Mitteilungsvorlage - 20/SVV/0562

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung nimmt zur Kenntnis:

 

 

Der Antrag 19/SVV/0708 begehrt die Prüfung, ob im Rahmen der Neufassung des § 18 des Brandenburgischen Straßengesetzes (BbgStrG) eine Beschränkung der Wahlwerbung möglich ist. Gemäß dem Antrag war zu prüfen, ob erstens eine Beschränkung der Aufstellungsorte und zweitens eine Beschränkung der Anzahl der Wahlplakateglich ist. Die Prüfergebnisse werden im Folgenden separat dargestellt und anschließend zu einem Ergebnis zusammengefasst.

 

  1.      Beschränkung der Aufstellungsorter Wahlplakatierung

 

Gemäß Plenarprotokoll zur 2. Lesung des Gesetzesentwurfs zur Änderung des § 18 BbgStrG war Anlass der Änderung, dass einige Gemeinden bisher die Standorte für die Werbung übermäßig eingeschränkt haben (1). Dies wurde von den Landtagsfraktionen kritisiert und sollte, bis auf wenige Ausnahmen, mit der Neufassung verhindert werden. Die Regelung verfolgt das erklärte Ziel, dass „das bisherige Ermessen der Gemeinden, Plakatwerbung durch Satzung zu regeln, stark reduziert wird“.

 

Als Ergebnis der Neufassung können Gemeinden gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 BbgStrG nun nur noch zum Schutz von Orten historisch herausragender überregionaler Bedeutung die Standorte beschränken. Orte von historisch herausragender überregionaler Bedeutung sind die KZ-Gedenkstätten und andere Gedenkstätten, die der Erinnerung an Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gewidmet sind. Der Begriff „Orte historisch herausragender überregionaler Bedeutung“ ergibt sich im Wesentlichen aus dem Versammlungs- und Gedenkstättenrecht. Das Land Brandenburg hat mit dem Gedenkstättenschutzgesetz (2) die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück in der Stadt Fürstenberg/Havel sowie die Gedenkstätte und das Museum Sachsenhausen in der Stadt Oranienburg zu solchen Orten erklärt.

 

In der Stadt Potsdam existiert kein Ort historisch herausragender überregionaler Bedeutung im Sinne der Neufassung BbGStrG, für den die Wahlplakatierung eingeschränkt oder verboten werden kann.

 

Obwohl also rein formal keine Grundlage besteht, die Standorte von Wahlplakatierung in Potsdam einzuschränken, hat sich in Potsdam in den vergangenen Jahren die Praxis entwickelt, auf die Plakatierung der historischen Lichtmasten zu verzichten. Diese Maßgabe ergab sich rein praktisch aus einer hohen Kratzanfälligkeit der lackierten Gussmasten. Dies wird den Parteien im Vorfeld der Plakatierung auch mitgeteilt. Damit sind die Standorte jetzt praktisch schon stark eingeschränkt, denn die historischen Lichtmasten befinden sich in zahlreichen Straßen, so beispielsweise die Tuchmacher-Leuchten in Babelsberg, die Potsdamer Eiglocken in der Innenstadt oder die historischen Schinkelleuchten in speziell denkmalgeschützten Bereichen, wie im Umfeld zum Park Sanssouci.

 

Die Orte werden aber auch schon durch die Allgemeinverfügung des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung vom 18. November 2015 und durch die StVO eingeschränkt. Danach sind Wahlplakate unter anderem im Bereich von Kreuzungen und Einmündungen, vor Fußngerüberwegen und Bahnübergängen, am Innenrand von Kurven und an Verkehrszeichen unzulässig.

 

Zudem ist anzumerken, dass die Standorte bisher immer dann eingeschränkt wurden, wenn sich durch die Aufstellung oder Anbringung straßenverkehrsrechtliche Notwendigkeiten ergaben. Wurde also festgestellt, dass die Sicht der Verkehrsteilnehmer eingeschränkt ist und deshalb eine Gefährdung von der Werbung ausgeht, wurde diese kurzfristig entfernt bzw. bei großen Werbeanlagen eine Umstellung an einen anderen Standort veranlasst.

