Beschlussvorlage - 17/SVV/0537

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

1.)    Der Prozess auf dem Weg zu einer klimaneutralen Landeshauptstadt bis 2050 wird weiterverfolgt. Ziel bleibt die Reduzierung der CO2 -Emissionen um 95% und des Endenergieverbrauchs um 50% gegenüber 1990. Die Stadt strebt an, ihre auf kommunaler Ebene möglichen Beiträge dazu zu leisten und erwartet, dass wesentliche rechtliche und wirtschaftliche Grundlagen hierfür auf den Ebenen von Bund und Land sowie international geschaffen werden.

 

2.)    Die technisch, wirtschaftlich, ambitionierten Ziele und die dafür erforderlichen Strategien, gemäß Anlage1, bilden den Ordnungsrahmen der künftigen Klimaschutzpolitik der Landeshauptstadt.

 

3.)    Es ist eine Arbeitsgruppe zu bilden, welche die Strategien innerhalb eines Jahres mit bestehenden übergeordneten rechtlichen Rahmen (z.B. Energieeffizienzrichtlinie, EWG, EnEV, EEG usw.) sowie beschlossenen städtischen Konzepten (z.B. Leitbild, Stadtentwicklungskonzepte Wohnen und Gewerbe usw.) abgleicht. Mitglieder sollen Vertreter aller Geschäftsbereiche, der kommunalen Unternehmen, des Eigenbetriebs und der Stadtverordnetenversammlung sein.

Es sind Zielindikatoren, Zielkorridore, Zielkonflikte mit Abwägungsvorschlägen und Verantwortlichkeiten darzustellen. Es ist aufzuzeigen, wie die Strategien in den Verwaltungsvollzug eingeordnet werden können, welche personellen und finanziellen Ressourcen hierfür erforderlich sind, welche Förderunterstützung durch Land, Bund und EU bei welchen Eigenanteilen der Stadt hierfür erwartet werden und welche Förderunterstützung zur wirtschaftlichen und sozialverträglichen Umsetzung notwendig wäre.
Das Ergebnis ist der SVV im IV-ten Quartal 2018 vorzulegen.

 

4.)    Es ist durch die Arbeitsgruppe ein Standard r die jährliche Berichterstattung zu den Hauptthemen je Handlungsfeld und Akteur und für ein Monitoring des Gesamtprozesses alle fünf Jahre zu entwickeln.

Grundlage bildet das in der Strategie (Anlage1) beschriebene Controlling. Es sind Instrumentarien zu entwickeln, die differenziert nach den unterschiedlichen Handlungsfeldern und Verantwortlichkeiten Umsetzungserfolge messen und belegen lassen und die Kooperation der Akteure zur Zielerreichung unterstützen.

Das Ergebnis ist der SVV im IV-ten Quartal 2018 vorzulegen.

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Erläuterung

Berechnungstabelle Demografieprüfung:

 

 

Begründung:

 

Die Geschichte des Potsdamer Klimaschutzes begann wenn  man so will unfreiwillig mit der Deindustrialisierung der Nachwendezeit. Doch schon Mitte der 90er Jahre, kurz nach der wegweisen UN-Umweltkonferenz von Rio, trat die Landeshauptstadt Potsdam dem Klimabündnis der europäischen Städte bei und erteilte der weiteren Nutzung der Braunkohle für die Potsdamer Fernwärme eine Absage. In den vergangenen Jahren sind eine Reihe von weiteren Erfolgen im Klimaschutz erreicht worden. Wichtiger Meilenstein war das Klimaschutzkonzept 2010 und dessen stetige Umsetzung. Unter anderem haben die kommunalen Unternehmen wichtige Weichen gestellt. Die EWP hat ihre Energiestrategie der Dezentralisierung vorangetrieben und den Bau des Heißwasserspeichers mit Elektrodenkessel zur Überschussstromnutzung realisiert. Die ProPotsdam baut und saniert in weiten Teilen wegweisend über dem Standard. Der Kommunale Immobilienservice realisiert, trotz engem Haushaltskorsett und Wachstumsherausforderungen zukunftsfähige Gebäude mit über dem gesetzlich vorgeschriebenen Energie- und Dämmstandards, durch zunehmende Lebenszyklusbetrachtung und effiziente Fördermittelnutzung. Deutlich wurden jedoch auch die Herausforderungen vor denen Potsdam im Klimaschutz und den damit verbundenen Themen steht, wenn die langfristigen Ziele erreicht werden sollen. Für eine weitgehend fossilfreie Energienutzung ist eine erhebliche Steigerung der Erzeugung Erneuerbaren Energien im Stadtgebiet und eine kontinuierliche Reduzierung des Endenergieverbrauchs notwendig.

