22.02.2006 - 2 Straßenausbaubeiträge
Grunddaten
- TOP:
- Ö 2
- Zusätze:
- Fraktion DIE LINKE. PDS Änderungsantrag der Fraktion Grüne/B 90
- Gremium:
- Hauptausschuss
- Datum:
- Mi., 22.02.2006
- Status:
- gemischt (Sitzung abgeschlossen)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- ordentliche Sitzung
- Vorlage:
-
05/SVV/1043 Straßenausbaubeiträge
- Beratung:
- öffentlich
- Vorlageart:
- Antrag
- Federführend:
- Fraktion Die Linke
- Beschluss:
- geändert beschlossen
Der Oberbürgermeister schlägt vor, die Tagesordnungspunkte 2
und 3 gemeinsam zu behandeln. Gegen diesen Vorschlag erhebt sich kein
Widerspruch. Herr Goetzmann verweist darauf, dass zu der Mitteilungsvorlage 06/SVV/0118
- Erhebung von Straßenbaubeiträgen – jeweils in einem Exemplar an die
Fraktionen ergänzende Unterlagen ausgereicht wurden, die die Stellungnahme des
Rechtsamtes, eine Definition der in der Spalte „Art der Information über die
Beitragserhebung“ verwendeten Begriffe und die Anzahl der Anlieger in der
Berliner Straße, die im Jahr 2006 zu Straßenbaubeiträgen herangezogen wurden,
enthalte.
Im Weiteren äußert sich Herr Dr. Scharfenberg, dass der
Dreh- und Angelpunkt der Diskussion der § 10 der Straßenausbaubeitragssatzung
sei und sich darauf der Antrag der Fraktion DIE LINKE. PDS beziehe. Bis 1997
habe es keine Beitragspflicht für die Bürger gegeben, deshalb habe die PDS die
Aufnahme der Anhörung in die o.g. Satzung beantragt. Damit sollten die betroffenen
Bürger gefragt werden, ob sie den Ausbau wollen und unter welchen Bedingungen.
Er meine, die Verwaltung habe den § 10 willkürlich ausgelegt und Befragungen
nicht durchgeführt. Die Meinung der Bürger sei jedoch nachweisbar einzuholen,
um Mehrheiten feststellen zu können. Nun werde seitens der Verwaltung
argumentiert, dass die fehlende Befragung keine rechtlichen Auswirkungen habe.
Da stelle sich für ihn die Frage nach der Verbindlichkeit der
satzungsrechtlichen Vorschrift. Herr Schüler meint, er sei überrascht von der
Stellungnahme des Rechtsamtes, die Rechtsverletzung (fehlende Befragung) bleibe
folgenlos. Das sei unverständlich und führe ihn zu der Schlussfolgerung, man
könne auf die Regelungen im § 10 auch verzichten, was aber nicht das Ziel sein könne.
Der Bürger muss in die Lage versetzt werden, Einwände erheben zu können. Dazu
müsse er wissen, was gebaut werde und wie hoch die Belastung für ihn sei.
Insofern meine er, dass die fehlende Befragung Rechtsfolgen haben müsse und das
auch das Verwaltungsgericht so sehen würde. Um den § 10 zu präzisieren, habe
die Fraktion Grüne/ B 90 den Änderungsantrag vorgelegt.
Bezug nehmend auf den Änderungsantrag der Fraktion Grüne/ B
90 äußert Herr Goetzmann, dass mit den gewählten Formulierungen Klarheit
bezüglich der Auslegung des § 10 erreicht werden könne. Allerdings bedarf es
dazu einiger Korrekturen der verwendeten Begrifflichkeiten und einer
Satzungsänderung über den formal-rechtlichen Weg. Im Weiteren führt er aus,
dass die Verwaltung nach wie vor die Auffassung vertrete, dass ein Ausschluss
von der Beitragspflicht nicht möglich sei. Ein Beschluss der StVV im Nachgang
mache auch keinen Sinn, weil er nur ergeben könne, dass keine Beiträge erhoben
werden. Insofern befinde man sich in einem „Dilemma“. Er betont im Weiteren,
dass es keine Frage sei, dass Satzungsobliegenheiten verletzt wurden, woraus
aber nicht eine Befreiung von der Beitragspflicht folge. Zu klären sei, wie man
sich bei der Verletzung der Satzungsvorschrift verhalte, einschließlich eines
konkreten Verfahrens dazu. Anschließend erläutert er die auf Seite 2 der
Mitteilungsvorlage genannten 8 Fälle, bei denen mit dem Bau begonnen wurde und
die Verwaltung ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen ist.
