Mitteilungsvorlage - 04/SVV/0041
Grunddaten
- Betreff:
-
Bericht der Ausländerbeauftragten 2003
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Mitteilungsvorlage
- Federführend:
- Oberbürgermeister
- Einreicher*:
- Frau Grasnick
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | PA |
---|---|---|---|---|
●
Erledigt
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|
Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam
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Anhörung
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21.01.2004
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03.03.2004
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Erläuterung
30. Dezember 2003
Jahresbericht der Ausländerbeauftragten 2003
Gliederung:
1. Einleitung
2. Ausländerbeirat
3. Vernetzungen
in der Migrantenarbeit
4. Themenkreis
Asyl
4.1.
Umzug
der Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Asylbewerber aus der Michendorfer Chaussee
in die Kirschallee
4.2.
Umzug
der GU aus der Kirschallee in Lerchensteig
5. Themenkreis
Jüdische Zuwanderung
5.1. Landesaufgabe:
Unterstützung des Gemeindelebens
5.2.
Kommunale
Aufgabe: Integration der Zugewanderten in Potsdam
6. Unterstützung
des Integrationsprozesses
6.1.
Schulpflicht
6.2.
Sprachförderung
7. Interkulturelle
Öffnung der Verwaltung
8. Die
neuen Ortsteile
9. Schlussbemerkung
1.
Einleitung
Das
Jahr 2002 war mit der Vorbereitung auf das Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsgesetzes
auf allen Ebenen der professionellen Ausländerarbeit verbunden. Die
Bundesbehörden haben sich umstrukturiert, wir als Kommune haben uns mit dem
neuen Gesetz vertraut gemacht. Am 18. Dezember 2002 stand dann fest, das Gesetz
kam doch nicht zu Stande. Im Januar 2003 folgte ein Neuanfang. Nun, ein Jahr
später, im Dezember 2003 ist die Fachwelt wieder voller Erwartung, welche
Ergebnisse im Vermittlungsausschuss zum Zuwanderungsgesetz erreicht werden.
Es
gibt auch noch ein weiteres, nicht nur für Migranten[1]
wichtiges Gesetz, das voraussichtlich im Januar 2004 in das
Gesetzgebungsverfahren eintreten wird: das Antidiskriminierungsgesetz.
Es
ist also damit zu rechnen, dass das Jahr 2004 zwei neue, wichtige Gesetze mit
sich bringt. Diese Gesetze haben dann Auswirkungen nicht nur auf die Gestaltung
des Lebens der Zugewanderten, sondern auch auf die Aufgabenbereiche der zuständigen
– teilweise - kommunalen Stellen.
Das
Jahr 2004 bringt auch noch etwas Wichtiges mit sich: die Europäische Union
wird erweitert. Ich betrachte diese Tatsache 15 Jahre nach dem Fall der
Berliner Mauer als ein historisches Ereignis.
Es kommt sicher zu einer Bewegung in der EU. Die Investoren schauen nach Osten, wo die Fördermittel hinfließen werden; viele gut gebildete, junge Menschen schauen aus dem Osten nach Westen, wo sie nun ohne größere Hürden an den Hochschuleinrichtungen studieren können.
In
Potsdam leben bereits seit Jahrzehnten viele Staatsangehörige der neuen
EU-Länder. Für diese Menschen wird nun Wirklichkeit, was sich alle lange in
Potsdam lebenden bleibeberechtigten AusländerInnen wünschen: sie können an den
Kommunalwahlen teilnehmen, sich können selber Stadtverordnete werden. Die
Möglichkeit der Teilnahme an der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2004
ist für viele neue EU-Bürger ein sehr wichtiges Ereignis.
Ich
hoffe sehr, dass die Potsdamer EU-Bürger, sowohl aus den alten als auch aus den
neuen EU-Ländern, den Weg zum Ehrenamt in der Kommunalpolitik finden werden und
sich aktiver als bisher für die Entwicklung der Stadt einbringen.
