Mitteilungsvorlage - 19/SVV/1213
Grunddaten
- Betreff:
-
Soziale Vorgaben nach Auslaufen der Sanierungsgebiete sichern
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Mitteilungsvorlage
- Federführend:
- Fachbereich Stadtplanung und Stadterneuerung
- Einreicher*:
- Oberbürgermeister, Fachbereich Stadtplanung und Stadterneuerung
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | PA |
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Unterbrochen
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Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam
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zur Kenntnis
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06.11.2019
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Erledigt
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Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Wohnen und Inklusion
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zur Kenntnis
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19.11.2019
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Erledigt
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Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raumes
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zur Kenntnis
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26.11.2019
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10.12.2019
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Beschlussvorschlag
Die Stadtverordnetenversammlung nimmt zur Kenntnis:
Die SVV hat mit DS 19/SVV/0323 dem Oberbürgermeister den folgenden Auftrag erteilt:
„Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, wie die sozialen Vorgaben der Sanierungssatzungen nach dem Auslaufen gesichert werden können. Es soll aufgezeigt werden, inwieweit das z.B. durch Erhaltungs- und Milieuschutzsatzungen oder andere städtebauliche Instrumente möglich ist.“
Zusammenfassung der Ergebnisse:
Im Rahmen der Prüfung wurden die sich aus dem BauGB ergebenden städtebaulichen Instrumente geprüft, die zur Sicherung sozialer Vorgaben nach der Aufhebung der Sanierungssatzungen zur Verfügung stehen. Geprüft wurde dies für jene Sanierungsgebiete, für die im Rahmen einer Sozialplanrichtlinie solche Ziele formuliert sind.
Am Ende der Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen verbleibende sanierungstypische soziale Ziele bestehen nicht mehr. Die Sanierungssatzungen stammen überwiegend aus dem Anfang der 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts. Insoweit haben die durchgeführten baulichen Aufwertungsmaßnahmen (Erschließungsanlagen, Modernisierung und Instandsetzung von Gebäuden) erst Grundlagen für die Wiedernutzung zum Teil ruinöser baulicher Bestände oder die deutlich intensivierte Nutzung geschaffen. Dabei ist nach Möglichkeit auch der Verbleib der seinerzeitigen Mieterschaft im Quartier trotz der notwendigen tiefgreifenden Sanierungsmaßnahmen im Blick gewesen, die Durchführung der Sanierung hat insoweit auch zu einer sozialen Zielsetzung beigetragen.
Mit Blick auf die heute deutlich veränderten Rahmenbedingungen wird die Anwendung des städtebaulichen Instruments der sozialen Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für eine rechtssichere Anwendung noch näher zu untersuchen sein. Eine zwingende Vorwirkung o.ä. für Flächen ehemaliger Sanierungsgebiete sieht das Gesetz nicht vor.
Im Einzelnen:
Die Verwaltung hat zunächst geklärt, für welche der Sanierungsgebiete der Auftrag relevant / nicht relevant ist. Im Ergebnis ergibt sich für die Gebiete folgende Einordnung:
1. Sanierungsgebiete mit gebietsübergreifenden sozialen Zielstellungen
- Holländisches Viertel (Satzung teilweise aufgehoben)
- 2. Barocke Stadterweiterung,
- Block 27 (Anpassungsbereich des E-Gebietes),
- Babelsberg-Nord,
- Babelsberg-Süd.
2. Sanierungsgebiet mit gebietsbezogenen sozialen Zielsetzungen
- Potsdamer Mitte im Rahmen der Grundstücksveräußerungen
3. Sanierungsgebiete ohne Soziale Zielsetzungen
- Am Obelisk (Satzung aufgehoben); kein Handlungsbedarf, vor allem Villenstruktur, Verfahren abgeschlossen,
- Schiffbauergasse, kein Handlungsbedarf; Sanierungsziel ist u.a. der Ausschluss von Wohnnutzung,
- Am Findling, kein Handlungsbedarf, genossenschaftlicher Wohnungsbestand und geförderte Sanierung mit Sozialbindungen im Eigentum der ProPotsdam (Heidesiedlung)
Eingeschränkte Bedeutung der sozialen Ziele in Sanierungsgebieten
Die Verwaltung hat die bisherigen Regelungen in den anfangs genannten Gebieten geprüft und ist zu folgendem Ergebnis gekommen:
Die Sanierungssatzungen selbst beinhalten keine sozialen Vorgaben. Die Definition von sozialen Sanierungszielen war und ist Gegenstand gesonderter Beschlüsse zur Bestimmung und Konkretisierung der Ziele der Sanierungsmaßnahmen.
