlberg bitte.“

 

Stadtverordneter Mühlberg, Fraktion SPD:

„Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren, die Debatte um die Ehrenbürgerschaft Hindenburgs ist im Hauptausschuss sehr ausführlich geführt worden und sie ist auch sehr ausführlich und zutreffend in der Presse widergespiegelt worden, sodass ich hier meine Worte sehr kurz fassen kann. Meine im Hauptausschuss vorgetragene Auffassung, dass Herrn Hindenburgs Ehrenbürgerschaft mit seinem Tode erloschen ist, ist durch ein Gutachten des Rechtsamtes, was Ihnen allen vorliegt, bestätigt worden, sodass es keine Notwendigkeit gibt, hier eine Ehrenbürgerschaft, die nicht existiert, auch noch aufzuheben. Wir als SPD-Fraktion würden natürlich heute nicht mehr solch einen  Beschluss fassen und unterstützen deswegen die Erklärung, die Ihnen allen vorliegt zur Ehrenbürgerschaft Hindenburgs. Wir werden diesen Antrag also ablehnen, werden aber diese Erklärung, die diese Ablehnung nicht so im leeren Raum stehen lässt, dann mit unterstützen. Auch der Änderung des Antrags von der Fraktion >Die Andere< mit der Fassung, dass wir den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung von 1933 aufheben, das kann natürlich auch so nicht mitgetragen werden. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir jetzt anfangen, über 50 Jahre oder 60 Jahre alte Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung aufzuheben? Dann kommen Sie nächste Sitzung mit hundert anderen Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung von 1933 und verlangen, dass die dann aufgehoben werden, oder vielleicht von 1833, man weiß ja nicht, was man sich da noch alles aus den Archiven raussucht. Also ich halte das für absurd, Stadtverordnetenbeschlüsse von 1933 aufzuheben. Das ist nun mal Geschichte, das können wir nicht rückgängig machen. Wir werden uns mit der Erklärung davon distanzieren; aber die Verfahrensweise hier 60 Jahre alte Beschlüsse aufzuheben, halt ich für nicht richtig.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung  Frau Knoblich:

„Ja vielen Dank, ein Geschäftsordnungsantrag von Herrn Bretz bitte.“

 

Stadtverordneter Bretz, Fraktion CDU:

„Ja ich hab mal eine Anfrage zur Geschäftsordnung oder einen Antrag: Ich bitte mal dazu Stellung zu nehmen, ob so ein Antrag überhaupt rechtlich möglich ist, weil dieser Beschluss hat ja zu einer Rechtsfolge geführt, nämlich zu der Ehrenbürgerschaft Hindenburgs und wir heben jetzt den Beschluss auf. Die Frage ist nicht nur, dass es sich mir intellektuell verbirgt, was letztlich dahinter steht. Aber die Frage ist, was soll das? Also geht das überhaupt? Also weil ich kann mir vorstellen, mein intuitives Rechtsbewusstsein sagt mir, das wäre doch Quatsch.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Also ich habe jetzt nicht ganz verstanden, worin Ihr Geschäftsordnungsantrag bestand.“

 

Stadtverordneter Bretz, Fraktion CDU:

Mein Geschäftsordnungsantrag ist es, den Antrag abzulehnen.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Das ist eigentlich ein Redebeitrag. Ein Geschäftsordnungsantrag von Herrn Stephan bitte.“

 

Stadtverordneter Stephan, Fraktion PDS

„Ich will nur zur Klarstellung feststellen, dass der Antrag ordnungsgemäß eingegangen ist, fristgemäß; das hat das Präsidium auf der Sitzung so beschieden und damit ist er als Antrag zulässig. Die Frage ist, ob er nach unserer Gemeindeordnung als Beschluss zulässig wäre. Das müsste, wenn überhaupt, geklärt werden, aber nicht, ob der Antrag so zulässig ist. Also das ist ein bisschen was Verschiedenes und der steht jetzt hier zur Debatte und damit ist er aufgerufen und kann auch abgestimmt werden.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Sehen Sie, das hatte ich gar nicht verstanden, sonst hätte ihn gar nicht aufgerufen, wenn wir der Auffassung gewesen wären, er wäre nicht zulässig. Also insofern war das eindeutig. Aber Herr Exner wird Licht ins Dunkel bringen, bitte sehr.“

 

Beigeordneter Zentrale Steuerung und Service Herr Exner:

„Ja also ob vollständiges Licht möglich ist, weiß ich nicht. Manchmal dachte ich schon, darüber konnte man jetzt auch eine Dissertation schreiben, wenn man die Zeit hätte, aber eins ist sicherlich richtig: So ein Beschluss hat ja erst mal nur als Beschluss innere Wirkung. Und wenn man einen Beschluss von damals aufheben wollte, bei dem man nicht mal genau weiß, auf welcher Rechtsgrundlage ist er denn zu Stande gekommen und was gab es damals da für Voraussetzungen, wird man feststellen, auch eine solche Aufhebung ist entweder nicht möglich oder sie geht ins Leere, weil sie nach außen hin gar nicht mehr umsetzbar ist. Wie wollen Sie denn den damaligen Beschluss sozusagen ex-tunc, wie die Juristen sagen, also nicht mit Wirkung von heute, sondern mit Wirkung zu damals, wie wollen Sie denn umsetzen, dass die daraus resultierenden Rechte oder Pflichten wieder aufgehoben werden? Also die Ehrenbürgerschaft bestand in der Zeit und man kann das damit ja nicht wieder rückgängig machen.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Vielen Dank, Herr Dr. Scharfenberg hat das Wort. Ich hab eine kleine Rednerliste, es steht jeder drauf.“