2.
Ausländerbeirat
Bereits
heute leisten die Mitglieder unseres Ausländerbeirates ein Ehrenamt in der
Kommunalpolitik. Der neue Beirat wurde in diesem Jahr parallel zu den
Kommunalwahlen gewählt. Dieses Gremium ist das „Parlament“ der Potsdamer
Migranten, die nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen. Über das
Entstehen und die Geschichte des Potsdamer Ausländerbeirates und die Ergebnisse
der letzten Wahlen berichtet der Statistische Informationsdienst Nr. 7/2003.
Ich
wünsche unserem Ausländerbeirat, dass sein Engagement, unterstützt durch eigene
Erfahrungen der Mitglieder, Potsdam vorwärts bewegt. Es ist eine sehr wichtige
und wertvolle Struktur für die Landeshauptstadt, ein demokratisch gewähltes
Gremium der Ausländer als Ansprechpartner bei allen ausländerrelevanten
Themen zu haben. Alle Potsdamer, Deutsche und Nichtdeutsche, können von der
ehrenamtlichen Arbeit des Ausländerbeirates profitieren.
3.
Vernetzungen
in der Migrantenarbeit
2003
entwickelten sich mehrere migrantenrelevante Netzwerke in der Stadt. Es
kann über eine große Vielfalt der vorhandenen Netzwerke, mit verschiedenen
Schwerpunkten berichtet werden. Einige dieser Netze haben ihren Kern bei der
Ausländerbeauftragten oder in der Verwaltung, andere sind auf Anregung von
freien Trägern oder der Kirchen entstanden. Die Netzwerke sind Themen- oder
Stadtteilbezogen. Es ist eine positive Entwicklung, dass aus der Zusammenarbeit
der Akteure in der Migrantenarbeit immer mehr städtische Projekte entstehen.
Als
gelungene Produkte der Vernetzung möchte ich einige Beispiele nennen:
Toleranztraining mit Schülern; Schülerprojektjahr zum Thema „Eine Welt und
Entwicklungspolitik“; Jugendforum für zugewanderte Jugendliche;
Alphabetisierungskurs für Migrantinnen; Woche der ausländischen Mitbürger –
Interkulturelle Woche; Projektentwicklung „Nachbarschaftstreff am Schlaatz“;
Studenten unterstützen Flüchtlingsprojekte (Internetcafé mit Schulung für
Flüchtlinge in der Kirschallee; Kinderstunden am Lerchensteig); Länderabende in
der Elfleinstraße; Bornstedter Runde; Ausländer-Gesprächskreis bei der
Sozialbeigeordneten.
Die
Entwicklung von bleibenden, funktionsfähigen Verbindungen unterstützt auch die camino-Servicestelle
für die Umsetzung des Lokalen Aktionsplanes für Toleranz und Demokratie gegen
Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit für die Landeshauptstadt
Potsdam. Camino hat mehrere Werkstattkonferenzen bzw. Gespräche zu
verschiedenen Themenkreisen wie Sport, Verantwortung in der Nachbarschaft,
Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr, Rechtsextreme Aufmärsche &
Demonstrationen und Alltagsrassismus durchgeführt. Ein wichtiges Ergebnis der
AG „Verantwortung in der Nachbarschaft“ ist der Aufbau einer
ehrenamtlichen Nachbarschafts-Konfliktschlichter-Struktur in Potsdam. Mit
Unterstützung der Geschäftsstelle der Sicherheitskonferenz werden ab Januar
2004 ehrenamtliche Konfliktschlichter ausgebildet. Es ist erfreulich,
dass auch Migranten bereit sind, dieses sicher nicht einfache Ehrenamt
anzunehmen. Ich denke, wenn es um die Nachbarschaftsprobleme zwischen
Einheimischen und Zugewanderten geht, kommt es oft zur Ethnisierung von
normalen Alltagsproblemen; eine Vermittlung durch einen ausgebildeten
Schlichter kann die Probleme der Nachbarn selbst, aber auch des Vermieters, der
Polizei oder sogar des Gerichts lösen. Ich hoffe auf den Erfolg der
Nachbarschaftsmediation.