 

Zwischenergebnis:

 

Die Standorte werden aktuell bereits über die Lichtmasten-Regelung, die MIL-Allgemeinverfügung und über die StVO stark eingeschränkt. Darüberhinausgehende Einschränkungen bzgl. der Standorte sind von § 18 (3) BbgStrG nicht gedeckt und waren auch ausdrücklich nicht die Intention der Fraktionen im Landtag bei der Neufassung des § 18 BbgStrG.

 

 

  1.      Beschränkung der Anzahl der Wahlplakate

 

Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 4 BbgStrG bleibt der Gemeinde eine angemessene Kontingentierung der Wahlplakate nach Menge und Größe unbenommen. Das heißt allerdings nicht, dass die Gemeinde in der Beschränkung der Anzahl der Wahlplakate völlig frei ist. Die Anzahl der Wahlplakate pro Mast kann auch nur aus straßen-, straßenverkehrs- und baurechtlichen Belangen eingeschränkt werden,  z. B. aus Verkehrssicherheitsgründen, wenn die Plakate aufgrund der Anzahl zu tief hängen und ein Sicherheitsrisiko für Verkehrsteilnehmer darstellen. Eine Beschränkung ist nur auf Grundlage von straßen-, straßenverkehrs- oder baurechtlicher Belange möglich. Eine Beschränkung der Anzahl der Wahlplakate wäre in Potsdam rein willkürlich und entspräche nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

 

 

2.1.         In der Verhältnismäßigkeit nicht angemessen

 

Was tatsächlich an Material eingespart werden kann ist nicht bekannt. Dies ist unter anderem in der Unkenntnis über die bisherige Anzahl bzw. Gesamtzahl an Wahlplakaten begründet, da nur einige Parteien oder Wahlvorschlagsträger die beabsichtigte Plakat-menge der LHP mitteilen. Es existiert keine Verpflichtung die Anzahl der Wahlplakate zu benennen, nur die Pflicht zur Unterrichtung über die generell beabsichtigte Wahlplakatierung (3). Ökologische Vorteile oder „optisch unangenehme Zeiten“ bilden zudem keinerlei Rechtsgrundlage zur Beschränkung in Größe und Anzahl und stehen außer Verhältnis zu den Vorteilen der überragenden Bedeutung der freien Wahlen für die Demokratie. Gemäß der Begründung der Landesregierung zur Novellierung des BbgStrG muss in der Regel das öffentliche Interesse am Schutz des Straßen- und Ortsbildes mit Blick auf die Bedeutung der Wahlwerbung zurücktreten (4).

 

 

 

2.2.         In der Verhältnismäßigkeit nicht erforderlich

 

Die Verkehrssicherheit wird bereits mit milderen Mitteln sichergestellt. Im konkreten Einzelfall erfolgt eine kurzfristige Entfernung von der die Verkehrssicherheit einschränkender Wahlwerbung. Bisher gab es keine konkret auftretenden oder ernsthaften Probleme durch die Wahlplakatierung, die nicht durch dieses mildere Mittel gelöst werden konnten. Mindestens in den letzten 20 Jahren ereignete sich in Potsdam kein einziger der Verwaltung bekanntgewordener Unfall bzw. kam es zu keiner Schädigung eines Dritten durch aufgehängte / aufgestellte Plakate.

 

Zudem ist die Anzahl der Wahlplakate schon durch die praktizierte Beschränkung auf Nicht-Historische-Lichtmasten gegeben. Dies zwar nicht zahlenmäßig, aber durch weniger nutzbare Lichtmasten, in Konsequenz auch weniger von Parteien erforderliche Plakate. Hinzu kommt, dass in Brandenburg im Gegensatz zu manch anderen Bundesländern durch eine speziell die verkehrsrechtlichen Aspekte der Wahlwerbung regelnde Allgemeinverfügung des MIL in Verbindung mit den Vorschriften der StVO, das Plakatieren in Kreuzungsbereichen, an Verkehrszeichen und sonstigen Gefahrenträchtigen Orten bereits verboten ist. Dem Anspruch auf Reglementierung aus gefahrenabwehrrechtlichen Gründen ist somit bereits vollständig entsprochen.