 

Stadtverordneter Dr. Scharfenberg, Fraktion PDS:

„Ja meine Damen und Herren, ich spreche jetzt zum Ausgangsantrag der Fraktion >Die Andere<, nicht zu dem, was heute hier als Ergänzungsantrag vorgelegt worden ist und ich bitte dann auch darum, dass das getrennt abgestimmt wird. Wir haben uns ja im Hauptausschuss ziemlich ausführlich mit dieser Frage beschäftigt und letztlich geht es ja doch um das Problem: Soll Hindenburg Ehrenbürger in Potsdam sein? Das ist die Frage, die hinter diesem Antrag steht und dabei gibt es zwei Aspekte: Der eine Aspekt ist der formale - da ist diskutiert worden, gibt es überhaupt eine Ehrenbürgerliste? Also ich meine, ich halte das nicht für so wichtig. Wir haben eine Auflistung bekommen und da stehen Ehrenbürger drauf, die im Laufe der Jahre hier in Potsdam zu Ehrenbürgern geworden sind. Also insofern ist das für mich jetzt nicht das entscheidende Problem. Und es ist die zweite Frage: Kann man die Ehrenbürgerschaft aberkennen, die nur zu Lebzeiten gegolten hat? Also das ist eine zweite Frage, die formal zu klären wäre. Es gibt eine Stellungnahme des Rechtsamtes und da lese ich, dass eine Willensbekundung der Stadtverordnetenversammlung prinzipiell möglich ist. Nicht mehr und nicht weniger steht in dieser Stellungnahme. Und wir haben also mit dem, was uns die Fraktion >Die Andere< vorgelegt hat, einen Entscheidungshintergrund zu der Frage, wenn wir jetzt darüber befinden müssten, wären wir dafür, dass der Hindenburg hier Ehrenbürger ist oder nicht. Und wir können dazu eine Willensbekundung abgeben und damit will ich diesen formalen Aspekt abhaken. Das steht für mich nicht im Vordergrund, sondern es steht wirklich die Frage: Wie wird die Person Hindenburgs bewertet, welchen historischen Hintergrund gibt es dabei? Und da will ich das einfach noch mal darstellen, welche wesentlichen Aspekte dabei zu sehen sind: Hindenburg, der reaktivierte General, der den Krieg als Badekur empfunden hat und bezeichnet hat, der an der Dolchstoßlegende beteiligt war, trug zum Ende der Weimarer Republik große politische Verantwortung als Staatsoberhaupt - und nicht nur formales Staatsoberhaupt, sondern dort war die staatliche Macht tatsächlich konzentriert; da konnten Weichenstellungen vorgenommen werden. Er trug nicht die alleinige Verantwortung, weil das immer so dargestellt worden ist. Das behauptet ja niemand, dass der allein über Wohl und Wehe Deutschlands damals entschieden hat. Aber er war an einer entscheidenden Stelle, hat also große politische Verantwortung getragen für die Machtergreifung Hitlers. Er war auch nicht Spielball der gesellschaftlichen Umstände, wie das manchmal so dargestellt wird; er hatte sehr wohl einen Spielraum, denn die NSDAP und die Deutsch-Nationalen hatten nicht die Mehrheit der Stimmen bei den letzten Rechstagswahlen erhalten. Da fehlten immerhin 47 Sitze an der Mehrheit. Und nach der Weimarer Verfassung war es nun mal so, dass eine Regierung ernannt werden konnte, wenn sie die Mehrheit der Stimmen hinter sich vereinigt hat. Das war nicht der Fall. Hindenburg hat ein Minderheitskabinett bestellt. Und es gibt ja anerkannte Staatsrechtler wie Ernst Frenkel, die gesagt haben, das ist ein Staatsstreich gewesen, den Hindenburg da organisiert hat. Ich weiß, dass es auch andere Auffassungen gibt, aber das ist eine ernsthafte Betrachtungsweise gewesen. Es kann auch nicht in Frage gestellt werden, inwiefern Hindenburg aufgrund seines hohen Alters seinen Aufgaben noch gewachsen war. Er hat dieses Amt inne gehabt mit allen Konsequenzen und daraus lässt sich keinesfalls eine Entschuldigung ableiten; wobei ja auch in Geschichtsbüchern nachzulesen ist, dass er sehr wohl wusste in den entscheidenden Fragen, worum es geht. Das hat er sehr wohl erkannt. Fakt ist, Hindenburg hat mit seiner Unterschrift das Ermächtigungsgesetz und andere Gesetze rechtskräftig gemacht. Er hat dabei nie ein Hehl daraus gemacht, dass er die Ausschaltung der Sozialdemokraten und Kommunisten aus dem gesellschaftlichen, aus dem politischen Leben für gut befunden hat. Die hat als vaterlandslose Gesellen bezeichnet. Am Ende des Übergangsprozesses hatte Hindenburg seine Macht mit seiner Unterschrift - da hat ihm niemand die Hand geführt, die Unterschrift hat er selbst geleistet - auf Hitler übertragen und dann hat er sich wahrscheinlich gewundert, was da zu Stande gekommen ist. Aber er hat das selbst gemacht. Die PDS-Fraktion stimmt dem Antrag Die Fraktion >Die Andere< zu. Ich sag noch mal  – dem Ausgangsantrag. Das ist eine klare Willensbekundung, die uns hier abverlangt ist und ich bitte Sie, sich nicht hinter dem formalen Aspekt zu verstecken und da hilft auch die Erklärung nicht, die hier abgegeben werden soll. Danke.“

