Antrag - 20/SVV/0854

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Klimaschädlichkeit des Handelns der Landeshauptstadt Potsdam künftig klar zu kommunizieren, wo dieses der Sachlage entspricht.

 

Die Stadtverordnetenversammlung beauftragt den Oberbürgermeister außerdem sich als Gesellschaftervertreter dafür einzusetzen, dass die kommunalen Unternehmen in ihrer öffentlichen Kommunikation die Klimaschädlichkeit ihrer Produkte klar benennen, wo dies der Sachlage entspricht und diese nicht im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen als umweltfreundlich darstellen.

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Erläuterung

Begründung:

Um noch eine Chance zu haben einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern müssen die anthropogenen Treibhausgasemissionen schnell auf Netto-Null sinken (für Deutschland linear bis ca. 2035).

Aktuelle Ergebnisse der Klimaforschung warnen dringend davor, die Grenze von 1,5 °C Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu überschreiten, da dann gefährliche Kipppunkte (z.B. auftauender Permafrost und Methanfreisetzung, und das Abschmelzen von Eis in den Polregionen) angestoßen werden, die eine unkontrollierbare, dann nicht mehr lineare, Beschleunigung des Klimawandels durch Rückkopplungsschleifen nach sich ziehen. Die Folgen wären: u.a. ein Temperaturanstieg um bis zu 5 °C, ein Anstieg des Meeresspiegels um 60 m, große Teile der Erde würden durch Hitze unbewohnbar. Schon bei 1,5 °C Erwärmung sterben 90% der Korallenriffe. Die Überschreitung dieser Grenze droht schon in den nächsten fünf Jahren. In Anerkennung dieser Tatsachen hat Potsdam den Klimanotstand ausgerufen.

 

Derzeit wirbt die Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) auf ihrer Webseite für den Verbrauch von Erdgas: „Erdgas ist für uns nicht nur Motor der CO2-Reduzierung, sondern auch Treibstoff für moderne Mobilität. 1999 machten wir mit der ersten öffentlichen Erdgas-Tankstelle in Potsdam am Heizkraftwerk Süd den Anfang für umweltfreundliches und kostengünstiges Autofahren. Bei den steigenden Preisen für Benzin und Diesel sparen unsere Kunden somit nicht nur bares Geld, sondern auch bis zu 50 Prozent CO2.“r neue Erdgasfahrzeuge erhalten Kunden einen 350-EUR-Tankgutschein (Quelle: https://www.swp-potsdam.de/de/energie/erdgas/erdgas-f%C3%BCr-fahrzeuge/ ).

Eine Förderung mit wirklicher Klimaschutzwirkung wäre ein 350-EUR-Gutschein für ein ÖPNV-Jahresticket oder für den Kauf eines Lastenrads bei Stilllegung eines Verbrenner-Autos.

 

Auf der Webseite der Klimaagentur Potsdam wird fossilem Erdgas und Biomethan völlig undifferenziert eine „sehr gute Klimabilanz“ ausgestellt wird, Die Klimaagentur der Landeshauptstadt Potsdam schreibt auf ihrer Webseite: Erdgas, kurz CNG (Compressed Natural Gas) genannt, ist ein brennbares Naturgas, dass in unterirdischen Lagerstätten vorkommt oder als Bio-Erdgas (Biomethan) aus Pflanzen oder biologischen Abfällen erzeugt wird. Es zeichnet sich durch eine sehr gute Klimabilanz aus.“ (Quelle: http://klimaagentur-potsdam.de/beratung/mobilitaet/alternative-antriebe/erdgas/erdgas/ )

 

Die Stadtwerke werben für die Verbrennung von klimaschädlichem Erdgas: „Fernwärme ist für uns ein wichtiger Bestandteil des EWP Energiemix: Auf Basis des CO2-armen Brennstoffs Erdgas und der doppelten Energienutzung legen wir exzellente Werte bei der Kohlendioxid-Vermeidung vor. Das macht uns bundesweit zu einem echten Energie-Vorreiter.“ (Quelle: https://www.swp-potsdam.de/de/energie/fernw%C3%A4rme/ )

Mit einem 25 Jahre alten Gaskraftwerk ist man heute schon lange kein Vorreiter mehr. Vorreiter sind heute Kommunen die sich zu 100% aus erneuerbaren Energien versorgen.

 

Nach Atomkraft und Kohle wird aktuell Erdgas von einer großen Lobby als „Brückentechnologie“ beworben. Damit droht ein jahrzehntelanger Lock-In in klimaschädlicher Infrastruktur. Denn tatsächlich ist Erdgas ein schlechter Ersatz für Kohle und Öl. Erdgas leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz. Betrachtet man den Moment der Strom- bzw. Wärmeerzeugung entstehen bei der Gewinnung der gleichen Energiemenge aus Gas gegenüber Kohle oder Öl zwar weniger Treibhausgasemissionen. Aber immer noch sehr viele Emissionen in einer Situation wo treibhausgasneutrale Energiequellen verfügbar sind. Dazu müssen weitere Emissionen kalkuliert werden, die bei der Förderung und dem Transport von Erdgas als Methan in die Atmosphäre entweichen. Methan in der Atmosphäre hat auf 100 Jahre gesehen eine 28-fach stärkere Klimawirkung als Kohlenstoffdioxid. Da Methan nur langsam zerfällt, hat es auf eine Sicht von 20 Jahren sogar eine 84-fach stärkere Klimawirkung. Diese kurzfristige Klimawirkung wird dann relevant, wenn es um das Überschreiten von Kipppunkten im Klimasystem der Erde geht, das in den nächsten Jahren droht und dann nicht mehr umkehrbare Rückkoppelungsschleifen auslösen könnte.

Die Energy Watch Group kommt somit zu dem Schluss, dass die deutschen Gaskraftwerke das Klima in etwa so stark schädigen wie Kohlekraftwerke (Quelle: EWG 2019 http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/EWG_Erdgasstudie_2019.pdf ).

Der Anteil und das Potential von Biogas werden in den oben genannten Potsdamer Quellen gleichzeitig überbewertet. Der Anteil von Biogas im Gasnetz entspricht rund einem Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs laut Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (Quelle BDEW 2018 https://www.bdew.de/media/documents/Awh_20190426_Gas-kann-gruen-Potentiale-Biogas.pdf ).

Aufgrund der begrenzten landwirtschaftlichen Anbauflächen besteht hier kein großes Steigerungspotenzial für die Erzeugung von Biogas. Biogas ist also keine Lösung für das Treibhausgasproblem von Autos.

Betrachtet man die Wirtschaft insgesamt und die Notwendigkeit einer schnellen Absenkung der Treibhausgasemissionen auf Netto-Null ergeben sich für Biogas und Gas aus Power-to-Gas aus technischen Gründen andere vorrangige Anwendungen für Flugzeuge, Schiffe, in der Industrie und als Lückenfüller in der Strom- und Wärmeerzeugung. Wertvolles da rares und flexibel einsetzbares Biogas oder Wasserstoff für Autos zu verwenden ist in diesem Zusammenhang Verschwendung. Städte müssen um Energie und Ressourcen zu sparen, aber auch für mehr Lebensqualität autofrei werden. Die wenigen verbleibenden Autos müssen mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Alles dafür technisch Notwendige ist bereits verfügbar und wesentlich energieeffizienter.

 

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