Neben den kommunalen Netzwerken gibt es mehrere überregionale Strukturen, wo die Mitarbeit der Ausländerbeauftragten der Landeshauptstadt Potsdam gefragt ist. In diesen Arbeitsgruppen geht es um die migrantenrelevante Entwicklung im Land Brandenburg. Beispiele dieser Strukturen: Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit; Arbeitsgruppen bei der Erstellung des Landesintegrationskonzeptes; Arbeitsgruppe Jüdische Zuwanderung bei der Ausländerbeauftragten des Landes Brandenburg; Arbeitsgruppe Flüchtlingsfrauen bei der Ausländerbeauftragten des Landes Brandenburg.
4. Themenkreis
Asyl
4.1. Umzug
der Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Asylbewerber aus der Michendorfer
Chaussee in die Kirschallee
Der
Umzug der GU für Asylbewerber aus der Michendorfer Chaussee in die Kirschallee
war langfristig vorbereitet. Diese Vorbereitungszeit war konfliktreich, der
Großteil der Bornstedter lehnte den Zuzug der Asylbewerber in die Kirschallee
ab. Vor und nach dem Umzug gab es
laute Stimmen, es sollen ausschließlich jüdische Zuwanderer in Bornstedt
im Bereich der Kirschallee wohnen.
Inzwischen
hat die Einrichtung der Asylbewerber bewiesen, dass ein freundliches Miteinander mit allen Nachbarn möglich
ist. Der Betreiber der Einrichtung,
die Malteser Betreuung, leistet eine gute Arbeit. Es steht aber fest,
eine Sammelunterkunft ist immer eine Art Ausnahmezustand für deren Bewohner,
egal ob es ein Studentenwohnheim oder ein Wohnheim für Zugewanderte ist. Ich
kann weiterhin meine Zufriedenheit über das Potsdamer Unterbringungskonzept zum
Ausdruck bringen, wonach Familien nach drei Jahren, Einzelpersonen nach fünf
Jahren GU-Aufenthalt in einer Wohnung wohnen dürfen. Diese Jahreszahlen zeigen,
dass viele Asylverfahren sehr lange dauern.
In Berlin gilt seit einiger Zeit die Regelung, dass für die Asylbewerber Studium und Ausbildung nicht mehr verboten sind. Dieser Beschluss der Berliner Innenverwaltung ist damit begründet, dass die Asylverfahren in Berlin durchschnittlich etwa 5 Jahre dauern und diesen Zeitraum sollen die fähigen Asylbewerber für die Bildung nutzen können. So eine Regelung wäre auch für Brandenburg zu begrüßen. Die Bildung vom jungen Zugewanderten kann nur positive Folgen haben, sowohl während des Aufenthalts in Deutschland als auch im Falle einer Rückkehr ins Heimatland. Junge Asylbewerber im Asylverfahren, die in Potsdam nach dem Abschluss der 10. Klasse oder nach dem Abitur nichts mehr tun dürfen, könnten mindestens die Chance haben, bei der Erfüllung von fachlichen, sprachlichen, finanziellen und arbeitserlaubnisrechtlichen Bedingungen nicht als Leistungsempfänger des Sozialamtes, sondern als Azubi oder Student leben zu können.
4.2. Umzug
der GU aus der Kirschallee in Lerchensteig
Der
Umzug der GU für Asylbewerber aus der Kirschallee 6f in das Sozialdorf
Lerchensteig steht entsprechend dem Unterbringungskonzept im Sommer 2004 auf
dem Plan. Die Umsetzung des Unterbringungskonzeptes wird von den Bornstedtern
mit Interesse begleitet. Es finden regelmäßig Zusammenkünfte der sogenannten „Bornstedter
Runde“ im Speisesaal der Foerster-Schule statt, an denen die Akteure vor
Ort (Bornstedter Anwohner, Gemeinschaftsunterkünfte, Sportvereine, Schule,
Polizei, Entwicklungsträger Bornstedter Feld) und die zuständigen Stellen aus
der Stadtverwaltung teilnehmen (nächster Treff: 24. Februar 2004, 18.00 Uhr).