 

Stadtverordnete Hüneke, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

„Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht neben einem gewissen Profilierungsbedürfnis von jemandem ist es aber doch eigentlich die Angst vor dem Verlust der Demokratie, die uns dazu einlädt, uns ernsthaft mit diesen Anträgen und mit dem, was da an historischer Diskussion dahinter steht, zu beschäftigen. Denn das ist ja das, was damals stattgefunden hat und das ist das, wovor wir uns eigentlich immer wieder fürchten müssen. Ich denke, die beste Sicherheit für Demokratie ist Meinungsvielfalt  - und deshalb müssen Sie sich nicht darüber wundern, wenn wir hier heute anders argumentieren als die Bündnis Grünen in Berlin. Es ist immer gut, seinen eigenen Kopf zu benutzen. Es müsste geprüft werden will ich eingangs sagen, ob der erste Antrag der Fraktion >Die Andere< hier überhaupt zur Abstimmung gestellt werden kann, weil er ja vom Antragsteller selber nicht mehr zur Verfügung steht. Zum zweiten Antrag, der hier jetzt vorliegt, möchte ich auch sagen, dass man sozusagen die Ernennung zur Ehrenbürgerschaft 1933 nicht ungeschehen machen kann - er war ja Ehrenbürger in dieser Zeit - solange er gelebt hat. Und das kann man auch mit solch einem Antrag nicht berichtigen; das ist sicherlich unbedingt nachvollziehbar. Es ist uns auch plausibel, dass diese Ehrenbürgerschaft mit dem Tod erloschen ist, das sagt ja nicht nur die Analyse der Rechtsverhältnisse in den 30-er Jahren, sondern auch die darauf folgenden Beschlüsse, die wir dann gefasst haben. Sicherlich ist es richtig, dass wir 1990 bei den anderen Ehrenbürgerschaften das nicht bedacht haben. Ich möchte deshalb - vielleicht nur für das Protokoll - anregen, dass die Stadt Potsdam, das Stadtarchiv, eine vollständige Liste aller jemals zu Ehrenbürger ernannten Personen aufführt und dann jeweils zu den Personen, wenn es dazu Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung oder auch heute die Erklärung hoffentlich gibt, dass die dem jeweils hinzugefügt wird, sodass also es nicht einem Historiker passieren kann, wie wir es neulich schon mal gehört haben, dass er die unvollständige Liste kriegt und man sozusagen eine nachträgliche Korrektur der Geschichte vorzunehmen versucht, sondern das volle Wissen über alle Ehrenbürgerschaften, die es in dieser Stadt jemals gegeben hat, denk ich, muss da sein. Und es muss aber auch das da sein, wie wir uns dazu heute verhalten. Und ich denke, die Erklärung, die hier heute vorliegt, die sicherlich nicht vollkommen ist – Sie wissen ja, so was ist immer ein Kompromissprodukt – berücksichtigt sicherlich wesentliche Grundlagen von dem, auch was Herr Scharfenberg gesagt hat, indem es nämlich eine Distanzierung von dem Beschluss von 1933 enthält. Und ich möchte sehr dafür plädieren, dass wir dieser Erklärung zustimmen, um also unser Verhältnis zu den damaligen Geschehnissen, deutlich zum Ausdruck bringen. Ich muss Ihnen sagen, dass mir dieser Antrag eigentlich zu rückwärts gewandt ist. Wir haben heute andere Sorgen. Und wenn ich hier noch mal auf den Bestand der Demokratie zu sprechen kommen darf: Ich persönlich – und ich bin ja nicht Justizministerin, ich kann das ja sagen – ich persönlich, mache mir Sorgen und die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in den USA. Und ich spreche da die USA an, Herr Kapuste, weil sie nicht nur mit einem sehr hohen moralischen Anspruch argumentieren, sondern das größte Waffenarsenal auf der Welt haben. Und deshalb ist es sicherlich richtig, dieses Land im Moment auf den Schutz der Demokratie und der Menschenrechte anzusprechen und ich halte das eigentlich für viel wichtiger, dass wir uns damit beschäftigen.“

 

Stadtverordneter Kapuste, Fraktion CDU:

„Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion lehnt den vorliegenden Antrag ab. Sie wird jedoch der Erklärung zustimmen. Hindenburg war keine Lichtgestalt, aber auch kein Verbrecher, sondern ein widersprüchlicher Mensch, wie sie häufig in der Geschichte vorkommen. Deshalb sage ich, lassen wir ihn ruhen, wie alle anderen Ehrenbürger auch. Vorab  - bevor ich einiges Weniges zu Hindenburg und der Situation von 1933 sage - vorab einige Bemerkungen zu den rigorosen Befürwortern des Antrags: Ich meine diejenigen, die über der moralischen Verpflichtung aller Deutschen, sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen auseinander zu setzen - ich betone das noch mal - mit der moralischen Verpflichtung aller Deutschen, sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen auseinander zu setzen. Diejenigen, die aber vergessen machen wollen, dass zum Beispiel die KPD neben vielen anderen von Anfang bis Ende die Weimarer Republik und ihre Verfassung verachtet und bekämpft hat und dass Thälmann, der 1925 und 1932 für das Amt des Reichspräsidenten kandidierten, ein bedingungsloser Befehlsempfänger Stalins war, eines Stalins, der damals bereits in der Sowjetunion mit dem großen Morden begonnen hatte - siehe die Fernsehberichte, anlässlich seines fünfzigsten Todestages. Ich sage nicht, dass Thälmann dafür verantwortlich sei; er war ein Gefolgsmann. Ich setze zwar Hitler und Stalin auf eine Stufe, nicht aber den Nationalsozialismus und die SED-Herrschaft. Aber es ist schon grotesk, dass - es geht ja beim Tag von Potsdam und bei Hindenburg auch um den Deutschen Militarismus - ausgerechnet die SED nach dem Nationalsozialismus nahtlos ein zweites Mal auf deutschem Boden  einen militaristischen Staat aufgezogen hat, der in Europa nicht seines Gleichen hatte. Die Polen, die Tschechen und auch die anderen haben das ganz bestimmt nicht so verbissen gesehen. Noch im Oktober 1989 berauschten sich die Parteibonzen in Ostberlin  an einer Militärparade mit knallendem Steckschritt und dröhnenden Panzermotoren – lassen Sie mich nur mal ausreden – und fuhren damit direkt in ihren Untergang. Hitler ließ die Reichswehr einen Tag nach Hindenburgs Tod, von ihm mit Ungeduld erwartet, einen Eid ablegen, die Soldaten einen Eid ablegen, der sie zu unbedingtem Gehorsam verpflichtete - unbedingtem Gehorsam, vermutlich eine Einmaligkeit in der deutschen Militärgeschichte. Den SED-Oberen gefiel dies mit dem unbedingten Gehorsam so gut, dass sie ihn im NVA-Fahneneid auch von ihren Soldaten forderte. Die Liste militaristischen Unfugs ließe sich endlos fortsetzen. Nun zu Hindenburg; da ist fast alles gesagt worden. Wir müssen glaube ich endlich begreifen, dass Hitler und der Nationalsozialismus alles bisher Dagewesene sprengte. Niemand konnte sich, auch Hindenburg nicht, 1933 vorstellen, was einmal bis dahin Undenkbares geschehen würde; auch nicht die Warner und die ersten Opfer. Man hatte geglaubt, Hitler zähmen zu können, gemeint, er sei nur eine Übergangserscheinung, gehofft, er würde das Elend beseitigen und selbst die Juden, durch Jahrhunderte lange Verfolgung und Pogrome mit sensiblen Sensoren ausgestattet, konnten sich bis auf Ausnahmen nicht vorstellen, dass ein Kulturvolk wie das deutsche, in eine derartige Barbarei verfallen würde. Und Großbritannien und Frankreich betrieben Appeasement-Politik und Stalin machte noch im August 1933 mit Hitler Halbe-Halbe. Wir können uns heute in unserer doch sehr satten Zeit nicht vorstellen, in welcher Lage unsere Vorfahren Anfang der 30-er Jahre waren. Mit einem deklassierten Mittelstand, Millionen Arbeitslosen – und Arbeitslosigkeit war damals etwas anderes als heute – mit einem ins Chaos abgeglittenen Parlamentarismus. Und da war nun mal Hindenburg der Sieger von Tannenberg, eine Vaterfigur, an die man sich klammerte. Wir können das damalige Pathos nicht mehr nachvollziehen - ich genauso wenig wie Sie. Hindenburg war  ...  (Tonbandwechsel)  ... ein Bollwerk zugleich, wie es hier einer der Historiker sagte. Warum halten wir uns nicht daran? Warum laden wir Historiker ein und dann übernehmen wir doch nicht die Begriffe? Selbst Bert Brecht zeichnete in seinem Arturo Ui in der Gestalt des alten Dogsborough in Hindenburg auf annährend ähnliche Weise, auf annähernd – ich betone das. Zum Abschluss - und die Lehren die wir aus 1933 ziehen müssen, sind meines Erachtens nicht zu rufen: Nie wieder Faschismus und Krieg, wehret den Anfängen! Die Rechtsextremisten, die bei uns herumlaufen, sind ekelhaft und eine Schande, aber sie sind keine Bedrohung für uns und unseren Staat. Sie sind nur Bedrohung für einzelne, die sie prügeln, aber nicht für unseren Staat und unsere Gesellschaft. So jämmerlich ist unsere Demokratie nicht, dass sie von solchen Hanswursten gefährdet wird. Nein, die Lehre, die wir daraus ziehen müssen ist, dass unsere Demokratie, unser freiheitlicher Rechtsstaat Bürgerinnen und Bürger braucht, die sich zu ihm bekennen und die sich für ihn einsetzen. Dazu gehört auch die offene Auseinandersetzung mit unserer Geschichte - aber kein Umschreiben je nach Bedarf und Tagesmeinung. Vielen Dank.“

