02.04.2003 - 2.1 Durchsetzung der Sanierungsziele in Babelsberg-Süd
Grunddaten
- TOP:
- Ö 2.1
- Zusätze:
- Fraktion >Die Andere<
- Datum:
- Mi., 02.04.2003
- Status:
- gemischt (Sitzung abgeschlossen)
- Uhrzeit:
- 13:05
- Anlass:
- ordentliche Sitzung
- Beratung:
- öffentlich
- Vorlageart:
- Große Anfrage
- Federführend:
- Fraktion Die Andere
- Beschluss:
- zur Kenntnis genommen
Im April 1998 beschloss die Stadtverordnetenversammlung einstimmig
die DS 98/0194 „Sozialplanrichtlinie für die Sanierungsgebiete und den
Entwicklungsbereich Block 27 in der Stadt Potsdam als Konkretisierung der
Sanierungsziele“ und legte in der DS 98/0195 wiederum einstimmig für die
Sanierungsgebiete folgende Mietobergrenzen fest:
Wohnungen mit einer Wohnfläche bis 40 m²
10,50 DM/m² kalt
Wohnungen mit einer Wohnfläche von 41 m² - 60 m² 9,50 DM/m² kalt
Wohnungen mit einer Wohnfläche von 61 m² - 90 m² 9,00 DM/m² kalt
Wohnungen mit einer Wohnfläche über 90 m² 8,50 DM/m² kalt.
Als soziale Ziele der Sanierung wurden festgelegt:
- das Mitwirkungsrecht der Betroffenen bei der Entwicklung
der Gebiete, insbesondere aber
bei der
Erneuerung der Häuser zu stärken;
- grundsätzlich und in der Regel keine Verdrängung der
ortsansässigen Bevölkerung
zuzulassen;
- langfristig ein Mietniveau zu erhalten, das eine soziale
Durchmischung der Gebiete sichert
- eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfeldes
durchzusetzen.
In den letzten Monaten gab es verschiedene Vorstöße von
Investoren, die Gültigkeit von Mietobergrenzen in Frage zu stellen.
Insbesondere die Kirsch und Drechsler Hausbau GmbH legte mehrfach Widerspruch
ein. Herr Kirsch persönlich setzte sich 2002 im Sozialausschuss für die Aufgabe
der Mietobergrenzen und eine individuelle Förderung von Mieter/innen ein, die
eine Mieterhöhung nicht finanzieren können.
Dabei argumentiert Herr Kirsch damit, dass eine Sanierung
nicht kostengünstiger durchzuführen sei. Andererseits wirbt er auf der
Internetseite für fast alle seiner Objekte mit den Prädikaten „aufwendig
sanierter Altbau “ oder „mit außergewöhnlichem Aufwand sanierter Altbau“. Auch
ein Vergleich mit anderen Firmen zeigt, dass die Sanierung weitaus billiger zu
leisten ist.
Die sehr aufwendige Sanierung gerade im Sanierungsgebiet
Babelsberg-Süd führt dazu, dass die Mietobergrenzen durch Kirsch und Drechsler
weit überschritten werden. Der Stadtkontor forderte daher regelmäßig in seinen
Stellungnahmen ein, dass vor Erteilung der Sanierungsgenehmigung die
Modernisierungsvereinbarungen mit den betroffenen Mieter/innen einzureichen
sind. Trotz dieser Hinweise überschritt Kirsch und Drechsler weiter die
festgelegten Mietobergrenzen.
Dennoch verkauften die GEWOBA und die Stadt Potsdam mehrere
Objekte an Kirsch und Drechsler. Obwohl es u.W. keine rechtskräftigen
Entscheidungen gibt, die die Unzulässigkeit von Mietobergrenzen in
Sanierungsgebieten feststellen, hat die Stadtverwaltung nach eigenen Angaben
2002 „nicht eine Sanierungsgenehmigung mit Mietobergrenze erteilt“ (siehe
Antwort auf DS 03/0104).
Leider hat der Oberbürgermeister bislang nur unzureichend
dargelegt, welche Verdrängungseffekte durch Überschreitung der Mietobergrenzen
entstanden sind. Dabei hat er sich auf Datenschutzbelange berufen (siehe
Antwort auf die DS 03/0062 und 03/0104). Auf unsere Nachfrage teilte
demgegenüber der Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht
mit, dass der Datenschutz der Auskunft nicht entgegensteht und die erfragten
Daten auch mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln sind.
