22.02.2006 - 2 Straßenausbaubeiträge

Beschluss:
geändert beschlossen
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Der Oberbürgermeister schlägt vor, die Tagesordnungspunkte 2 und 3 gemeinsam zu behandeln. Gegen diesen Vorschlag erhebt sich kein Widerspruch. Herr Goetzmann verweist darauf, dass zu der Mitteilungsvorlage 06/SVV/0118 - Erhebung von Straßenbaubeiträgen – jeweils in einem Exemplar an die Fraktionen ergänzende Unterlagen ausgereicht wurden, die die Stellungnahme des Rechtsamtes, eine Definition der in der Spalte „Art der Information über die Beitragserhebung“ verwendeten Begriffe und die Anzahl der Anlieger in der Berliner Straße, die im Jahr 2006 zu Straßenbaubeiträgen herangezogen wurden, enthalte.

 

Im Weiteren äußert sich Herr Dr. Scharfenberg, dass der Dreh- und Angelpunkt der Diskussion der § 10 der Straßenausbaubeitragssatzung sei und sich darauf der Antrag der Fraktion DIE LINKE. PDS beziehe. Bis 1997 habe es keine Beitragspflicht für die Bürger gegeben, deshalb habe die PDS die Aufnahme der Anhörung in die o.g. Satzung beantragt. Damit sollten die betroffenen Bürger gefragt werden, ob sie den Ausbau wollen und unter welchen Bedingungen. Er meine, die Verwaltung habe den § 10 willkürlich ausgelegt und Befragungen nicht durchgeführt. Die Meinung der Bürger sei jedoch nachweisbar einzuholen, um Mehrheiten feststellen zu können. Nun werde seitens der Verwaltung argumentiert, dass die fehlende Befragung keine rechtlichen Auswirkungen habe. Da stelle sich für ihn die Frage nach der Verbindlichkeit der satzungsrechtlichen Vorschrift. Herr Schüler meint, er sei überrascht von der Stellungnahme des Rechtsamtes, die Rechtsverletzung (fehlende Befragung) bleibe folgenlos. Das sei unverständlich und führe ihn zu der Schlussfolgerung, man könne auf die Regelungen im § 10 auch verzichten, was aber nicht das Ziel sein könne. Der Bürger muss in die Lage versetzt werden, Einwände erheben zu können. Dazu müsse er wissen, was gebaut werde und wie hoch die Belastung für ihn sei. Insofern meine er, dass die fehlende Befragung Rechtsfolgen haben müsse und das auch das Verwaltungsgericht so sehen würde. Um den § 10 zu präzisieren, habe die Fraktion Grüne/ B 90 den Änderungsantrag vorgelegt.

 

Bezug nehmend auf den Änderungsantrag der Fraktion Grüne/ B 90 äußert Herr Goetzmann, dass mit den gewählten Formulierungen Klarheit bezüglich der Auslegung des § 10 erreicht werden könne. Allerdings bedarf es dazu einiger Korrekturen der verwendeten Begrifflichkeiten und einer Satzungsänderung über den formal-rechtlichen Weg. Im Weiteren führt er aus, dass die Verwaltung nach wie vor die Auffassung vertrete, dass ein Ausschluss von der Beitragspflicht nicht möglich sei. Ein Beschluss der StVV im Nachgang mache auch keinen Sinn, weil er nur ergeben könne, dass keine Beiträge erhoben werden. Insofern befinde man sich in einem „Dilemma“. Er betont im Weiteren, dass es keine Frage sei, dass Satzungsobliegenheiten verletzt wurden, woraus aber nicht eine Befreiung von der Beitragspflicht folge. Zu klären sei, wie man sich bei der Verletzung der Satzungsvorschrift verhalte, einschließlich eines konkreten Verfahrens dazu. Anschließend erläutert er die auf Seite 2 der Mitteilungsvorlage genannten 8 Fälle, bei denen mit dem Bau begonnen wurde und die Verwaltung ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen ist.