Der Klimaschutz verschränkt sich zunehmend mit weiteren Herausforderungen denen die Landeshauptstadt in den kommen Jahren und Jahrzehnten gegenübersteht. Zu nennen sind

-          das starke Bevölkerungswachstum,

-          die notwendige Umstrukturierung der Verkehrsströme,

-          die Luftschadstoff- und Lärmreduzierung,

-          die Schaffung von Wohnraum unter Berücksichtigung der Bedürfnisse einkommensschwacher Haushalte,

-          die Nutzung von Chancen der zunehmenden Digitalisierung,

-          die Notwendigkeiten einer veränderten Wirtschaftsweise mit erhöhter endogener regionaler Wertschöpfung und Stoffkreislaufprozessen.

Um sich dem Langfristthema Klimaschutz angemessen stellen und den verknüpften Themen hinreichend Rechnung tragen zu können, hat sich die LHP um das Klimaschutz-Exzellenzprojekt „Masterplankommune 100% Klimaschutz“ seitens des BMUB beworben. Die Bewerbung hatte im Frühjahr 2016 Erfolg und die LHP kann eine umfangreiche Förderung nutzen. Diese umfasst die Erarbeitung eines Konzepts zum Masterplan 100 % Klimaschutz im Zeitraum Juli 2016 bis Juni 2017 sowie die Förderung einer Personalstelle nebst Sachmitteln zur Begleitung und Umsetzung des Masterplans im Zeitraum von Juli 2016 bis Juni 2020. Die LHP hat sich mit dem Beschluss 15/SVV/0645 zum Masterplanprozess und seinen Zielen bekannt und wird prüfen, ob der Prozess über den Förderzeitraum hinaus fortgesetzt werden kann.

Voraussetzung für die Förderung von Personalkosten und Sachmitteln über den Zeitraum der Konzepterarbeitung hinaus (2017-2020) ist der Beschluss des Masterplans durch die SVV. Im ersten Schritt sollen bis Ende September die Ziele und Strategien beschlossen werden. Der Masterplan in Gänze und der beinhaltete Maßnahmenkatalog sollen zur Kenntnis genommen werden. Der Maßnahmenkatalog versteht sich als Sammlung von Maßnahmen, die im Sinne des Beschlusstextes bis 2020 geprüft und gegebenenfalls einzeln beschlossen werden sollen.

Um einen ausreichenden Vorlauf zur Beratung des Masterplans in der SVV und den Gremien zu gewährleisten, werden bereits zur Julisitzung 2017 die Sachstände zu Treibhausgasbilanzen, Potentialen, Szenarien, Maßnahmen sowie ein Leitbild für die zu erreichende Klimaneutralität bezogen auf das Zieljahr des Masterplans 2050 in Form einer Vision zur Kenntnis gegeben (siehe unten in der vorliegenden Begründung). Die Ziele und Kernstrategien  werden bereits in einer beschlussfähigen Fassung vorgelegt (siehe Anlage 1 zum vorliegenden Beschluss).

Bilanzielle Ausgangssituation (Sachstand 15. Mai 2017)

Als bilanzieller Startpunkt für das Masterplanvorhaben wurde das erste, in guter Qualität verfügbare, Bilanzjahr (1995) zugrunde gelegt. Es bildet die Nachwende-Situation in der Landeshauptstadt u.a. deshalb gut ab, weil in diesem Jahr das Braunkohlekraftwerk der EWP noch betrieben wurde. Als aktuelles Bilanzjahr wurde 2014 zugrunde gelegt, da dies das letztverfügbare ist.

Im vorliegenden Sachstand der Endenergieverbräuche und Treibhausgasemissionen wurde hinsichtlich der Einwohnerzahlen eine Bereinigung der Gebietsreformen vorgenommen.

Fast 50 % des Endenergieverbrauchs im Jahr 2014 wird in privaten Haushalten genutzt. Der Endenergieverbrauch der Sektoren Verkehr und Gewerbe/Handel/Dienstleistung (GHD) ist mit 28 % bzw. 23 % in etwa gleich groß. Eine untergeordnete Rolle spielen in Potsdam die Sektoren Industrie und Kommunale Einrichtungen mit jeweils 1 % bzw. 2 % .