Die Beseitigung der gravierenden baulichen und infrastrukturellen Defizite stand in den 1990-er und 2000-er-Jahren im Mittelpunkt der Sanierungsziele. Der Wohnungsmarkt war zu dieser Zeit (noch) entspannt; insbesondere in den 1990-er Jahren ist die Einwohnerzahl Potsdams um mehr als 10.000 gesunken, dies bei gleichzeitig erheblicher Zunahme der Wohnungen.
Im Kontext der Sanierungssatzungen und der Genehmigungspflichten nach § 144 BauGB wurde 1998 die Sozialplan-RL für alle damaligen, oben unter Nr. 1 genannten, Sanierungsgebiete durch die SVV beschlossen. Die Richtlinie sollte es der Verwaltung ermöglichen, bei ihrer sanierungsrechtlichen Genehmigungsentscheidung sozialen Kriterien stärker Geltung verschaffen zu können. Sie wurde durch den Beschluss der SVV im Jahr 2004 so geändert, dass die Festsetzung der Mietobergrenzen im Rahmen sanierungsrechtlicher Genehmigungsverfahren gestrichen wurde. Dies erfolgte im Hinblick auf die seinerzeitige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin, bestätigt durch das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 24.05.2006 (Leitsatz: „Die sanierungsrechtliche Genehmigung von Sanierungsmaßnahmen darf nicht von der Einhaltung von Mietobergrenzen abhängig gemacht werden.“)
Die Sozialplanrichtlinie enthielt darüber hinaus ein Paket an Instrumenten, das verfahrensbegleitend wirksam werden sollte, um die Veränderungsprozesse bei bewohnten Häusern abzufedern. Oftmals standen die Häuser jedoch leer oder wurden entmietet, bevor die Stadt von der Sanierungsabsicht erfuhr. Die Richtlinie konnte daher nur eine begrenzte Wirkung entfalten, weil mit ihr nur in Fällen von vermieteten Häusern und in Fällen von durch die Mieter angezeigten Problemlagen reagiert werden konnte. Dagegen wurden, entsprechend der Städtebauförderrichtlinie, soziale Ziele (Mietpreis- und Belegungsbindungen) in jenen Häusern konkret vereinbart, bei denen für eine umfassende Sanierung (Modernisierung und Instandsetzung) Städtebaufördermittel bewilligt wurden. Bereits im Lauf der 90-ziger Jahre hatte das Interesse an dieser Förderung jedoch erheblich nachgelassen.
Die sozialen Vorgaben in den Sanierungsgebieten, aus der Sozialplan-RL oder der Städtebauförderrichtlinie, bezogen sich auf den Schutz vor Verdrängung durch umfassende Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen des bewohnten Hauses. Jedoch sind umfassende Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in den nächsten Jahren nicht mehr zu erwarten, so liegt die Sanierungsquote in diesen Sanierungsgebieten bei mehr als 90 %. Diese Ziele müssen demzufolge als durch den Verfahrensablauf überholt betrachtet werden. Im Ergebnis der Sanierungsverfahren und nach der Aufhebung von Sanierungssatzungen (z.T. bereits erfolgt) sind diese Gebiete nicht in besonderer Weise hervorgehoben. Vielmehr bedarf es für die Zeit nach den Sanierungssatzungen einer gebietsübergreifenden Einschätzung zum Bedarf an sozialen Sicherungselementen.
In tatsächlicher Hinsicht wirken die Belegungsrechte und die (früheren) Mietbegrenzungen im Rahmen von Förderverträgen oder Sanierungsgenehmigungen teilweise noch nach.
Aktuelle Situation, städtebauliche Instrumente und Vorschläge der Verwaltung zum weiteren Vorgehen:
Die Probleme heute, namentlich Verdrängungsgefahr oder Mieterhöhungen, unterscheiden sich grundsätzlich gegenüber denen in den 1990-iger Jahren bis in die 2000-er Jahre hinein. Während seinerzeit unmittelbare Folgen objektkonkreter Sanierungsmaßnahmen für etwa betroffene Mieter der noch unsanierten Objekte im Vordergrund standen, liegt der Kern des Verdrängungsdrucks heute in der Dynamik des angespannten Wohnungsmarktes und deren Folgerungen in der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt sowie der jeweiligen Eigentümerstruktur in den jeweiligen Sanierungsgebieten.
