Mitteilungsvorlage - 20/SVV/0363

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Der Hauptausschuss nimmt zur Kenntnis:

 

Im März 2013 legte die CULTUS UG (haftungsbeschränkt) nach erfolgreichem Abschluss der Modellprojektphase ein Betreiberkonzept für das soziokulturelle Zentrum „freiLand“ vor. Dieses wurde durch die Stadtverordneten der Landeshauptstadt bestätigt (Beschluss der Weiterführung als jugend- und soziokulturelles Zentrum, Drucksache 13/SVV/0340). Seither erfolgt die Betreibung auf dem Gelände der SWP unter Beteiligung aller ansässigen Einrichtungen, Akteure, Vereine und dem Nutzer*innen-Plenum.

 

Folgende Inhalte finden sich im beschlossenen Betreiberkonzept:

 

Das „freiLand“ leistet:

-          einen wichtigen Beitrag zu den alternativen Lebens- und Kulturkonzepten in der Stadt Potsdam

-          einen Beitrag zur Sicherung von Räumen für selbstverwaltete Beteiligungsstruktur

-          eine Plattform, wo junge Menschen die Möglichkeit für die Verwirklichung ihrer Ideen finden sowie herausgefordert werden, Kritik zu üben und für die von ihnen kritisierten Zustände Lösungen zu suchen

 

Das „freiLand“ bietet:

-          Räume und Möglichkeiten, in denen die Nutzer*innen Toleranz und Solidarität, Dialog- und Kompromissfähigkeit entwickeln und miteinander vertreten können

-          Räume, welche zur Entfaltung der kreativen, künstlerischen und politischen Interessen benötigt werden

-          Freiräume für alle Interessierten, sofern sie nicht andere Menschen durch rassistisches, homophobes, sexistisches oder anderweitig diskriminierendes Verhalten einschränken.

 

Im Ergebnis des Beschlusses 13/SVV/0340 der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam wurde zwischen der CULTUS UG (haftungsbeschränkt) und der Landeshauptstadt Potsdam im Oktober 2013 eine Vereinbarung zur Betreibung des jugend- und soziokulturellen Zentrums „freiLand“ abgeschlossen. Darin heißt es unter anderem: „die Landeshauptstadt Potsdam sieht sich in der Verantwortung, für junge Menschen Rahmenbedingungen zu schaffen, die ihren Bedürfnissen nach Teilhabe und Gestaltung Rechnung tragen, sowie ihre Autonomie und Selbstbestimmtheit fördern. Daher wurde das auf Eigenverantwortlichkeit und Partizipation basierende Modellprojekt „freiLand“ entwickelt und als Ort selbstbestimmter und organisierter Jugendkultur als jugend- und soziokulturelles Zentrum weitergeführt, welches jungen Potsdamern Räume zur freien Gestaltung und zur Realisierung eigener kreativer, künstlerischer sowie politischer Ideen und Projekte bietet. Dies ist für die Ausprägung einer selbstverantwortlich agierenden lokalen Jugendszene ebenso elementar wie selbstbestimmter und selbstorganisierter Gestaltungsfreiraum“.

 

Seit dieser Zeit erfolgt eine offene und zielführende Kooperation zwischen der Cultus UG, dem NutzerInnen-Plenum und der LHP.

 

 

Aktueller Sachstand

 

Der Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg 2018 tätigt Aussagen zum soziokulturellen Zentrum „freiLand“. In den dort stehenden Ausführungen heißt es unter anderem […] Auf derartige körperliche Auseinandersetzungen bereitet sich die autonome Szene intern vor. Ein Beispiel hierfür stellt ein vom 08. bis 10. Juni 2018 in Potsdam durchgeführtes Kampfsportereignis dar. Bei diesem „Anti-Fascist-Martial Arts Event“ wurden praktische Übungen und Workshops zu Strategien der Selbstverteidigung und Verhalten bei Angriffen gelehrt.[1] Solche Veranstaltungen verdeutlichen die Gefahr, dass innerhalb der vorhandenen Rückzugsräume Aktionen gegen den politischen Gegner und die Polizei geübt und geplant werden. Somit sinkt Stück für Stück die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung.“ 

 

Mit der Aussage „auf derartige körperliche Auseinandersetzungen“ bezieht sich der Absatz auf den vorangegangenen Absatz, in dem es heißt: „Neben der AfD sind auch weiterhin rechtsextremistische Akteure im Fokus linksextremistischer Aktionen. Beispielsweise mobilisierte die „Emanzipatorische Antifa Potsdam“ gegen Veranstaltungen von Rechtsextremisten wie etwa einen Aufmarsch der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ am 18. März 2018. Ziel solcher Aktionen ist, den Gegner massiv einzuschüchtern und zur Aufgabe zu bewegen. Beleidigungen beziehungsweise Bedrohungen bis hin zu Körperverletzungen gelten dabei als adäquates Mittel, um den „Feind" zu besiegen.“

 

Nach Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes wurde seitens der LHP sowohl die Verfassungsschutzbehörde als auch das „freiLand“ um eine Stellungnahme gebeten. Die Stellungnahmen sollen der Einordnung der Aussagen dienen.

