Mitteilungsvorlage - 16/SVV/0257

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Beschlussvorschlag

Der Ausschuss für Bildung und Sport nimmt zur Kenntnis:

 

Laut Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 27.01.2016 ist die Einrichtung eines Bibliotheksbusses für die Landeshauptstadt Potsdam zu prüfen.

 

Vor Darlegung der Fakten, sei darauf hingewiesen, dass für eine Erweiterung des bestehenden Bibliothekssystems um eine Fahrbibliothek erhebliche zusätzliche finanzielle Mittel, vor allem im investiven Bereich, notwendig wären. Diese neue Aufgabenwahrnehmung im freiwilligen Bereich ist angesichts der derzeitigen Herausforderungen für den städtischen Haushalt nicht ohne weiteres leistbar.

 

 

1.1 IST-Analyse: Das Bibliothekssystem in Potsdam

 

Die Stadt- und Landesbibliothek (SLB) Potsdam besteht aus

- der Hauptbibliothek im Bildungsforum

   inklusive dem Schulbibliothekarischen Service

- der Zweigbibliothek Am Stern

- der Zweigbibliothek Waldstadt

 

Der Standort der Schulbibliothek Babelsberg in der Goethe-Schule wurde im Juli 2015 aufgrund mangelnder Räumlichkeiten aufgegeben. Stattdessen hat die SLB einen Schulbibliothekarischen Service für Potsdamer Grundschulen im gesamten Stadtgebiet eingerichtet. Diese werden mit thematischen Medienpaketen sowie Klassensätzen beliefert und somit in ihren Aktivitäten zur Leseförderung unterstützt.

 

Die im Produkthaushalt festgelegten Ziele bilden den Rahmen, nach dem die Potsdamer Bibliothek an den drei Standorten arbeitet:

 

- Bereitstellung eines aktuellen, vielfältigen und nachfrageorientierten Bücher-, Medien- und   

  Informationsangebots

- Förderung des Lesens sowie der Informations- und Medienkompetenz, insbesondere von

  Kindern und Jugendlichen

- Unterstützung des lebenslangen Lernens, der Aus- und Weiterbildung

- Bibliothek als Ort der (inter-)kulturellen Bildung und generationenübergreifender Treffpunkt

 

Präzisiert wird der Auftrag durch die strategischen Handlungsschwerpunkte des Doppelhaushaltes 2015/2016:

Profilierung des Bildungsforums als Ort des lebenslangen Lernens und der kulturellen Bildung in der Potsdamer Mitte. Hier geht es zum einen um die inhaltliche Weiterentwicklung von Angeboten und Dienstleistungen der beteiligten Partner Volkshochschule, Wissenschaftsetage sowie Stadt- und Landesbibliothek, zum anderen um die Entwicklung gemeinsamer Veranstaltungsformate. Aufgrund der gesellschaftlichen Ereignisse ist ein besonders wichtiger Handlungsschwerpunkt für die kommenden Jahre die Ausweitung der Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund.

 

Seit Eröffnung des Bildungsforums erfährt die Hauptbibliothek einen großen Zulauf an Besucherinnen und Besuchern (309.000) und verzeichnet Ausleihen auf hohem Niveau (1,02 Mio).

Doch auch Stadtteilbibliotheken haben eine wichtige Funktion für ihr unmittelbares Umfeld. Die Zweigbibliothek Am Stern (seit 1987) sowie die Waldstadtbibliothek (seit 1985) sind bereits seit 31 bzw. 29 Jahren in besonderem Maße im Stadtteil verankert. Sie befinden sich in KIS-eigenen Immobilien, die jeweils mit Mitteln der Städtebauförderung in den letzten Jahren teilsaniert wurden. (Weitere Zahlen und Leistungskennziffern siehe Anlage 1)

 

85 % der angemeldeten Bibliotheksnutzer kommen aus Potsdam, 12,4 % aus dem restlichen Land Brandenburg, 2 % aus Berlin, 0,6 % aus sonstigen Regionen.