Hier werden Probleme und Fragen der Bürger angenommen oder beantwortet. Auf
diesen Treffen werden immer weniger Probleme im Zusammenhang mit der GU für
Asylbewerber in der Kirschallee angesprochen.
Es kann festgestellt werden, dass die Asylbewerber selbst sehr gern in der Kirschallee bleiben möchten. Hier gibt es eine gute Infrastruktur, eine positive Stimmung und gute Projekte in der Einrichtung selbst und inzwischen ruhige, teilweise sogar positive Nachbarschaftsbeziehungen.
Der
Entwicklungsträger Bornstedter Feld (ETBF) hat das Gelände im Bereich der
beiden Gemeinschaftsunterkünfte (für jüdische Zuwanderer und für Asylbewerber)
in der Kirschallee in diesem Jahr erworben und beschäftigt sich mit dessen
Entwicklung. Es wurde sehr positiv von allen Nachbarn eingeschätzt, dass das
Wohnumfeld durch den Abriss der Kalksandstein-Ruinen aus der Hinterlassenschaft
der Sowjetarmee deutlich verbessert wurde. Die Nachbarn sind jedoch weiterhin
an der Umsetzung des Unterbringungskonzeptes, d.h. an der Schließung der GU für
Asylbewerber im Sommer 2004, interessiert.
Die Verwaltung ist aktiv mit der Umsetzung des Unterbringungskonzeptes beschäftigt. Im Juli 2004 soll das jetzige Sozialdorf Lerchensteig die einzige Potsdamer GU für Asylbewerber werden.
Seit
dem Beschluss des Obdachlosenkonzeptes im Juni 2003 steht fest, dass die
Obdachlosen Potsdams auch in der Nähe des Sozialdorfes bleiben. Diese
Entscheidung bringt sicher nicht die optimale Lösung für die Unterbringung von
sozial schwachen Gruppen in Potsdam, aber scheinbar gab es keine finanziell
leistbare Möglichkeit in unserer Stadt für eine positivere Lösung dieser
Aufgabe. Die Mitarbeiter der beiden Bereiche des Sozialdorfes – Obdachlose und
Asyl - sind engagiert und verfügen über gute berufliche Qualitäten. So bleibt
zu hoffen, dass die in der Zukunft ca. 400 sozial schwachen Personen im
Sozialdorf mit verschiedensten Problemen trotzdem im guten Miteinander leben
werden.
Wie
in der Vorweihnachtszeit mehrere Abgeordnete der Stadtverordnetenversammlung
selber im Sozialdorf Lerchensteig erfahren haben, hoffen die Bewohner immer
noch, dass die Verkehrsverbindung der Einrichtung verbessert wird. Im
Sozialdorf wohnen Menschen, die über keinen Pkw verfügen und voll auf den
Busverkehr angewiesen sind. Vielleicht könnte noch eine logistische Möglichkeit
gefunden werden, mit der ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand die Busse, die
bis zur Haltestelle Abzweig nach Nedlitz im 20-Minuten-Takt fahren, auch das
Sozialdorf passieren. Der 1 km Fußweg von der Haltestelle Abzweig Nedlitz bis
zum Sozialdorf ist – insbesondere abends auf der unbeleuchteten Straße ohne
Straßenrand - sehr gefährlich.