Daran anschließend beantwortet Herr Exner die Frage, welche Folgen Verletzungen formalen Rechts haben und betont, dass in der obergerichtlichen Rechtssprechung nichts darauf hinweise, dass eine fehlende Beteiligung zu einer Befreiung von der Beitragspflicht führe. Natürlich könne auch er nicht zweifelsfrei sagen, wie das hiesige Verwaltungsgericht entscheide. Man dürfe aber auch nicht außer Acht lassen, dass die Entscheidung über eine Maßnahme letztlich auch nicht bei den Bürger liege, sondern eine Organentscheidung – in diesem Falle durch die StVV – sei.

 

Herr Schubert meint, man könne nicht davon ausgehen, dass die StVV in den genannten Fällen einer Straßenbaumaßnahme zugestimmt hätte. Das Problem sei eine Satzungsvorschrift ohne Durchsetzungskraft. Keiner könne ausschließen, dass sich eine Missachtung jederzeit wiederhole. Die unterschiedlichen juristischen Meinungen können wohl nur gerichtlich geklärt werden. Trotzdem widersprechen die Aussagen, dass die Verletzung der Satzungsvorschrift ohne Folge bleibe, seinem natürlichen Rechtsempfinden.

 

Herr Bretz merkt zum vorliegenden Antrag an, dass dem noch ein entsprechender Verfahrensvorschlag folgen sollte und die Begrifflichkeiten im Änderungsantrag der Fraktion Grüne/ B 90 rechtlich eindeutiger zu formulieren sind. So könne die Definition über „eine Mehrheit der Anlieger“ unterschiedlich ausfallen, wenn die Bezugparameter nicht bestimmt sind.

 

Herr Schüler sieht im vorliegenden Fall nicht nur eine Verletzung formellen Rechts. Er meine, ein Beschluss der StVV wäre die konstituierende Voraussetzung für die Erhebung von Beiträgen.  Die Konsequenz daraus wäre, die Mittel werden nicht von den Bürgern beglichen, sondern aus Haushaltsmitteln der Stadt. Gleichzeitig stelle sich die Frage, was mit denen passiere, die die Verantwortung für den Satzungsverstoß tragen.

Frau Bankwitz meint, sie könne sich die Betroffenheit der Bürger gut vorstellen, wenn 5 Jahre nach Bauabschluss ein Gebührenbescheid ankomme. Man könne gegenüber den Betroffenen auch nicht argumentieren, es eine verbesserte Situation in Form einer neuen Straße für sie entstanden und nun müssen sie auch dafür zahlen, auch wenn sie nicht befragt wurden. Außerdem sehe sie hier einen „leichtfertigen Umgang“ mit kommunalen Mitteln, denn die Stadt habe 5 Jahre auf diese verzichtet bzw. sie verauslagt. Die Vorgehensweise sei ärgerlich und bei einer Anhörung wären auch andere Lösungen möglich gewesen. Darüber hinaus sei das Vertrauen zwischen Bürger und Verwaltung gestört.

 

Herr Goetzmann unterstreicht seine Aussage, die Angelegenheit sei „ärgerlich“ und räumt ein, dass die Abrechnung der Maßnahme „liegen geblieben“ sei. Das aber deshalb, weil die Kapazitäten der Verwaltung bei anderen Maßnahmen gebunden waren, denen die Verwaltung einen Vorrang eingeräumt hat, um die zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen. Er meine, man solle „nach vorn sehen“, die Satzung ändern und zukünftig die Regeln einhalten.