 

Zwischenergebnis:

 

Eine Beschränkung der Menge erfolgt aktuell schon über die im Land Brandenburg gültige Allgemeinverfügung und der StVO. Demnach dürfen Verkehrszeichen und Kreuzungsbereiche nicht plakatiert werden. Hinzu kommt die in Potsdam übliche Praxis, auch historische Lichtmasten nicht zu plakatieren. Eine weitergehende Einschränkung auf eine konkrete Anzahl der Wahlplakate, generell oder je Partei, ist hingegen nicht verhältnismäßig und ist deshalb nicht umsetzungsfähig.

 

 

 

Ergebnis

 

Eine verwaltungsseitige Beschränkung der Wahlwerbung ist sowohl hinsichtlich der Aufstellungsorte als auch der konkreten Anzahl der Wahlplakate in Potsdam ohne Ermächtigungsgrundlage und ist damit nicht möglich.

 

Auf Grundlage des geänderten Landesrechts sind entgegen der vermeintlichen Annahme des Antragstellers eben keine weiteren Standorteinschränkungen ausführbar. Dies ist ausschließlich zum Schutz von Orten historisch herausragender überregionaler Bedeutung möglich, welche sich nicht beliebig definieren lassen. Im Park bzw. am Schloss Sanssouci ist eine Plakatierung schon deshalb nicht erlaubt, da es sich meist um Privatflächen handelt, für die keine Plakatier-Genehmigungen erteilt werden. Die verwaltungsseitig vorgegebene Beschränkung auf eine konkrete Anzahl von Wahlplakaten ist in Potsdam deshalb nicht möglich, da diese Beschränkung nur aufgrund von straßen- und straßenverkehrsrechtlichen Belangen geschehen darf. Diese Belange werden in Potsdam seit Jahren mit milderen Mitteln sichergestellt, sodass eine zahlenmäßige Beschränkung nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. 

 

 

 

Zusatz

 

Obwohl weitere Beschränkungen der Aufstellungsorte und der Anzahl der Wahlplakate in Potsdam nicht möglich sind, wird hier auf den Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit eingegangen. Da eine Beschränkung der Anzahl der Plakate in Potsdam, wie oben dargestellt, nicht umsetzbar ist und der Grundsatz deswegen nicht zur Anwendung kommt, wird dieser hier nur ergänzend der Vollständigkeit halber dargestellt.

 

 

Das sich hieraus ergebende tatsächliche Hemmnis der Erstellung und Anwendung der kommunalrechtlichen Vorgabe hinsichtlich einer Höchstanzahl an Wahlwerbeplakaten ist für eine sachgerechte Einordnung des oben genannten Ergebnisses der verwaltungsrechtlichen Prüfung des Antrag 19/SVV/0708 mitentscheidend.

 

Bei der Verteilung der Werbeflächen auf die verschiedenen Wahlvorschlagsträger haben die Gemeinden den Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 GG und in § 5 PartG niedergelegten Gleichheitssatz zu berücksichtigen. § 5 PartG geht dabei von einer abgestuften Chancengleichheit“ aus. Das bedeutet, dass bei der Gewährung einer öffentlichen Leistung, wie vorliegend bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen, alle Wahlvorschlagsträger gleichbehandelt werden sollen, der Umfang der Gewährung aber abgestuft werden kann. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist es nicht nur zulässig, sondern sogar notwendig, die Wahlvorschlagsträger bei der Gewährung öffentlicher Leistungen ungleich zu behandeln. Andernfalls entstehe für den Wähler ein verfälschender Eindruck über die wahre Bedeutung der einzelnen Wahlvorschläge, wenn die Gemeinde sämtliche Wahlvorschlagsträger, ungeachtet ihres tatsächlichen Gewichts, formal gleichbehandeln würden. Als Differenzierungskriterium nennt § 5 Abs. 1 Satz 2 PartG explizit (aber nicht abschließend) die Bedeutung der Parteien. Die Bedeutung bemisst sich insbesondere auch nach den Ergebnissen vorangegangener Wahlen zu Volksvertretungen.