An dieser Stelle möchte ich noch bemerken, dass ich mich sehr darüber freue, dass für die Sozialleistungsempfänger im Verkehrsbund ein Potsdamer Sozialtarif vereinbart werden konnte. Nun ist es möglich, ohne kommunalen Zuschuss eine relativ günstige Monatskarte für Leistungsempfänger des Bereiches Soziales anzubieten. Ich würde begrüßen, wenn in der Zukunft auch ein Sozialtarif für Wochentickets eingeführt werden könnte. Diesen Tarif könnten Sozialleistungsempfänger in Anspruch nehmen, die nicht in einer GU leben, sondern in der Stadt und nicht jede Woche weite Wege, wie z.B. den Gang in die Verwaltung, zu erledigen haben.
Mein
Wunsch für alle Bewohner - sowohl Obdachlose als auch Asylsuchende - des
Sozialdorfes ist, dass sie neben der guten sozialen Betreuung auch gute
Wohnmöglichkeiten und eine gute Verkehrsverbindung erhalten.
5. Themenkreis
Jüdische Zuwanderung
Ganz
eng zu den Potsdamer Ausländern gehören die jüdischen Zuwanderer. Potsdam ist
die Stadt, wo die erste Jüdische Gemeinde im Land Bandenburg nach 1939
gegründet wurde. Alle Mitglieder der Gemeinde kommen als Zuwanderer aus den
Ländern der ehemaligen Sowjetunion im Rahmen der geregelten Zuwanderung nach
Deutschland und werden nach Quoten verteilt. Bei uns ist die Anzahl der
Mitglieder der jüdischen Gemeinde im Land Brandenburg die höchste.
5.1.
Landesaufgabe:
Unterstützung des Gemeindelebens
Ein
grundsätzliches Problem, das mit der Jüdischen Gemeinde der Stadt verbunden
ist, ist das Fehlen der rechtlichen Grundlage der Finanzierung des religiösen
Gemeindelebens. Dieses Problem betrifft nicht die Aufgaben einer Kommune,
trotzdem ist es für unsere Stadt von großer Bedeutung, da Potsdam nach
Beschlusslage die Entwicklung des jüdischen Lebens unterstützen möchte. Die
Stadt hat viel geleistet in den vergangenen Jahren auch für die Unterstützung
des Gemeindelebens der Jüdischen Gemeinde Potsdam.
Die
neuen Strukturen der Landesgemeinde klären sich sehr langsam. Das zuständige
Ministerium des Landes Brandenburg, selbst die Ministerin Wanka, bemüht sich
sehr um die Regelung der Funktionsfähigkeit der Landesgemeinde. Ein Entwurf des
Staatsvertrages ist seit Mai 2003 vorhanden.
Ich
hoffe sehr, dass der Staatsvertrag zwischen dem Land Brandenburg und der
Jüdischen Gemeinde Land Brandenburg 2004 geschlossen wird. In diesem Falle wäre
die Unterstützung des religiösen Lebens aller jüdischen Gemeinden im Land
gelöst, d.h. die Gemeinden wären in der Lage für Ihre Räumlichkeiten die Kosten
zu tragen und die notwendigen Personalkosten zu decken. Die Gemeinde braucht
unaufschiebbar jetzt Unterstützung, damit sich dort die demografischen
Strukturen, als Grundlage für die Zukunftsfähigkeit des Gemeindelebens,
entwickeln können.
Es
wäre sehr zu begrüßen, wenn der Aufbau der neuen Potsdamer Synagoge
Wirklichkeit werden könnte. Es ist sehr positiv, dass bereits ein Förderverein
zu diesem Zwecke gegründet ist und dass der Standort an einem würdigen Ort
neben der alten Stadtmauer feststeht.
Sehr positiv wird die Arbeit unserer jüdischen Gemeinde durch die „Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit“ und den Verein „Begegnung – Dialog – Toleranz“ unterstützt.
5.2.
Kommunale
Aufgabe: Integration der Zugewanderten in Potsdam
Die wichtigste kommunale Aufgabe im Zusammenhang mit der jüdischen Zuwanderung ist die Integration dieser Menschen in das städtische Leben. In Potsdam gibt es ein Übergangswohnheim für die jüdischen Zuwanderer, wo sie die ersten Monate nach der Ankunft verbringen können. Hier erfahren die Zuwanderer eine intensive soziale Betreuung, ehe sie in der Stadt innerhalb von 6 Monaten nach der Ankunft eine Wohnung finden sollen.