Herr Exner stellt in seinen Ausführungen klar, dass er keinesfalls die Verstöße gegen das Beteiligungsverfahren billige und betont, dass natürlich für die Zukunft sichergestellt werden müsse, dass derartige Verstöße nicht mehr vorkommen. Im Endeffekt bleibe aber die Frage, ob die Beitragspflicht entfallen solle. Zukünftig werde die Verwaltung sicher auch andere Verfahren für die Finanzierung finden, z.B. die Vorleistung der Bürger.  Eine rechtliche Klärung werde es sicher geben, weil Klageverfahren stattfinden. Die zu klärenden Verfahrensfragen müssen praktikabel bleiben und sollten in eine Dienstanweisung o.ä. einfließen. Bezug nehmend auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE. PDS bittet Herr Exner, den letzten Satz zu streichen, da dieser ein Geschäft der laufenden Verwaltung betreffe.

 

Darauf bezug nehmend antwortet Herr Dr. Scharfenberg, dass der Antrag seiner Fraktion zur Problemlösung beitragen solle. Die Diskussion habe gezeigt, dass die Verwaltung ein völlig anderes Verständnis bezüglich der Auslegung des § 10 habe als die Mitglieder des Hauptausschusses. Das betreffe ebenso die Definition der „Bürgerbefragung“. Er habe kein Problem, den Änderungsantrag der Fraktion Grüne/ B 90 zu übernehmen bzw. in den Antrag einfließen zu lassen. Die Passage zur vorzulegenden Übersicht könne gestrichen werden, da dies bereits erfolgt sei. Mit dem letzten Satz sollte es eine verbindliche Vorgabe an die Verwaltung geben und die rechtliche Klärung, z.B. in Form der rechtlichen Würdigung durch das Innenministerium, abgewartet werden.

Herr Krause empfiehlt, die StVV im Nachgang entscheiden zu lassen, ob diese Maßnahmen durchzuführen gewesen wären oder nicht. In die Satzung sind Information bzw. Bürgerbefragung und die Ankündigungs- und Hinweispflicht aufzunehmen. Allerdings habe auch der Bürger die Pflicht der Information und des Erfragens der Rechtslage. Herr Kirsch empfiehlt eine Verständigung mit den Betroffenen, um Musterklagen anzustreben und damit Kosten einsparen zu können. Damit könnte die Stadt in die Offensive gehen und die strittigen Fragen endgültig klären.

 

Nach Hinweisen von Herrn Schüler und Frau B. Müller erfolgt eine kurze kontroverse Diskussion zur Befangenheit von Frau Bankwitz und Herrn Kirsch. Dazu erklärt Herr Exner, dass in diesem Falle das Kriterium der „unmittelbaren Betroffenheit“ nicht erfüllt sei, da hier keine Einzelfälle behandelt werden.

 

Abschließend schlägt der Oberbürgermeister vor, die Hinweise aus der Diskussion in eine veränderte Verfahrensweise einfließen zu lassen und seitens der Verwaltung zu prüfen, ob dieses Verfahren in eine Dienstanweisung oder in die Satzung selbst aufgenommen werden solle. Darüber hinaus sei eine rechtliche Prüfung mit der Kommunalaufsicht zu vereinbaren.

 

Danach  trägt Herr Exner folgende  Änderung des letzten Satzes mit dem Wortlaut vor:

 

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Der Hauptausschuss empfiehlt der  Stadtverordnetenversammlung, wie folgt zu  beschließen:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt dafür Sorge zu tragen, dass die in der Satzung für Straßenausbaubeiträge vorgeschriebene Befragung der Anlieger vor Beginn der Straßenbaumaßnahmen konsequent realisiert wird.

 

Angesichts der aufgetretenen Unklarheiten im Zusammenhang mit dem Ausbau der Florastraße und der Potsdamer Straße wird dem OBM empfohlen unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten den Anliegern für die jetzt erfolgte Aufforderung zur Zahlung von Straßenausbaubeiträgen einen zinsfreien Aufschub bis zu einer rechtlichen Klärung der Zahlungsvoraussetzungen zu erteilen.

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Abstimmungsergebnis:

einstimmig angenommen.