 

In der Antwort der Verfassungsschutzbehörde vom 17.02.2020 „Erkenntnisse zu Aktivitäten von Linksextremisten auf dem Gelände des „freiLands“ (Anlage 1) kommt diese zu folgender Bewertung: Die o.g. Kampfsportveranstaltungen stehen grundsätzliche nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Die Organisatoren die „rand.gestalten“ verweisen allerdings auf einen politischen Charakter der Veranstaltung. Angesichts der dargelegten politischen Bezüge zu den Themenfeldern „Antifaschismus“ und „Antirepression“, sowie zu den Bezügen zur Roten Hilfe“ kann von einer Einflussnahme bzw. Teilnahme von Linksextremisten ausgegangen werden. Folglich besteht die Gefahr, dass Linksextremisten die dort erworbenen Kampfsportkenntnisse nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch zum offensiven Vorgehen einsetzen. Damit sind diese Veranstaltungen prinzipiell dazu geeignet die Vernetzung und Professionalisierung von Linksextremisten zu fördern und die Hemmschwelle zu Anwendung von Gewalt zu senken. Wie oben erläutert weisen einige in der Vergangenheit auf dem Gelände des „freiLands“ ausgerichtete Veranstaltungen Bezüge zu linksextremistischen Gruppen auf.

Daher ist nicht auszuschließen, dass auch zukünftig Linksextremisten darunter auch gewaltbereite an ähnlichen Veranstaltungen auf dem Gelände des „freiLands“ teilnehmen werden. Um einer Teilnahme von Linksextremisten auf politischen Veranstaltungen auf dem Gelände des „freiLands“ präventiv entgegenzuwirken, könnte eine Distanzierung der Veranstalter von Linksextremisten bzw. autonomen Gruppen erfolgen. Bislang ist dies nicht öffentlich geschehen. Abschließend geht es dem Verfassungsschutz Brandenburg nicht darum, eine Liegenschaft oder einen Trägerverein zu stigmatisieren, sondern darum, vor extremistischen Aktivitäten zu warnen.

 

 

Das freiLand-Plenum hat zu dem Verfassungsschutzbericht wie folgt Stellung genommen (Anlage 2):

Im Ergebnis findet aus unserer Sicht mit „randgestalten“ eine Sportveranstaltung im freiLand statt, die sich diametral von Mainstream-Kampfsportveranstaltungen und tatsächlich extremistischen Kampfsportevents wie „Kampf der Nibelungen“ oder dem Festival „Schild und Schwert“ in Ostritz unterscheidet. Das Programm und auch die Teilnehmer*innen verbreiteten weder eine gewaltfördernde noch gewaltbereite Stimmung. Der Umgang der Kursteilnehmer*innen war von gegenseitigem Respekt geprägt, wie wir es persönlich erleben durften sowie nicht nur von Teilnehmer*innen sondern auch von Gäst*innen bzw. Aktiven erfahren haben.“

 

Darüber hinaus erklärt das freiLand auf seiner Internetseite (www.freiland-potsdam.de/about), dass sein „Handeln durch folgende Grundsätze geleitet (wird): Transparente Strukturen und Kommunikation, Gewaltfreiheit, gegenseitige Anerkennung und Akzeptanz und aktive politisch-kulturelle Teilhabe“.

 

 

Bewertung

 

Die aus Sicht der Verwaltung entscheidenden Erkenntnisse in Bezug auf das jugend- und sozio-kulturelle Zentrum „freiLand“ aus der Stellungnahme der Verfassungsschutzbehörde (Anlage 1) sind:

 

  1. „In diesem Sinne liegen hier keine hinreichenden Erkenntnisse vor, dass es sich bei dem „freiLand“ um ein Szeneobjekt gewaltorientierter Linksextremisten handelt.“
  2. „Die oben genannten Kampfsportveranstaltungen stehen grundsätzlich nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.“
  3. „Abschließend geht es dem Verfassungsschutz Brandenburg nicht darum, eine Liegenschaft oder einen Trägerverein zu stigmatisieren, sondern darum vor extremistischen Aktivitäten zu warnen.