Die
jungen Zugewanderten zeigen einen hohen Grad der schnellen Integration. Es gibt sehr gute Schüler unter den jüdischen
Zuwanderern. Mit Problemen der Integration kämpfen die mittlere und die
ältere Generation. Der Spracherwerb, die Berufsanerkennung, die
Arbeitssuche sind schwere Aufgaben, die nicht immer erfolgreich verlaufen. Die
Senioren bemühen sich auch Deutsch
zu lernen, Kontakte zu Deutschen aufzunehmen. Inzwischen gibt es auch aus der
Mitte der jüdischen Zuwanderer eine aktive Mitarbeit im Seniorenbeirat.
Auch
die Zentrale Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWSt) ist eine
wichtige Adresse in Potsdam bei der Integration von jüdischen Zuwanderern.
Das Land Brandenburg finanziert unter der Trägerschaft dieser Wohlfahrtsstelle
eine überregionale Beratungsstelle. Wir sind in der glücklichen Lage, dass sich
diese Beratungsstelle in Potsdam befindet, so können die jüdischen Zuwanderer
hier direkt, ohne längere Fahrtwege, Unterstützung und Rat holen.
Unter der Trägerschaft der ZWST hat ab dem 1. September 2003 das Kultur-, Integrations- und Begegnungszentrum, kurz „KIBuZ“, seine Arbeit aufgenommen. Hier will sich die Wohlfahrt neben der Erfüllung der klassischen Wohlfahrtsaufgaben auch um die Öffnung der Potsdamer jüdischen Gemeinschaft in Richtung der Potsdamer Bevölkerung kümmern. Diese Stelle möchte eine Begegnungsstätte zwischen Einheimischen und Zugewanderten werden. Ich hoffe, dass diese Zielsetzung umgesetzt werden kann und viele Potsdamer den Weg in das KIBuZ finden werden.
6. Unterstützung
des Integrationsprozesses
Zur
Integration gehören zwei: der Mensch, der als Fremder ankommt, und die
Gesellschaft, die dieser Mensch hier, im für ihn neuen Land, vorfindet. Wenn
beide Seiten bereit sind, unter willigem, positivem Vorzeichen aufeinander
zuzugehen, kann eine erfolgreiche Integration erwartet werden. (Fachleute
meinen, in der Regel braucht ein Mensch im Ausland 3 Jahre, um dort voll und
ganz „anzukommen“, d.h. integriert zu werden.)
6.1.
Schulpflicht
In
Brandenburg besteht positiver Weise für alle Kinder und Jugendliche,
unabhängig von der Staatsangehörigkeit und
Aufenthaltsgrund, Schulpflicht. Die ausländischen Schüler, die nicht mit 6
Jahren in Deutschland eingeschult werden, erhalten bis zu zwei Jahren nach der
Einreise die Möglichkeit, wöchentlich mit 1 Stunde „Deutsch als Fremdsprache“
gefördert zu werden.
Potsdam
hat die logistische Möglichkeit einer kreisfreien Stadt genutzt: die
Förderstunden „Deutsch als Fremdsprache“ werden an zwei Schulen für alle
förderberechtigten Schüler gesammelt. So können über das ganze Schuljahr in
Potsdam Deutsch-Förderklassen für „Seiteneinsteiger“-Schüler laufen. Egal, wann
ein junger, schulpflichtiger Mensch aus dem Ausland nach Potsdam kommt, er kann am nächsten Tag die
Schule besuchen, d.h. in eine Klasse gehen, wo ein Intensivkurs „Deutsch als
Fremdsprache“ angeboten wird. Dieses Modell findet man in Potsdam für die
Grundschulkinder in der Foerster-Schule, für die Jugendlichen ab der 7. Klasse
in der Marie-Curie-Gesamtschule. Die Lehrkräfte dieser Klassen stellen dann im
Laufe der Zeit fest, wann der Schüler sprachlich in eine Regelklasse in der
wohnortnahen Grundschule oder in der gewünschten weiterführenden Schule
wechseln kann.