 

 

 

 

Innerhalb Potsdams ergibt sich folgende Verteilung der Standorte und der Nutzerinnen und Nutzer:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anhand der Zahlen lässt sich interpretieren, dass mehr Menschen eine Bibliothek nutzen, wenn sie sich in ihrer Nähe befindet.

 

Mit Blick auf die Verteilung im Stadtgebiet ist zu konstatieren, dass die Bibliotheksstandorte sich in der Mitte Potsdams sowie im Süden der Stadt befinden. In den neuen Ortsteilen sowie im stark wachsenden nördlichen Stadtgebiet ist keine hauptamtliche Bibliotheksversorgung vorhanden.

 

Eine Fahrbibliothek könnte eine mögliche Lösung sein, um dieser Tendenz entgegenzuwirken.

 

 

2. Zahlen und Fakten zu Fahrbibliotheken in Deutschland

 

Auch wenn im digitalen Zeitalter die Institution „Fahrbibliothek“ anachronistisch erscheinen mag, gingen in den letzten Jahren zahlreiche neue Busse an den Start (z. B. in Pforzheim, Münster, Heilbronn, Berlin-Mitte). Selbst Stadtbibliotheken mit einem stark ausgebauten Zweigbibliothekssystem setzen vermehrt auf die variable Lösung einer Fahrbibliothek (z. B. München, Bremen, Hamburg). Zwar kann diese nicht vollständig die Vor-Ort-Nutzung und die Aufenthaltsqualität eines festen Standortes ersetzen, jedoch leistet sie einen wichtigen Beitrag bei der Leseförderung, der Vermittlung von Medien- und Recherchekompetenz und gleicht Defizite bei der Literaturversorgung und Wissensvermittlung in bestimmten Gebieten aus.

 

In Deutschland gibt es 89 Fahrbibliotheken. Die Fahrbibliotheksumfrage 2014 ergab, dass von 72 an der Umfrage teilnehmenden Fahrbibliotheken sich rund 45 % in Landkreisen, 35 % in Gemeinden zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern und 20 % in Gemeinden mit mehr als 250.000 Einwohnern befinden.[1]

 

Im städtischen Umfeld sucht der Bücherbus vor allem Stadtrandgebiete auf und wird auch gezielt zur Versorgung von speziellen Zielgruppen wie Schüler/innen oder Kitakindern eingesetzt.[2]

 

 

3. Eine Fahrbibliothek in Potsdam

 

3.1 Ziele und Aufgaben

 

Integration

Der Einsatz einer Fahrbibliothek stellt einen niedrigschwelligen Zugang zur Bibliotheksnutzung dar. Das Angebot kommt direkt vor Ort an, zum Beispiel in Schulen, Kindertagesstätten oder Flüchtlingsunterkünften.

Hier besteht die Möglichkeit der individuellen Medienausleihe sowie der Einführung in die Bibliotheksbenutzung. Durch dieses Angebot werden auch Kinder aus sogenannten bildungsfernen Milieus oder Menschen mit Migrationshintergrund erreicht, die sonst den Weg in die Bibliothek nicht finden würden.

 

Bildungspartner für Schulen

Zusätzlich zu den öffentlichen Haltestellen werden Grundschulen vormittags vorzugsweise im Norden, in Babelsberg sowie in den neuen Ortsteilen sowohl in regelmäßigem Turnus als auch anlässlich bestimmter Projekte angefahren. Klassenführungen, die Ausstellung von Leseausweisen, die Freude am Umgang mit Medien das alles kann direkt vor Ort vermittelt werden, der Fahrweg für die Schülerinnen und Schüler entfällt. Die Fahrbibliothek fungiert dabei auch als mobiler, multimedialer Aufführungsort, z. B. bei Bilderbuchkinos für Kindergartengruppen oder Unterrichtspräsentationen.