Wir fragen den Oberbürgermeister:
1. Warum werden die von den Stadtverordneten einstimmig
beschlossenen Mietobergrenzen
insbesondere durch die Firma Kirsch und Drechsler nicht eingehalten?
2. Falls die Stadtverwaltung durch Gerichtsentscheidungen
daran gehindert ist, die
Einhaltung der Mietobergrenzen durchzusetzen,
a) welche Entscheidungen sind dies?
b) seit wann sind sie rechtskräftig?
3. Warum verkaufen GEWOBA und die Stadt Potsdam an
Investoren, die sich mehrfach
nicht an die Mietobergrenzen gehalten haben?
4. Sind andere Kaufinteressenten vorhanden?
5. Wenn nein, was hat die Stadtverwaltung unternommen, um
Kaufinteressentinnen zu
finden, die die Sanierung unter Einhaltung der Mietobergrenzen
durchführen?
6. Warum hat die Stadtverwaltung den mehrfachen Hinweis des
(als städtischer Treuhänder
für die Entwicklung Babelsbergs zuständigen) Stadtkontors nicht
umgesetzt,
Sanierungsgenehmigungen nur noch bei Vorlage von
Modernisierungsvereinbarungen
des Eigentümers mit den Mieter/innen zu erteilen?
7. Wie erhält die Firma Kirsch und Drechsler Kenntnis (und
damit die Möglichkeit, das
Interesse an Kauf und Sanierung zu bekunden) über sanierungsbedürftige
städtische
Liegenschaften?
8. Welche Auswirkungen hat die Überschreitung der
Mietobergrenzen auf die Entwicklung
des Mietspiegels für Babelsberg-Süd und die Stadt Potsdam insgesamt?
9. Welchen Einfluss hat die Umwandlung von
sanierungsbedürftigem Altbaubestand in
Eigentumswohnungen auf den bei der Sanierung angestrebten Aufwand und
Standard?
10. Wie hoch schätzt der Stadtkontor den Bedarf an
Eigentumswohnungen im
Sanierungsgebiet Babelsberg-Süd ein?
11. Welche Verdrängungseffekte sind durch die Überschreitung
der Mietobergrenzen
entstanden?
12. Wie viele der Mieter/innen, die in Wohnungen lebten, die
durch Kirsch und Drechsler im
Sanierungsgebiet Babelsberg-Süd
saniert / modernisiert wurden, wohnen nach der
Sanierung noch oder wieder in diesen
Wohnungen?
13. Wie viele der unter 12. genannten Personen wohnen nach
der Sanierung noch oder
wieder im Sanierungsgebiet
Babelsberg-Süd?
14. Wie viele Mieter/innen im Bereich Babelsberg-Süd, deren
Wohnungen unter Einhaltung
der Mietobergrenzen saniert /
modernisiert wurden, wohnen heute noch oder wieder in
diesen Wohnungen?
15. In welche Stadtteile und anderen Kommunen erfolgten
absolut und prozentual die
meisten der unter 12.-14. erfragten
Wegzüge?
16. Aus welchen Stadtteilen oder anderen Kommunen waren
absolut und prozentual die
meisten Zuzüge in das
Sanierungsgebiet Babelsberg-Süd zu verzeichnen?
17. Hält der Oberbürgermeister die Umsetzung von
Mietobergrenzen generell für erforderlich
oder wünschenswert?
18. Welchen Einfluss nimmt die Stadt Potsdam als
Gesellschafterin auf die GEWOBA, um die
Einhaltung der beschlossenen
Mietobergrenzen durchzusetzen.
19. War dem Oberbürgermeister bei der Wahl Wolfhard Kirschs
als sachkundiger Einwohner
ausgerechnet in den Ausschuss für
Finanzen, Wirtschaft und Liegenschaften bekannt,
dass die Firma Kirsch und Drechsler
mehrfach offen gegen die Mietobergrenzen
verstoßen hat?
20. Wenn ja, warum hat er dies den Stadtverordneten vor der
Abstimmung nicht mitgeteilt?