Daran anschließend beantwortet Herr Exner die Frage, welche
Folgen Verletzungen formalen Rechts haben und betont, dass in der
obergerichtlichen Rechtssprechung nichts darauf hinweise, dass eine fehlende
Beteiligung zu einer Befreiung von der Beitragspflicht führe. Natürlich könne
auch er nicht zweifelsfrei sagen, wie das hiesige Verwaltungsgericht
entscheide. Man dürfe aber auch nicht außer Acht lassen, dass die Entscheidung
über eine Maßnahme letztlich auch nicht bei den Bürger liege, sondern eine
Organentscheidung – in diesem Falle durch die StVV – sei.
Herr Schubert meint, man könne nicht davon ausgehen, dass
die StVV in den genannten Fällen einer Straßenbaumaßnahme zugestimmt hätte. Das
Problem sei eine Satzungsvorschrift ohne Durchsetzungskraft. Keiner könne
ausschließen, dass sich eine Missachtung jederzeit wiederhole. Die
unterschiedlichen juristischen Meinungen können wohl nur gerichtlich geklärt
werden. Trotzdem widersprechen die Aussagen, dass die Verletzung der
Satzungsvorschrift ohne Folge bleibe, seinem natürlichen Rechtsempfinden.
Herr Bretz merkt zum vorliegenden Antrag an, dass dem noch
ein entsprechender Verfahrensvorschlag folgen sollte und die Begrifflichkeiten
im Änderungsantrag der Fraktion Grüne/ B 90 rechtlich eindeutiger zu
formulieren sind. So könne die Definition über „eine Mehrheit der Anlieger“
unterschiedlich ausfallen, wenn die Bezugparameter nicht bestimmt sind.
Herr Schüler sieht im vorliegenden Fall nicht nur eine
Verletzung formellen Rechts. Er meine, ein Beschluss der StVV wäre die
konstituierende Voraussetzung für die Erhebung von Beiträgen. Die Konsequenz daraus wäre, die Mittel
werden nicht von den Bürgern beglichen, sondern aus Haushaltsmitteln der Stadt.
Gleichzeitig stelle sich die Frage, was mit denen passiere, die die
Verantwortung für den Satzungsverstoß tragen.
Frau Bankwitz meint, sie könne sich die Betroffenheit der
Bürger gut vorstellen, wenn 5 Jahre nach Bauabschluss ein Gebührenbescheid
ankomme. Man könne gegenüber den Betroffenen auch nicht argumentieren, es eine
verbesserte Situation in Form einer neuen Straße für sie entstanden und nun
müssen sie auch dafür zahlen, auch wenn sie nicht befragt wurden. Außerdem sehe
sie hier einen „leichtfertigen Umgang“ mit kommunalen Mitteln, denn die Stadt
habe 5 Jahre auf diese verzichtet bzw. sie verauslagt. Die Vorgehensweise sei
ärgerlich und bei einer Anhörung wären auch andere Lösungen möglich gewesen.
Darüber hinaus sei das Vertrauen zwischen Bürger und Verwaltung gestört.
Herr Goetzmann unterstreicht seine Aussage, die
Angelegenheit sei „ärgerlich“ und räumt ein, dass die Abrechnung der Maßnahme
„liegen geblieben“ sei. Das aber deshalb, weil die Kapazitäten der Verwaltung
bei anderen Maßnahmen gebunden waren, denen die Verwaltung einen Vorrang
eingeräumt hat, um die zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen. Er meine, man
solle „nach vorn sehen“, die Satzung ändern und zukünftig die Regeln einhalten.