 

Versorgung nicht-mobiler Bürger in bibliotheksfernen Stadtteilen

Eine Fahrbibliothek ergänzt das Bibliotheksangebot für bestimmte Zielgruppen. In ihrer Mobilität eingeschränkte Besucher (ältere Bürger/innen, Nutzer/innen mit Handicap) können den Bus fußufig erreichen. Für Kinder ist eine Erreichbarkeit im Wohngebiet gut ohne Begleitung Erwachsener möglich. Die Vor-Ort-Nutzung könnte mit Blick auf die demographischen Tendenzen und die Altersentwicklung an Bedeutung gewinnen.

 

Flexible Bibliotheksversorgungr die wachsende Stadt

Eine Fahrbibliothek ist flexibel einsetzbar und hat einen breiteren Wirkungsgrad als ein fester Standort. Haltestellen können je nach Bedarf relativ schnell angepasst werden.

 

 

 

 

 

3.2 Grundausstattung zum Betrieb einer Fahrbibliothek

 

Eine Fahrbibliothek ist in Bezug auf das Personal, das Budget und die Medien wie eine Bibliotheksfiliale als eine eigenständige Einheit zu betrachten. Folgende Aspekte sind zu beachten[3]:

 

Fahrzeug

Neuanschaffung eines geeigneten Fahrzeugs für ca. 4.000 Medien: Hier sind unterschiedliche Modelle auf dem Markt. 95 % der sich im Betrieb befindlichen Busse sind Spezialanfertigungen, da sie sich in Bezug auf Anschaffung und Nutzungsdauer als die wirtschaftlichste Variante erwiesen.

Die Investitionskosten für das Fahrzeug, den Innenausbau sowie die technische Innenausstattung (IT, RFID) liegen zwischen 400.000 und 500.000 Euro. Man rechnet in der Regel mit einer Nutzungsdauer des Fahrzeugs von 15 bis 20 Jahren.

hrliche laufende Kosten liegen zwischen 20.000 und 30.000 Euro: Betankung, Wäsche, Reparaturen, Wartung, Versicherungen.

 

Eine Fahrbibliothek auf Leasing-Basis existiert in Deutschland bislang nicht, wurde hier jedoch mit geprüft. Laut Angebot des Kommunalen Fuhrparkservice Potsdams vom 18.03.2016 ergibt sich bei einer Laufzeit von 15 Jahren eine zu zahlende Gesamtsumme in Höhe von 781.988 Euro.

 

Medienbestand

Der Gesamtbestand der Fahrbibliothek sollte mindestens 12.000 Medien umfassen.glich wird Bestand entliehen, der entsprechend ergänzt werden muss, damit der Bus ein ausreichendes Angebot für die Nutzer/innen (4.000 Medien) vorhält. In der Regel sind 30-50 % des Bestandes entliehen (Absenzquote).

Zum Aufbau des Grundbestandes werden, ausgehend vom Durchschnittspreis 15 Euro, 180.000 Euro benötigt. Auch wenn der Zielbestand sukzessiv über mehrere Jahre aufgebaut würde, benötigte man für den Start mindestens 60.000 Euro Medienetat für 4.000 Medien.

r die laufende Bestandsergänzungren jährlich bei einer Erneuerungsquote von 10 % 18.000 Euro Medienetat erforderlich.

 

Depot

Eine Fahrbibliothek benötigt ein Depot (ca. 100 qm) für den o. g. Ergänzungsbestand und die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden. Dieses sollte möglichst im Erdgeschoss liegen und sich in unmittelbarer Nähe zum Standplatz für das Fahrzeug befinden bzw. über eine Lieferzone verfügen.

Das Depot muss mit Regalen und Arbeitsplätzen ausgestattet werden (Investitionskosten 30.000 Euro, laufende Miet- und Betriebskosten ca. 13.000 Euro sowie Sachkosten ca. 3.000 Euro).

 

Tourenplan

Anzustreben sind die bundesweit durchschnittlichen wöchentlichen Öffnungsstunden

(=Standzeiten) von 20 Stunden an in der Regel 4 Tagen die Woche. Hinzu kommen Fahrzeiten sowie Vor- und Nachbereitungsarbeiten. Somit könnten bei einer 4-Tage-Woche acht Haltestellen angesteuert werden. (Pro Tag je zwei mit zwei Stunden Standzeit). Bei einem 14-Tage-Rhythmus wären so rund 16 Haltestellen im Stadtgebiet anzufahren, bei einem größeren Rhythmus entsprechend mehr. Somit wäre es möglich, Haltestellen in Ortteilen im ländlichen Raum, in bibliotheksfernen Stadtteilen sowie in der Nähe Potsdamer Grundschulen einzurichten.