 

 

Stadtverordneter Krause, Fraktion PDS:                    (zur Geschäftsordnung)

„Ich hätte eigentlich vom Präsidium einen Ordnungsruf erwartet, denn das, was Herr Kapuste vorgetragen hat, ist nicht zur Sache gewesen und zum Schluss wo, er hier von den Gefahren für die Demokratie gesprochen hat - ich persönlich empfinde ihn in diesem Haus als eine solche Gefahr nach diesen Worten.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Als nächster hat Herr Kruschat das Wort bitte und bedenken Sie, Sie haben noch eine Minute und fünfzig Sekunden und Herr Richter hat sich auch noch mal gemeldet.“

 

Stadtverordneter Kruschat, Fraktion >Die Andere<:

„Das war die Einbringung eines Antrages, das war kein Debatte-Beitrag, muss ich ja mal dazu anmerken, aber gut. Punkt eins, zum letzten, was Herr Kapuste gesagt hat, muss ich einfach mal anmerken, von wegen keine Bedrohung der Demokratie: Es gab 2002 nach offizieller Polizeistatistik neunzig Tote durch rechtsextremistische Straftaten. Gut, das betrifft einzelne, die verprügelt werden, soviel dazu. Der nächste Punkt ist: Die Aussage von Herrn Mühlberg, find ich also wirklich gelinde gesagt peinlich. In der Situation im Jahrestag zum ‚Tag von Potsdam’, dass man sagt, na ja dann kommen Sie mit noch mehr Anträgen, die wir irgendwann mal zurücknehmen müssen. Es geht doch einfach nur darum, ein Symbol zu setzen, dieses Symbol eindeutig zu setzen und da wären Sie mit unseren beiden Anträgen, wenn Sie dem zustimmen, auf der sicheren Seite, dann kann gar nichts passieren. Ich frage mich, warum - Sie widersprechen sich auch in der Argumentation dabei - Sie sagen, Sie wollen eine Erklärung verabschieden, in der eindeutig drin steht, die Ehrenbürgerschaft sei erloschen, erklären uns aber wiederum, die wir dann diesen Antrag zurücknehmen wollen dafür, für diese Ehrenbürgerschaft, das ginge nicht, weil wir die Rechtsfolge nicht ausmachen können. Das ist doch Unfug, wenn die Ehrenbürgerschaft erloschen ist, eins kann nur stimmen in diesen Punkten. Wenn die Ehrenbürgerschaft erloschen ist, so wie Sie es sagen, können wir den Antrag zurücknehmen. Wenn wir den Antrag eindeutig zurücknehmen, tun wir auch etwas längst Überfälliges, nämlich was auch die CDU eigentlich, die Konservativen, eigentlich wollen müssten, wir würden diese Propagandaaktion damals der Nazis rückgängig machen. Wir würden endlich deutlich machen, ...“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Herr Kruschat, Ihre Redezeit ist zuende.“

 

Stadtverordneter Kruschat, Fraktion >Die Andere<:

„Moment das war die Einbringung des Antrages, ich hab noch mindestens eine Minute und zehn Sekunden zu reden.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Nein, der Antrag ist bereits eingebracht und er ist im Ausschuss diskutiert und wir haben uns geeinigt darauf, dass wir fünf Minuten Redezeit vereinbart haben im Ältestenrat.“

 

Stadtverordneter Kruschat, Fraktion >Die Andere<:

„Die Einbringung des Änderungsantrages. Ja dafür gibt es doch einen Debattebeitrag. Das ist doch eine klare Sache. Dann beantrage ich jetzt eine Auszeit, dass Sie das klären, dass Änderungsanträge natürlich genauso eingebracht werden müssen.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Dieses Recht haben Sie selbstverständlich. Fünf Minuten Auszeit und ich bitte auch die Fraktionsvorsitzenden nach vorn, dass wir im Ältestenrat hier noch mal diese Diskussion führen.“

 

17:35 Uhr bis 17:56 Uhr                         A u s z e i t

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

 „Meine Damen und Herren, ich bitte doch wieder die Plätze einzunehmen. Ich bitte darum die Plätze einzunehmen, damit wir fortfahren können. Wir haben ..., wie bitte? Herr Kruczek Geschäftsordnungsantrag? Ja bitte sehr.“

 

Stadtverordneter Kruczek, Fraktion BürgerBündnis:

„Ja ich beantrage ‚Schluss der Debatte’.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Gut, dann möchte jemand dafür sprechen? Möchte jemand dagegen sprechen? Niemand? Dann stell ich zur Abstimmung. Ach, dagegen, Herr Kruschat, bitte sehr, Entschuldigung.“

 

Stadtverordneter Kruschat, Fraktion >Die Andere<:

„Ich finde es einfach peinlich, dass diese Debatte jetzt beendet wird. Ich finde diese Diskussion um die Minuten find ich kleinlich. Ich finde, wir könnten das hier ruhig ausdiskutieren, auch wenn da unterschiedliche Meinungen aufeinander treffen. Wir haben schon im Hauptausschuss diskutiert, na klar - aber ich finde, die Argumente, die hier geäußert wurden, zeigen deutlich, deutlich, dass wir mit der Bearbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit noch längst noch nicht durch sind. Dieses Winden im Verfahren und in dahergeholten Argumenten, warum wir jetzt dieses Symbol nicht setzen können, wo wir doch das Rechtsgutachten vom Rechtsamt haben, dass es sich um eine Willenserklärung in jedem Fall handelt, das ist für mich nicht nachvollziehbar und das zeigt deutlich, dass man hier eigentlich noch große Probleme damit hat anzuerkennen, welche Verantwortung zum Beispiel auch solche Leute wie von Hindenburg für die nationalsozialistische Machtergreifung haben.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„So, ich lass dann den Geschäftsordnungsantrag abstimmen. Wer ihm zustimmt, nämlich ‚Schluss der Debatte’, den bitte ich um das Kartenzeichen. Vielen Dank; zählen wir mal lieber, das ist mir dann schon heute wichtig. Und die Gegenprobe bitte? 22 dafür und 17 dagegen - somit ist die Debatte beendet.  Geschäftsordnungsantrag von Herrn Richter bitte.“

 

Stadtverordneter Richter, Fraktion >Die Andere<:

„Ich beantrage jetzt eine namentliche Abstimmung und außerdem hätte ich gerne ein Wortprotokoll von der Debatte, die vorherging.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Das wird so geschehen im Namen der Fraktion >Die Andere< selbstverständlich, geh ich davon aus. So, dann werden wir die namentliche Abstimmung vorbereiten.  Herr Richter, Ihr Geschäftsordnungsantrag auf namentliche Abstimmung, betrifft der beide Anträge oder den Originalantrag?.“

 

Stadtverordneter Richter, Fraktion >Die Andere<:

„Das ist richtig, der betrifft beide Anträge und ich würde darum bitten, beide Anträge noch mal zu verlesen.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Ich hatte Sie richtig verstanden, zu verlesen?.“

 

Stadtverordneter Richter, Fraktion >Die Andere<:

„Ja, zu verlesen.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Ja, als erstes verlese ich dann den Ergänzungsantrag der Fraktion >Die Andere<. Geschäftsordnungsantrag?.“

 

Stadtverordneter Mühlberg, Fraktion SPD:    

„Ja um zu zeigen, dass man von der Fraktion >Die Andere< nicht mit uns hier Kasperletheater spielen lassen und uns ihre Meinung aufzwingen lassen, beantrage ich jetzt, nur um dies zu zeigen, geheime Abstimmung.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Ja, dann frage ich Sie, Herr Mühlberg, auch zu beiden Anträgen oder zu einem nur? ... So, wenn geheime Abstimmung verlangt wird, dann werden wir dieses tun. Herr Bruch hat den nächsten Geschäftsordnungsantrag.“

 

Stadtverordneter Bruch, Fraktion CDU:

„Bitte auch noch mal zu klären, ob es sich jetzt um eine neue Version des Antrages handelt oder es sich um eine Ergänzung wirklich handelt.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Ich hätte Ihnen das vorgelesen, Herr Bruch, es steht hier explizit ‚ergänzt’ und ‚Ergänzungsantrag’, also insofern ist es sehr eindeutig und darüber brauchen nicht zu diskutieren. Es ist geheime Abstimmung gewünscht worden für beide Anträge. Ich denke, wir machen jetzt bis 18:10 Uhr eine Pause, damit das vorbereitet wird, denn ich benötige auch eine Pause. Ich hab ‚ne Pause aufgerufen, Frau Reiß.“

 

18:00 Uhr bis 18:10 Uhr                            P A U S E

 

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Ich bitte; so langsam die Plätze wieder einzunehmen, dass wir dann in unserer Sitzung fortfahren können. Ein kleinen Moment dauert es noch, die entsprechenden Zettel müssen noch fertig vorbereitet werden, aber es geht gleich los. So, Frau Ernst wird als erstes die Abstimmungsscheine zum Ergänzungsantrag zur Drucksache verteilen. Herr Bruch, würden Sie bitte sich überzeugen davon, dass die Urne leer ist? Vielen Dank, Frau Ziegenbein und Herr Bretz verliest die Namen. Frau Ernst verteilt die Zettel dann.“

 

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Gibt es jemanden, der nicht bedacht wurde? Das ist nicht der Fall. Ich schließe damit diese erste Abstimmung und bitte dann Frau Ziegenbein mit der Urne und den bewährten Zählern, ich weiß jetzt nicht, wer es aus der PDS-Fraktion ist, Frau Göttel? Nö? Ach, Herr Schöder ist schon los. ...