 

Die Abstufung nach der Bedeutung der Wahlvorschlagsträger ist jedoch nur in engen Grenzen zulässig. Wirksame Wahlwerbung muss für alle kandidierenden Wahlvorschlagsträger möglich sein und das bestehende Stärkeverhältnis der Wahlvorschlagsträger darf nicht bestätigt und verfestigt werden. Das Bundesverwaltungsgericht leitet hieraus eine grundlegende Entscheidung konkreter Vorgaben für die Verteilung ab. So sei es geboten, jedem Wahlvorschlagsträger, der Stellplätze für Wahlplakate beansprucht, mindestens fünf Prozent der bereitgestellten Plätze zur Verfügung zu stellen. Ferner sei den kleinen Wahlvorschlagsträgern eine überproportional große Mindestzahl zuzuerkennen, die bei den großen Wahlvorschlagsträgern entsprechend zu kürzen sei. Eine Obergrenze sieht es ferner erreicht, wenn dem größten Wahlvorschlagsträger mehr als etwa das Vier- bis Fünffache an Stellplätzen eingeräumt wird als dem kleinsten Wahlvorschlagsträger. Innerhalb dieser Unter- und Obergrenze habe die Verteilung der restlichen Plätze auf die Wahlvorschlagsträger anhand von deren Bedeutung zu erfolgen.

 

Ein rechtlich verbindliches Regelwerk müsste den o.g. Grundsätzen Rechnung tragen. Allein die Anzahl der unterschiedlichen Wahlvorschlagsträger, die einen Anspruch auf Wahlwerbung haben, sind je Wahlart erheblich unterschiedlich. So waren das in den zurückliegenden Wahlen bei der

 

  • Europawahl 2019   40, 
  • Bundestagswahl 2017  15 Listen / 11 Einzelkandidaten,
  • Landtagswahl 2019   11 Listen / 26 Einzelkandidaten,
  • Kommunalwahl 2019   12,
  • Ortsbeiratswahl 2019   14 und bei der
  • Oberbürgermeisterwahl 2018 6

 

zugelassene Wahlvorschläge. Wahlplakatierung ist acht Wochen vor dem Wahltag zulässig. Berechtigt zur Wahlwerbung sind die zur Wahl zugelassenen Wahlvorschlagsträger. Die Zulassung der Wahlvorschlagsträger zur jeweiligen Wahl erfolgt in der Regel frühestens ca. acht Wochen vor der Wahl. Praktisch beauftragen die Wahlvorschlagsträger aber bereits zu einem frühen Zeitpunkt Firmen zur Wahlplakatierung. Damit wird dann auch die Anzeige zur Plakatierung bei der Straßenverkehrsbehörde vorgenommen. Diese kann jedoch keine verbindlichen Zusagen treffen, da mithin noch nicht bekannt ist, ob und welche weiteren Wahlvorschläge zugelassen sind.

 

Die o.g. abgestufte Chancengleichheit und gleichzeitige Differenzierung bei der quantitativen Zuordnung der Plakatierungsstandorte wären folglich zu jenen Zeitpunkten schon rein praktisch nicht möglich.

 

 

 

(1)     Drucksache 6/9887, Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Plenarprotokoll 6/68 15./16. November 2018, Seite 7336 7337

(2)     Gesetz zum Schutz von Gräber- und anderen Gedenkstätten, die der Erinnerung an Opfer und Krieg oder Gewaltherrschaft gewidmet sind (Gedenkstättenschutzgesetz, Vom 23. Mai 2005

(3)     Allgemeinverfügung des MIL, Abteilung 4 Straßenverkehr vom 18. November 2015

(4)     Gesetzentwurf von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/8959

 

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