Aufgrund des relativ geringen Zeitfensters ist in den Standzeiten mit einer hohen Nutzungsfrequenz zu rechnen.

 

Personalbedarf

Um o. g. Tourenplan umsetzen zu können, sind 3 Personalstellen erforderlich, davon 2,0 VZE zusätzlich zum heutigen Personalbestand[4]:

 

1,0 Bibliothekar/in (E 9) Inhaltliche, konzeptionelle Arbeit, Leseförderung, Bestandsaufbau, Organisation

 

1,0 Fachangestellte/r (E 6) Ausleihorganisation und Ordnungsarbeiten

(Stelle bereits vorhanden, Umwidmung Schulbibliothekarischer Service, Aufgabengebiet fließt hier ein)

 

1,0 Fahrer/in  (E 4) inkl. Fahrzeugpflege und Hilfstätigkeiten während des Bibliotheksbetriebes

 

Dabei muss neben dem Fahrer mindestens ein Mitarbeitender über eine entsprechende Fahrerlaubnis verfügen, um eine Vertretbarkeit zu gewährleisten.

 

hrlicher zusätzlicher Finanzbedarf für Personalaufwendungen: 83.000 Euro

 

Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob es geeignete Arbeitsmarktprogramme gibt, die zumindest temporär zu einer finanziellen Entlastung beitragen könnten.

 

Überlegenswert ist zudem ein Modell, das einen Pool von Kraftfahrern vorsieht, die auf Basis geringfügiger Beschäftigung tätig sind. In Pforzheim handelt es sich dabei um berentete Fahrer, die die Fahrten jeweils anteilig übernehmen. Damit ist eine größere Flexibilität gegeben, so dass auch bei krankheitsbedingten Ausfällen immer ein Fahrer zur Verfügung steht.

 

Marketing / Werbung

Da der Bücherbus regelmäßig präsent im Stadtbild ist, eignet er sich gut für Werbemaßnahmen und Botschaften. („Bildungsforum Wir transportieren Wissen“). Das Erscheinungsbild sollte folglich dem Corporate Design entsprechen und Signalwirkung haben.

 

(siehe Anlage 2: Beispiele neuer Fahrbibliotheken)

 

Ein Teil der Fläche kann für Werbezwecke von geeigneten Unternehmen genutzt werden, um Erträge zu akquirieren.

 

 

 

 

 


[1] Siehe www.fahrbibliothek.de: Fahrbibliotheksumfrage 2014

[2] Ein Film der Hamburger Bücherhallen veranschaulicht die vielfältige Arbeit, siehe http://fahrbibliothek.twoday.net/stories/1022545634/

 

[3] Die Annahmen und Werte beziehen sich auf die fachliche Einschätzung der Landesfachstelle für Bibliotheken/Brandenburg, der Kommission Fahrbibliotheken des Deutschen Bibliotheksverbandes sowie auf konkrete Abfragen / Erfahrungen in Städten, die kürzlich eine Fahrbibliothek erhielten, zum Beispiel Münster, Pforzheim, Heilbronn.

[4] Laut der Fahrbibliotheksumfrage 2014 verfügen 29 (=40 %) der 72 teilnehmenden Städte über 2-2,5 Personalstellen, 16 Städte (=22 %) haben 2,6 bis 3,5 Stellen in diesem Bereich.

 

Reduzieren

Erläuterung

 

Reduzieren

Fazit finanzielle Auswirkungen

Erhebliche finanzielle Auswirkungen entstehen erst bei entsprechender Beschlussfassung zum Betrieb eines Bibliotheksbusses in der LHP.

Reduzieren

Anlagen

Loading...