Ich schlage Ihnen vor, wir wenden uns dann dem Antrag zu, der als einziger noch offen blieb, nämlich dem Antrag von Herrn Arndt, Werbesatzung der Landeshauptstadt Potsdam.“

 

Nach der Behandlung der DS 03/SVV/0036:

 

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„So ich möchte Ihnen gerne das Ergebnis der ersten Abstimmung mitteilen, betreffend den Ergänzungsantrag zur Drucksache 03/SVV/0022, und zwar 17 Stadtverordnete haben mit ‚JA’ gestimmt, 23 mit ‚NEIN’, zwei Stimmenenthaltungen, somit ist dieser Antrag abgelehnt und wir kommen dann zur Abstimmung des ursprünglichen Antrags und ich bitte darum, dass dann wieder die Abstimmungsscheine ausgeteilt werden. Frau Ernst oder Frau Seidel wird das übernehmen und Frau Ziegenbein wird sich dann bitte der Wahlurne widmen. So, Herr Bruch hat sich überzeugt davon, dass die Urne leer ist und Herr Bretz erhält das Wort zum Verlesen der Namen, bitte sehr. ...

So, gibt es jemanden unter den Stadtverordneten, der nicht berücksichtigt wurde? Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich schließe dann diesen Abstimmungsgang und bitte die Zähler, sich in die anderen Räumlichkeiten zu begeben und ich bitte auch darum, dass die Stadtverordneten ihre Plätze einnehmen. Wir haben den Tagesordnungspunkt zwar noch nicht ganz abgeschlossen, das Ergebnis liegt ja noch nicht vor, aber ich möchte die Zeit gern nutzen, Herrn Kapuste das Wort zu einer persönlichen Bemerkung zu geben, bitte sehr.“

 

Stadtverordneter Kapuste, Fraktion CDU:             persönliche Bemerkung

„Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren, ich bitte auch Frau Vorsitzende, dieses genauso zum Wortprotokoll zu nehmen. Ich möchte hier auf Herrn Krause, der jetzt nicht da ist, reagieren. Ich möchte drei Dinge feststellen. Erstens, ich bin kein Bannerträger von Hindenburg, dieser Mann war mir historisch immer schon egal. Zweitens, wenn wir uns mit dieser Zeit befassen bin ich der Meinung, dass wir insbesondere uns damit befassen würden, was unsere Vorfahren gedacht haben und dies wollte ich zum Ausdruck bringen. Und dazu gehört nun mal die KPD und es geht nicht immer so, dass nur weil das hier Kommunalpolitik ist - wir machen ja auch große Politik – dass das untergepflügt wird. Und Drittens: Ich habe nur gesagt, das war das letzte, dass ich nicht meine, dass der Rechtsextremismus eine Gefahr für diesen Staat und diese Gesellschaft ist hier. Dass es  ekelhaft und gemein und eine Schande ist, das hab ich x-mal gesagt hier. Und dass ich zum Beispiel die geringe Wahlbeteiligung und solche Sachen eine größere Gefahr finde, das ist meine Meinung, die kann ich äußern. Und ich möchte dem Herr Krause sagen, das kann er ja dann im Protokoll nachlesen, ich fühle mich durch diese Bemerkung, das ist mir das erste Mal in meinen 65-jährigen Leben, dass mir so was gesagt worden ist - anscheinend habe ich hier in ein Wespennest gestochen, fühle ich mich beleidigt. Da soll er machen was er will damit, danke.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

 „Danke, Herr Kapuste. Herr Dr. Scharfenberg, Geschäftsordnungsantrag? Ich muss aber dazu sagen, Herr Krause hat Herrn Kapuste persönlich angesprochen und insofern, hat er natürlich auch das Recht, hier persönlich zu reagieren. Bitte sehr.“

 

Stadtverordneter Scharfenberg, Fraktion PDS:

„Ich möchte trotzdem bei dieser Gelegenheit, darum bitten, dass darauf geachtet wird, dass solche Geschäftsordnungsanträge hier nicht missbraucht werden für eine Fortsetzung der Diskussion - und das ist hier geschehen. Herr Kapuste ist in seinen Ansichten angreifbar gewesen und ich finde es nicht fair, wie das hier gehandhabt worden ist.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Ich denke Herr Dr. Scharfenberg, das war doch eine Ansichtssache. Ich denke, ich habe dort richtig gehandelt. Ich habe es auch nicht alleine entschieden und insofern denke ich, dass wir diese Diskussion nicht weiter zu führen brauchen. Frau Marquardt hat das Wort zur Geschäftsordnung.“

 

Stadtverordnete Marquardt, Fraktion SPD:

„Ich möchte gerne eine persönliche Erklärung abgeben. Und zwar verwahre ich mich gegen die Äußerung von Herrn Kruschat, wir hätten uns mit dem NS-Regime nicht auseinandergesetzt. Ich kann nicht dran denken. In unserer Familie sind zwei Menschen umgekommen durch die Nazis. Der eine wurde totgeschlagen in Chemnitz, der andere ist erschossen worden in Fichtenwalde an der Schule. Der Großvater hat wegen Großverrat in Berlin im Gefängnis gesessen, die Tante musste in die Illegalität und die Mutter meines Mannes in die Illegalität gehen. Und hier wird einfach so getan, als wenn wir das einfach so abtun, als wenn das gar nichts gewesen wäre. ... (Tonbandwechse)  ...“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