Abb. 1: Aufteilung des Endenergieverbrauchs 2014 nach Sektoren

Abb. 2 Aufteilung des Wärmebezugs 2014 nach Sektoren

 

Abb. 3 Aufteilung des Strombezugs 2014             nach Sektoren

 

Die Aufteilung vom Endenergieverbrauch in die Teilbereiche Wärme und Strom zeigt, siehe Abb. 2 und Abb. 3, wie schon die gesamtsektorale Verteilung, dass der Sektor private Haushalte in Potsdam eine wichtige Rolle einnimmt. Im Wärmesektor werden 75 % des Endenergiebedarfs durch die privaten Haushalte genutzt, im Strombereich sind es immerhin noch 40 %. Hier ist der Bereich GHD mit 54 % der größte Verbraucher. In beiden Verbrauchssektoren (Wärme und Strom) haben sowohl Industrie als auch die Kommunalen Einrichtungen nur einen geringen Anteil von unter 6 % in Summe. Der hohe Anteil des GHD- Bereichs am Strombedarf ist nicht zuletzt auch auf den Wissenschaftsstandort Potsdam zurück zu führen. Potsdam ist eine Universitätsstadt und hat eine große Anzahl an unterschiedlichen Forschungseinrichtungen, die sich über das gesamte Stadtgebiet verteilen. Neben den Rechenzentren mit Hochleistungsrechnern haben vor allem die Labore und Werkstätten einen hohen Energiebedarf.

Abb. 4 stellt den Endenergieverbrauch unterteilt nach Einsatzbereichen Strom (orange), Wärme (rot) und Verkehr (Blautöne) dar.

Abb. 4: Entwicklung Endenergiebedarf in Potsdam 1995 2014 (Verkehr / Wärme / Strom)

Die Endenergieeinsparungen im gesamten Stadtgebiet zwischen 1995 und 2014 belaufen sich insgesamt betrachtet, gebietskorrigiert, auf 18 %. Wird die gestiegene Einwohnerzahl mit berücksichtigt, so kann eine Senkung des Endenergieverbrauches pro Kopf von 33 % festgestellt werden.

Analog zur Analyse des Endenergieverbrauchs werden die Treibhausgasemissionen berechnet. Abb. 5 zeigt die Entwicklung der Treibhausgasemissionen zwischen 1995 und 2014 r die Bereiche Strom (orange), Wärme (rot) und Verkehr (blau). Die Reduktion im Wärmesektor zwischen 1995 und 1999 ist auf den Wechsel des Brennstoffes in der zentralen Wärmeerzeugungsanlage (Kohle auf Erdgas) zurück zu führen. Daraus resultiert, neben der Änderung des Emissionsfaktors, auch eine erhebliche Effizienzsteigerung in der Fernwärmeproduktion. Ein weiterer Rückgang der Treibhausgasemissionen ist durch den Ersatz der Kohle-Einzelheizungen durch Brennstoffe mit geringeren THG-Emissionsfaktoren zu verzeichnen.

Abb. 5: Entwicklung der Treibhausgasemissionen seit 1995 (Verkehr / Wärme / Strom)

Insgesamt ist somit bis 2014 ein Rückgang von 38 % absolut und 41 % bei Betrachtung je Einwohner ggü. dem Referenzjahr 1995 zu verzeichnen.

Reduktionspotentiale und Klimaschutzszenarien

r alle Masterplankommunen in Deutschland wurden die folgenden Zielvorgaben einheitlich festgelegt. Bis zum Jahr 2050 sollen

die CO2-Emissionen bezogen auf das Jahr 1990 um 95%

der Endenergieverbrauch im gleichen Bezugszeitraum um 50%

reduziert werden.

Vor dem Hintergrund dieser Zielvorgaben wurden vorläufig zwei Szenarien berechnet.

Ausgangspunkt ist das business-as-usual“ als Trendszenario. Mit diesem wird die Entwicklung des Zeitraums zwischen 1999 und 2014 fortgeschrieben. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass die Rahmenbedingungen von Bund und Land nicht wesentlich verändert werden. Beinhaltet ist bspw. die derzeitige Sanierungsquote für Gebäude von 0,8%/Jahr.  Die dem Szenario zugrunde gelegten Endenergiebedarfe für Neubauten (Wohn- und Nicht-Wohngebäude) orientieren sich an den aktuellen Neubaustandards aus EnEV und EEWärme-Gesetz. Die resultierenden Gesamt-Endenergiebedarfe werden mit den vom ifeu-Institute zur Verfügung gestellten THG-Emissionsfaktoren umgerechnet.