Herr Exner stellt in seinen Ausführungen klar, dass er
keinesfalls die Verstöße gegen das Beteiligungsverfahren billige und betont,
dass natürlich für die Zukunft sichergestellt werden müsse, dass derartige
Verstöße nicht mehr vorkommen. Im Endeffekt bleibe aber die Frage, ob die
Beitragspflicht entfallen solle. Zukünftig werde die Verwaltung sicher auch
andere Verfahren für die Finanzierung finden, z.B. die Vorleistung der
Bürger. Eine rechtliche Klärung
werde es sicher geben, weil Klageverfahren stattfinden. Die zu klärenden
Verfahrensfragen müssen praktikabel bleiben und sollten in eine Dienstanweisung
o.ä. einfließen. Bezug nehmend auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE. PDS
bittet Herr Exner, den letzten Satz zu streichen, da dieser ein Geschäft der
laufenden Verwaltung betreffe.
Darauf bezug nehmend antwortet Herr Dr. Scharfenberg, dass
der Antrag seiner Fraktion zur Problemlösung beitragen solle. Die Diskussion
habe gezeigt, dass die Verwaltung ein völlig anderes Verständnis bezüglich der
Auslegung des § 10 habe als die Mitglieder des Hauptausschusses. Das betreffe
ebenso die Definition der „Bürgerbefragung“. Er habe kein Problem, den
Änderungsantrag der Fraktion Grüne/ B 90 zu übernehmen bzw. in den Antrag
einfließen zu lassen. Die Passage zur vorzulegenden Übersicht könne gestrichen
werden, da dies bereits erfolgt sei. Mit dem letzten Satz sollte es eine
verbindliche Vorgabe an die Verwaltung geben und die rechtliche Klärung, z.B.
in Form der rechtlichen Würdigung durch das Innenministerium, abgewartet
werden.
Herr Krause empfiehlt, die StVV im Nachgang entscheiden zu
lassen, ob diese Maßnahmen durchzuführen gewesen wären oder nicht. In die
Satzung sind Information bzw. Bürgerbefragung und die Ankündigungs- und
Hinweispflicht aufzunehmen. Allerdings habe auch der Bürger die Pflicht der
Information und des Erfragens der Rechtslage. Herr Kirsch empfiehlt eine
Verständigung mit den Betroffenen, um Musterklagen anzustreben und damit Kosten
einsparen zu können. Damit könnte die Stadt in die Offensive gehen und die
strittigen Fragen endgültig klären.
Nach Hinweisen von Herrn Schüler und Frau B. Müller erfolgt
eine kurze kontroverse Diskussion zur Befangenheit von Frau Bankwitz und Herrn
Kirsch. Dazu erklärt Herr Exner, dass in diesem Falle das Kriterium der
„unmittelbaren Betroffenheit“ nicht erfüllt sei, da hier keine Einzelfälle
behandelt werden.
Abschließend schlägt der Oberbürgermeister vor, die Hinweise
aus der Diskussion in eine veränderte Verfahrensweise einfließen zu lassen und
seitens der Verwaltung zu prüfen, ob dieses Verfahren in eine Dienstanweisung
oder in die Satzung selbst aufgenommen werden solle. Darüber hinaus sei eine
rechtliche Prüfung mit der Kommunalaufsicht zu vereinbaren.
Danach trägt
Herr Exner folgende Änderung des
letzten Satzes mit dem Wortlaut vor:
Der Hauptausschuss empfiehlt der Stadtverordnetenversammlung, wie folgt zu beschließen:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt dafür Sorge zu tragen,
dass die in der Satzung für Straßenausbaubeiträge vorgeschriebene Befragung der
Anlieger vor Beginn der Straßenbaumaßnahmen konsequent realisiert wird.
Angesichts der aufgetretenen Unklarheiten im Zusammenhang
mit dem Ausbau der Florastraße und der Potsdamer Straße wird dem OBM empfohlen
unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten den Anliegern für die jetzt
erfolgte Aufforderung zur Zahlung von Straßenausbaubeiträgen einen zinsfreien
Aufschub bis zu einer rechtlichen Klärung der Zahlungsvoraussetzungen zu
erteilen.