Heute zu definierende soziale Ziele können weder pauschal zugeschnitten auf den Geltungsbereich noch ausschließlich mit den Instrumenten von städtebaulichen Sanierungsgebieten (§§ 136 ff. BauGB) bewältigt werden. Vielmehr ist die Problemlage gebietsunabhängig sowie mit einem breiteren Reaktionsspektrum zu untersuchen und – soweit auch städtebaulich relevant – mit weiteren, nicht nur städtebaulichen Instrumenten anzugehen, wobei diese oft nur im Zusammenspiel eine Wirkung auf die Bewältigung sozialer Problemlagen entfalten. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass heute bestehende Problemlagen in ihrer Abgrenzung mit den bisherigen Sanierungsgebieten identisch sind, jedoch ohne vertiefende Untersuchungen, wie auch im übrigen Stadtgebiet, nicht rechtssicher begründbar.
Das Baugesetzbuch sieht keine speziellen Instrumente zur fortlaufenden Sicherung von Zielen eines städtebaulichen Sanierungsgebietes vor. Es gibt insofern keine Privilegierung (vormaliger) Sanierungsgebiete. Vielmehr ist auf die sonstigen städtebaulichen Instrumente des Baugesetzbuchs zurückzugreifen. Deren gesetzliche Voraussetzungen sind separat zu ermitteln.
Die angesprochene begrenzte sozial wirkende Steuerungsmöglichkeit liegt im städtebaulichen Instrument der sozialen Erhaltungssatzung, dies auch nur in Verbindung mit weiteren städtebaulichen und wohnungswirtschaftlichen Instrumenten. Diese tangierenden Instrumente sind das Vorkaufsrecht, das Zweckentfremdungsverbot und das Umwandlungsverbot. Z.T. müssen für die Wirksamkeit dieser Instrumente noch weitere landesrechtliche Vorschriften oder auch kommunale Satzungen entwickelt werden.
Im Hinblick auf die begrenzten Möglichkeiten ist auf eine weitere rechtliche Einschränkung hinzuweisen: Städtebauliche Instrumente basieren auf dem Vorliegen (besonderer) städtebaulicher Gründe. Soziale Ziele, Mietbegrenzungen oder Mieterschutz können Folge ihrer Anwendung sein, sind aber nicht geeignet, sie (allein) ausreichend zu begründen.
Zum rechtssicheren Erlass von sozialen Erhaltungssatzungen sind deshalb komplexe Analysen und Bewertungen erforderlich, um die Gebiete hinsichtlich ihrer sozialen und (städte-)baulichen Belange zu beschreiben und spätere Satzungen zu untersetzen. Dazu wird ein Kriterienkatalog zu entwickeln sein, der zunächst die Grundlage für die Einschätzung gibt, in welchen Bereichen der Stadt Handlungsbedarf (Verdrängungsgefahr i. S. d. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) bestehen kann und inwieweit soziale Erhaltungssatzungen und die weiteren Instrumente dabei zu Tage tretenden Problemen entgegenwirken können.
Ohne eine solche Analyse und Bewertung kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Problemlage von (vormaligen) Sanierungsgebieten allein aus diesem Aspekt rechtssicher nachgewiesen werden kann. Dabei wird auch der grundsätzliche Zielkonflikt zu bewerten sein, dass die Sanierungsgebiete gerade auf Beseitigung städtebaulicher Missstände durch Instandsetzung und Modernisierung – also Aufwertung – der baulichen Substanz, aber demgegenüber soziale Erhaltungssatzungen insbesondere auf Beibehaltung des Status quo – also möglichst keine Aufwertung – gerichtet sind.
Ein solcher Arbeitsprozess, in den nach der oben beschriebenen Logik auch die bisherigen Sanierungsgebiete vergleichend eingebunden werden sollen, ist mit dem Beschluss zur DS 19/SVV/0686 „Soziale Erhaltungssatzung südöstlich Hauptbahnhof“ durch die SVV beauftragt worden. Ein Sachstandsbericht soll im März 2020 vorliegen.
Daraus sind dann auch erste Schlussfolgerungen möglich, für welche (Teile) der bisherigen Sanierungsgebiete sich dieses Instrumentarium eignet.