r das Masterplanszenario wurden, soweit möglich und sinnvoll, für alle Maßnahmenvorschläge das jeweilige Potential für CO2- und Endenergiereduktion berechnet und in einer optimalen Kombination zum Masterplanszenario zusammengestellt. Diese optimale Umsetzung beinhaltet die Annahme, dass die Energiewendeziele des Bundes und des Landes parallel zu der Verfolgung der Ziele in Potsdam erreicht werden. Dazu gehört neben der Erhöhung des Anteils der regenerativen Stromerzeugung im bundesdeutschen Strommix auf 80 %, die Schaffung der für die Umsetzung erforderlichen regulatorischen Rahmenbedingungen vor allem in den Bereichen Gebäudesanierung und neubau, Erneuerbare Energien sowie Mobilität. Die Beiträge der Landeshauptstadt liegen bei potsdamspezifischen Strukturen, wie etwa dem Ausbau und der Verdichtung des Fernwärmenetzes der EWP, an das Wachstum angepasste Mobilitätsmaßnahmen, die lokale Ausgestaltung der Gesetzes- und Fördermöglichkeiten (z.B. des BauGB) vor dem Hintergrund der starken Bautätigkeit, sowie lokale Kommunikationsmaßnahmen.

Der Bevölkerungszuwachs der Stadt bleibt in beiden Szenarien als Konstante erhalten.

 

Nachfolgende Grafiken zeigen die Entwicklung der vergangenen Jahre sowie die Reduktionspfade für Trendszenario und Masterplanszenario jeweils für die THG-Emissionen und, weiter unten, für den Endenergiebedarf auf gesamtstädtischer Ebene.

 

Abb. 6: Treibhausgasemissionen in t CO2quivalent nach Sektoren im Zeitraum 1995 bis 2014 sowie Trend- und Masterplanszenario bis 2050

Abb. 7: Endenergieverbrauch der Stadt Potsdam von 1995 bis 2014, sowie Trend- und Masterplanszenario bis 2050 (Territorialzuwachs berücksichtigt und klimabereinigt (Gradtagszahl)

Die errechneten Reduktionspotenziale des Masterplanszenarios liegen für Potsdam bei:

 

minus 91 % an Treibhausgasen, dies entspricht einer Reduktion um ca. 1.200 kt/a.

minus 35 % an Endenergie, dies entspricht einer Reduktion um ca. 1.000 GWh/a.

 

Im Masterplanszenario werden die vorgegebenen Reduktionsziele bei Endenergie sehr knapp, bei Treibhausgas etwas deutlicher verfehlt. Grund hierfür sind folgende potsdamspezifische Strukturen, die einer optimalen Umsetzung der gegebenen Ziele und Strategien entgegenstehen, weil deren Auswirkungen bilanziell keine Berücksichtigung finden oder durch die Stadt keine Beeinflussung erfahren können:

  • das deutliche Bevölkerungswachstum
  • der wesentliche Anteil an denkmalgeschützten Geuden, bei denen eine energetische Sanierung nach heutigem Stand der Technik und zumutbarer Wirtschaftlichkeit nur in abgeschwächter Form möglich ist
  • die Notwendigkeit einer sozialverträglichen Gestaltung von Sanierungsmaßnahmen in relevanten Teilen des Mietwohnungsbestand
  • die mittelfristig vorhersehbare angespannte Haushaltssituation, die ein kontinuierliches, deutlich überdurchschnittliches finanzielles Klimaschutzengagement der Landeshauptstadt voraussichtlich nicht zusst.

Indem das Masterplan-Gutachten beim jetzigen Stand auf eine rein theoretische Berechnung des Reduktionspotenzials verzichtet und stattdessen die städtebaulichen, finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen in Potsdam ausdrücklich berücksichtigt, kann eine realistische Bewertung der Reduktionspotenziale vorgelegt werden. Allerdings wird damit auch die Abweichung von den vorgegebenen Masterplanzielen sichtbar. Diese können nur erreicht werden, wenn die oben genannten strukturellen Hemmnisse beseitigt werden oder wegfallen bzw. sich bis 2050 neue technologische und organisatorische Optionen zur weiteren Senkung von Energieverbrauch und Treibhausgasemission ergeben.

 

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Fazit finanzielle Auswirkungen

Durch den Beschluss werden in direkter Auswirkung keine zusätzlichen Personal- und Sachkosten entstehen. Finanziell wirksame Maßnahmen als Teil des Prozesses Masterplan 100% Klimaschutz bis 2050 sollen separat beschlossen werden.

Bei Nicht-Beschluss der Weiterführung bzw. Abbruch der mit 15/SVV/0645 beschlossenen Teilnahme der LHP am Prozess Masterplan 100% Klimaschutz bis 2050  müsste die LHP den Zuschussanteil der Personalausgaben für den Masterplanmanager bis 2020 selbst tragen, würde die Gelder für die Öffentlichkeitsarbeit i.H.v. 20.000€/pro Jahr nicht erhalten und dürfte keinen Antrag für die Durchführung einer besonderen Maßnahme, wie z.B. den Erwerb von weiteren Elektroautos, stellen.

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Anlagen

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