Mitteilungsvorlage - 19/SVV/0417
Grunddaten
- Betreff:
-
Vorschlag zum Umgang mit dem Beschluss zur Direktwahl von Beiräten
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Mitteilungsvorlage
- Federführend:
- Fachbereich Recht und Vergabemanagement
- Einreicher*:
- Oberbürgermeister, Fachbereich Recht und Vergabemanagement
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | PA |
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Erledigt
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Hauptausschuss
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zur Kenntnis
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24.04.2019
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Beschlussvorschlag
Der Hauptausschuss nimmt zur Kenntnis:
Mit dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 07.11.2018 (18/SVV/0703) wurde der Oberbürgermeister beauftragt, eine Änderung der Hauptsatzung vorzubereiten, mit der die Grundlage für eine künftige Direktwahl der Beiräte (Seniorenbeirat, Beirat für Menschen mit Behinderung) geschaffen wird.
Mit dieser Mitteilungsvorlage wird der Stand der Umsetzung dieses Beschlusses mitgeteilt.
Im Einzelnen:
Mit Gesetz vom 18.12.2018 wurde u.a. die Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 3 BbgKVerf geändert. Danach kann die Hauptsatzung vorsehen, dass Beiräte ganz oder teilweise unmittelbar gewählt werden.
Anliegen der Änderung des § 19 Abs. 2 Satz 3 BbgKVerf war es, zukünftig alle Beiräte zur Vertretung besonderer, gruppenbezogener Interessen ganz oder teilweise direkt von den Bürgerinnen und Bürgern wählen zu lassen, wenn dies die Hauptsatzung vorsieht. Bisher kann lediglich der Migrantenbeirat von den in § 8 der Hauptsatzung benannten Wahlberechtigten direkt gewählt werden. Demgegenüber werden die Mitglieder der übrigen formalisierten Beiräte von der Stadtverordnetenversammlung durch Abstimmung benannt (§§ 10, 12 Hauptsatzung).
Da die Änderung vom Benennungsverfahren der Mitglieder dieser beiden Beiräte zu einem Wahlverfahren einen Systemwechsel darstellt, sind neben der Verwaltung auch die Beiräte in die Entwicklung von Regelungen einzubeziehen, die eine direkte Wahl ermöglichen. Insbesondere die folgenden Punkte sind bei der Entwicklung und Formulierung entsprechender Regelungen zu beachten:
- Welche Wahlart wäre geeignet? Briefwahl oder Wahl im Wahllokal?
- Wahlperiode und Wahltag
- Wer ist – sowohl aktiv als auch passiv – wahlberechtigt? Welche Kriterien gelten?
- Kann auf ein amtliches Wahlverzeichnis zurückgegriffen werden. So kann dies bei der Wahl zum Seniorenbeirat anhand der Stammdaten aus dem Melderegister generiert werden. Bei der Wahl zum Beirat für Menschen mit Behinderung ist dies hingegen nicht möglich.
- Mögliche Anzahl der Beiratsmitglieder. Die Anzahl muss bei einer Wahl konkret feststehen und kann nicht mehr wie jetzt in der Hauptsatzung angeben werden.
Mit Vertretern des Beirates für Menschen mit Behinderung und des Seniorenbeirates fand bereits ein erstes Gespräch statt. Die beiden Beiräte möchten den Beschlusstext zudem im Gremium mit allen Mitgliedern besprechen. Die nächsten Beiratssitzungen finden am 29.04.2019 statt.