 

Die Landesregierung hat sich in ihrer Antwort (Drucksache 7/104) zum Linksextremen Kampfsporttraining im Potsdamer „freiLand“ (Antragsteller AfD-Fraktion, Andreas Kalbitz) wie folgt positioniert (Anlage 3): „Grundsätzlich prüft die Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg seinem gesetzlichen Auftrag entsprechend nach § 3 Absatz 1 des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes (BbgVerfschG), ob Hinweise für extremistische Bestrebungen im Land Brandenburg vorliegen. Diesem Auftrag unterfallen auch Aktivitäten und Szeneobjekte gewaltorientierter Linksextremisten. Hierbei handelt es sich um Örtlichkeiten, zu denen gewaltorientierte Linksextremisten Zugang haben, die sie für ihre politischen Aktivitäten nutzen und bei denen sie einen maßgeblichen Einfluss auf den Ablauf der Aktivitäten haben. In diesem Sinne liegen keine Erkenntnisse vor, dass es sich bei der Liegenschaft des Kulturzentrums FreiLand in Potsdam um ein Szeneobjekt gewaltorientierter Linksextremisten handelt. Zudem wurde öffentlich auf dem Gelände des Freilands bislang keine extremistischen Veranstaltungen beworben.“ ... „Bislang sind auf dem Gelände des Freilands keine linksextremistischen Kampfsportveranstaltungen bekannt geworden.“ 

 

Auch in der Sitzung des Landtages Brandenburg am 26.02.2020 wurde ein Antrag der AfD-Fraktion (Drucksache 7/680) „rdermittelzahlungen für das „freiLand“ in Potsdam und andere linksextreme Strukturen sofort einstellen!“ in Bezug auf das jugend- und soziokulturelle Zentrum „freiLand“ debattiert. Da derzeitig noch kein Protokoll der Debatte vorliegt, wird an dieser Stelle aus dem am 27.02.2020 in den Potsdamer Neuesten Nachrichten erschienen Artikel zitiert: “Doch Innenminister Michael Stübgen fand im Landtag deutliche Worte an die Adresse der AfD. „Klipp und klar: Die Erkenntnislage des Verfassungsschutzes ist eindeutig. Das Freiland ist kein linksextremes Szeneobjekt. Die Betreiber gehören nicht zur linksextremen Szene.“

Allerdings sagte Stübgen auch, dass es im Freiland „vereinzelt Tendenzen“ von Extremisten gebe, „Veranstaltungen zu unterwandern oder zu kapern““damit müssten sich die Betreiber auseinandersetzen.“ Der Landtag lehnte mit großer Mehrheit den o.g. Antrag der AfD ab.

 

Dieser Einschätzung der Landesregierung schließt sich die Landeshauptstadt Potsdam an.

 

 

Fazit

 

Das jugend- und soziokulturelle Zentrum „freiLand“, ein anerkannter Träger der Kinder- und Jugendhilfe, basiert auf Eigenverantwortlichkeit und Partizipation und wird als Ort selbstbestimmter und selbstorganisierter Jugendkultur gefördert, der jungen Potsdamer*innen Räume zur freien Gestaltung und zur Realisierung eigener kreativer, künstlerischer sowie politischer Ideen und Projekte bietet. Dies ist für die Ausprägung selbstverantwortlich agierender Jugendlicher ebenso elementar wie selbstbestimmter und selbstorganisierter Gestaltungsfreiraum.

 

Das klare Bekenntnis zum Erhalt und zur Weiterführung des „freiLands“ liegt in Form von mehreren Beschlüssen vor u.a. 18/SVV/0337 Fortsetzung „freiLand“, 18/SVV/0341 Fortbestand sichern, 18/SVV/0743 Fläche für soziokulturelle Nutzung sichern, 19/SVV/0372 Baumaßnahmen Kulturzentrum „freiLand“.

 

Im Ergebnis ergeben sich aktuell und formal keine Handlungserfordernisse seitens der Landeshauptstadt Potsdam aufgrund der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht 2018 und der aktuell vorliegenden Stellungnahme. Die Landeshauptstadt Potsdam bedankt sich für die Hinweise der Verfassungsschutzbehörde und wird diese in der zukünftigen Zusammenarbeit mit dem Träger berücksichtigen.

 

Sowohl der Betreiber des „freiLand“ als auch der Veranstalter haben ihr Einverständnis signalisiert, dass Vertreter der Verwaltung an der Veranstaltung 2020 teilnehmen können.

 

 

Anlagen:

 

1.)    Stellungnahme der Verfassungsschutzbehörde

2.)    Stellungnahme des jugend- und soziokulturellen Zentrums „freiLand“

3.)    Drucksache 7/104 der Landesregierung Brandenburg

 

 


[1] Homepage „Rand.Gestalten“ (letzter Zugriff 18.12.2018) – Anmerkung im Verfassungsschutzbericht

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