 „Vielen Dank Frau Marquardt. So, das Ergebnis der Stimmenauszählung lautet folgender Maßen: Mit ‚JA’ haben 23 Stadtverordnete gestimmt, mit ‚NEIN’ haben 18 Stadtverordnete gestimmt, zwei Enthaltungen - somit ist dieser Antrag angenommen.“

 

Stadtverordneter Bretz, Fraktion CDU:

„Entschuldigung, nein das stimmt nicht. Es sind 23 Nein- Stimmen, 18 Ja-Stimmen.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

Also wissen Sie, das ist aber etwas was ich hier durch drei Unterschriften dokumentiert bekommen habe. Waren Sie denn bei den Auszählern?“

 

Stadtverordneter Bretz, Fraktion CDU:

„Ja wir waren bei den Auszählern.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Also jetzt muss ich doch darum bitten, wer hat hier ausgezählt? Ich bitte, das dann noch mal zu überprüfen, Herr Schöder, und ich bitte Sie mit den zwei Herrschaften, mit denen ausgezählt wurde, dann sich noch mal zusammen zu tun, um das dann  ... Herr Dr. Jeschke, Herr Bretz und Herr Schöder, und dann bitte ich, mir das korrekt vorzutragen. So, ich korrigiere das Ergebnis. 18 JA-Stimmen, 23 NEIN-Stimmen und zwei Enthaltungen, somit ist dieser Antrag abgelehnt. Frau Hüneke hat das Wort.“

 

 

Stadtverordnete Hüneke, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

„Ich verlese die fraktionsübergreifend besprochene Erklärung zur Ehrenbürgerschaft Hindenburgs.

 

„Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung ernannte Paul von Hindenburg im April 1933 zum Ehrenbürger der Stadt Potsdam. Es war eine politische Ehrung, die nicht mit besonderen Verdiensten für die Stadt Potsdam, sondern mit dem ’Tag von Potsdam’ am 21. März 1933 und der Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler zusammenhing. Auch wenn diese Wahl das Ergebnis eines historischen Prozesses in der zusammenbrechenden Weimarer Republik war, so war es doch Hindenburg, der Hitler zum Reichskanzler ernannte und so den Weg für das totalitäre Regime Hitlers ebnete. Damit beschritt Deutschland einen unheilvollen Weg, dessen furchtbares Ausmaß alles bis dahin Denkbare übertraf. Er führte zur Zerstörung der Demokratie, zu Unterdrückung, Verfolgung und zur Ermordung von Millionen Menschen, auf Grund ihrer Nationalität, Religion oder politischen Überzeugung und endete in einem Krieg mit Millionen von Toten und Verletzten, verwüsteten Ländern und Städten und dem vollkommenen Zusammenbruch des Deutschen Volkes. Wir müssen uns mit diesem schweren Erbe auseinandersetzen, uns weiter mit den historischen und politischen, völkerrechtlichen und psychologischen Ursachen dieser Entwicklung beschäftigen, damit sich solche Vorgänge nicht wiederholen können. Die Ernennung Hindenburgs zum Ehrenbürger Potsdams, die mit seinem Tod erlosch, war Teil einer Entwicklung, von der wir uns heute distanzieren. Wir müssen damit leben, dass wir sie nicht ungeschehen machen können.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

„Vielen Dank Frau Hüneke. Wir hatten uns geeinigt, dazu in die Abstimmung einzutreten ohne zu diskutieren. Zur Geschäftsordnung, Herr Dr. Scharfenberg?“

 

Stadtverordneter Scharfenberg, Fraktion PDS:

„Ich möchte zur Klarstellung hier sagen, dass die PDS-Fraktion sich nicht an der Erarbeitung dieser Erklärung beteiligt hat, weil sie dem Antrag der Fraktion >Die Andere< zustimmt.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

 „Geschäftsordnungsantrag, Herr Richter bitte?“

 

Stadtverordneter Richter, Fraktion >Die Andere<:

„Ich möchte genau das selbe auf die Äußerung von Frau Hüneke machen, dass das hier eine fraktionsübergreifende Erklärung gewesen wäre. Wir haben uns an dieser Erklärung auch nicht beteiligt, wir haben ja de Antrag eingebracht, den Sie gerade abgelehnt haben.“

 

Stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Frau Knoblich:

 „Ich stelle dann die Erklärung zur Abstimmung. Wer ihr seine Zustimmung gibt, den bitte ich ums Kartenzeichen. Vielen Dank. Gegenstimmen bitte?  Danke sehr und bei einigen oder doch einer ganzen Menge Enthaltungen. Ich bitte Sie das vielleicht auch noch mal deutlich zu machen, vielen Dank, ist diese Erklärung dann so angenommen.“

 

 

(Wortlaut lt. Tonbandaufzeichnung)

 

 

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Beschlusstext:

Paul von Hindenburg wird aus der Ehrenbürgerliste der Stadt Potsdam gestrichen.

 

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Abstimmungsergebnis:

in geheimer Abstimmung

mit 18 Ja-Stimmen,

bei 23 Nein-Stimmen

und  2 Stimmenthaltungen abgelehnt.