Vorbehaltlich der Einschätzungen der Beiratsmitglieder in den nächsten Beiratssitzungen, befürworten die im Besprechungstermin anwesenden Vertreter der beiden Beiräte die Beibehaltung des bisherigen und in der Hauptsatzung festgelegten Benennungsverfahrens. Insbesondere der Beirat für Menschen mit Behinderung hat sich vor ca. 2 Jahren bewusst für dieses Verfahren entschieden. Dieses Verfahren hat sich nach erster Einschätzung bewährt. Nach den Rücktritten mehrerer Beiratsmitglieder im Frühjahr 2017 gab es keinen Beirat für Menschen mit Behinderung mehr. Verwaltung, Politik sowie Bürgerinnen und Bürger sprachen sich dafür aus, das Aufgabenprofil des Beirats für Menschen mit Behinderung sowie das Wahlverfahren neu aufzustellen. Zwischen Mai 2017 und Juli 2017 fanden 5 öffentliche Veranstaltungen statt, in denen u.a. eine neue Struktur des Beirates für Menschen mit Behinderung mit Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung, Stadtverordneten und interessierten Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet wurde. In dem Werkstattverfahren votierten die Teilnehmenden dafür, ein Losverfahren für die Auswahl der zukünftigen Mitglieder des Beirates für Menschen mit Behinderung zu entwickeln. Im Beirat für Menschen mit Behinderung werden durch dieses Verfahren mehr Menschen mit Behinderung als Menschen ohne Behinderung und genauso viele Frauen wie Männer vertreten sein. Des Weiteren sind zwei Mitglieder zu Anfang der Wahlperiode zwischen 16 und 25 Jahre alt. Diese Ergebnisse flossen in die im Jahr 2017 beschlossene Neufassung des § 10 der Hauptsatzung ein.
Auch die Vertreter des Seniorenbeirats teilten im Gespräch mit, dass sich das in § 12 geregelte Benennungsverfahren als geeignet erwiesen hat. Das derzeitige System der Wahl durch Delegierte der verschiedenen im Seniorenbereich tätigen Vereinigungen, Verbände, Kirchen etc. hat sich bewährt. Der Beirat repräsentiert hierdurch die Basis aller fachkundigen und in der sozialen Seniorenarbeit erfahrenen Organisationen. Die Direktwahl wäre nach ihrer Auffassung hingegen weniger sachorientiert, sondern vielmehr parteipolitisch geprägt. Daher wird die Direktwahl des Seniorenbeirats nicht befürwortet.
Ferner bemängelten die am Termin anwesenden Vertreter des Seniorenbeirats und des Beirats für Menschen mit Behinderung, dass diese entgegen § 19 Abs. 3 BbgKVerf nicht im Vorfeld der Beschlussfassung zur DS 18/SVV/0703 einbezogen wurden. So konnten sich die Beiräte zu diesem Anliegen nicht einbringen. Schließlich wurde der höhere Nutzen bzw. die höhere Legitimität einer Direktwahl durch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt in Zweifel gezogen. An den Wahlen zum Migrantenbeirat beteiligten sich stets weniger als 20 % der Wahlberechtigten. Eine derart geringe Wahlbeteiligung bei den Wahlen zu den beiden anderen Beiräten ist nicht unwahrscheinlich. Der damit verbundene Aufwand und die Kosten stünden in keinem vernünftigen Verhältnis. Mit dem bisherigen Benennungsverfahren können viel besser die unterschiedlichen Interessen in den Beiräten abgebildet werden.
Der Migrantenbeirat wurde ebenfalls um Mitteilung der bisherigen Erfahrungen gebeten. Die Direktwahl des Migrantenbeirats seit 1994 hat sich bewährt. Der Aufwand für die Direktwahl hält sich in Grenzen, auch aufgrund der Unterstützung der Verwaltung bei der Durchführung der Wahl. Für das demokratische Verständnis einer Stadt und ihrer Bürger ist jedoch die Tatsache, dass die Wähler, die sonst kein kommunales Wahlrecht hätten, ebenfalls gefragt werden, wer ihre Vertreter sind, von unschätzbarem Wert. Sie können sich durch die in der Landeshauptstadt Potsdam mögliche Direktwahl somit auf demokratischem Wege an der Mitgestaltung des Lebens der Kommune beteiligen und einbringen. So wird Demokratie geübt und auch ein wichtiger Beitrag zur Integration geleistet. Dies – Verschaffung von Beteiligungsrechten für die hier lebenden Migranten - gilt es trotz der geringen Wahlbeteiligung hervorzuheben. Aufwand und Ergebnis stehen im Verhältnis. Der Migrantenbeirat wird ebenfalls das Thema „Direktwahl von Beiräten“ auf der Beiratssitzung am 28.03.2019 diskutieren.
Nach einer ersten Einschätzung der Verwaltung ist eine direkte Wahl der Beiratsmitglieder grundsätzlich möglich. Im Hinblick auf die Durchführung sind jedoch noch einige Detailfragen auch in Abstimmung mit den Beiräten zu klären.
Hinsichtlich des Wahlrechts u.a. wäre zu klären, wer wählen (aktives Wahlrecht) und wer kann gewählt werden kann (passives Wahlrecht). Dies könnte im Falle des Seniorenbeirats durch eine Festsetzung einer Altersgrenze erfolgen. Wird das Wahlalter an die Vollendung des 55. Lebensjahres geknüpft, wären ca. 57.000 Personen wahlberechtigt, bei Festsetzung des Wahlalters auf 60 Jahre wären es ca. 45.000 Personen.
Da der Beirat für Menschen mit Behinderung die Interessenvertretung aller Menschen mit Behinderung ist, müsste die Wahlberechtigung hieran geknüpft werden. Um die Wahlberechtigung bei einer Wahl prüfen zu können, ist ein amtliches Wählerverzeichnis erforderlich, welches dann die o.g. Angaben (z.B. Art und Grad der Behinderung) enthalten muss. Die Erstellung und die Pflege eines eigenen Wählverzeichnisses ist nicht nur mit einem enormen Arbeitsaufwand verbunden, sondern wirft auch datenschutzrechtliche Fragen auf. Ein solches Wählerverzeichnis müsste erst erstellt werden, wofür es keine gesetzliche Grundlage gibt. Das Wählerverzeichnis würde auf freiwilligen Angaben beruhen mit der Folge, dass dieses unter Umständen nicht den gesamten Kreis potentiell wahlberechtigter Personen umfasst.
Die Kosten einer generellen Briefwahl liegen schätzungsweise bei 1 Euro je Wähler/Wahlberechtigten. Je nach Festsetzung des aktiven Wahlrechts dürften sich die Kosten auf ca. 50.000 Euro belaufen. Die Kosten ergeben sich aus dem Druck und der Versendung der Wahlbenachrichtigungen, der Ausschreibung des Materials (Stimmzettel, Stimmzettelumschläge, Wahlbrief etc.), dem Postrücklauf, dem Dienstleistungsvertrag zur Abwicklung von Druck und Zusendung der Wahlunterlagen etc.
Ferner ist bei der Entscheidung über die Einführung eines direkten Wahlrechts der Mitglieder des Seniorenbeirates sowie des Beirats für Menschen mit Behinderung generell zu berücksichtigen, dass wohl nicht mit einer hohen Wahlbeteiligung zu rechnen wäre. Aus den Erfahrungen der Direktwahl der Mitglieder des Migrantenbeirats ergab sich stets eine Wahlbeteiligung von unter 20 %. Bei einer derart niedrigen Wahlbeteiligung kann sich die Frage der Legitimation einer Wahl stellen.
Wie bereits erwähnt, wird der Beschluss 18/SVV/0703 in allen Beiräten diskutiert werden. Anschließend werden die Beiräte ein abschließendes Votum abgegeben. Die Verwaltung wird dem Hauptausschuss die Voten mitteilen und einen Verfahrensvorschlag unterbreiten.
Da eine mögliche Einführung der Direktwahl bei Beiräten sowohl innerhalb der Verwaltung, als auch mit den Beiräten inhaltlich abzustimmen ist, kann eine Hauptsatzungsänderung nicht zur Kommunalwahl am 26.05.2019 wirksam werden.