Zur
Zeit steht die vorübergehende Schließung der Marie-Curie-Gesamtschule auf dem
Schulentwicklungsplan. Falls es zu diesem Beschluss käme, würde dies bedeuten,
dass die stadtübergreifenden Vorbereitungskurse für die Sekundarstufe ab dem
Schuljahr 2005/06 in eine andere Schule verlegt werden müssten. Ich hoffe, dass
die pädagogischen Erfahrungen des Lehrerkollegiums der Marie-Curie-Schule durch
eine mögliche Schulschließung nicht verloren gehen und kein Bruch im
Unterricht „Deutsch als Fremdsprache“ in Potsdam eintritt.
6.2.
Sprachförderung
Zur Zeit erhalten in Deutschland die Spätaussiedler und die jüdischen Zuwanderer einen 6monatigen Deutschkurs nach der Einreise, wenn sie sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Asylberechtigte, die nach dem Grundgesetz anerkannt werden, werden auch gefördert. Den Auftrag für die Durchführung dieser sog. Eingliederungskurse erteilt das Arbeitsamt.
Der Bund hat mit Mitteln des sog. Garantiefonds zusätzlich außerschulische Maßnahmen für die Integration von jungen Spätaussiedlern, jüdischen Zuwanderern und Asylberechtigten (nur nach dem Art. 16 a Grundgesetz) gefördert. Diese Mittel werden ab Januar 2004 leider nicht mehr ausgereicht.
Es
steht fest: die Kenntnis der deutschen Sprache muss für jeden Einwanderer als
Nr. 1 auf der Lebenswegplanung stehen. Es müssten alle bleibeberechtigten
Migranten Deutsch lernen. Die Unterstützung des Staates ist eine positive
Sache; aber es muss auch allen Zugewanderten klar sein, dass sie sich ohne die
Kenntnis der deutschen Sprache nicht integrieren können und sie auf dem
Arbeitmarkt im deutschsprachigen Raum nur schwer vorwärts kommen können.
Der
Großteil der Zugewanderten muss sich selber um die Möglichkeiten des
Spracherwerbs kümmern. Es ist eine große konkrete Hilfe in Potsdam, dass die
Volkshochschule recht gute und bezahlbare Kurse „Deutsch als Fremdsprache“
anbietet.
In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass ich sehr beeindruckt war, als der Inhaber der Gaststätte Lehmofen zum 5jährigen Jubiläum seines Restaurants eine Tombola für die Finanzierung von Sprachkursen für Potsdamer bedürftige Ausländer durchgeführt und die Einnahmen zu diesem Zweck gespendet hat.
Es
kann festgestellt werden, dass die Begleitung der Integration der
Einwanderer eine Professionalisierung braucht. Jeder Mensch hat
verschiedene Fähigkeiten und Pläne, wenn er in Deutschland ankommt. Es müssten
die Angebote da sein, die gebraucht werden. (Ein Deutschlehrer aus Russland
müsste nicht zum Besuch des Eingliederungskurses verpflichtet werden nur
deshalb, weil das Arbeitsamt für 6 Monate den Unterhalt zahlt.)
Das
Zuwanderungsgesetz, falls ein Teil davon für den Bereich der Integration in
Kraft treten sollte, bietet hoffentlich die Möglichkeit für eine bedarfsorientierte
Sprachförderung, sowie eine Integrationswegplanung für alle
Zugewanderten. Ich würde mich freuen, wenn endlich auch Flüchtlinge nach
der Genfer Konvention bei der Integration gefördert werden könnten. Für die
Kommune wäre es hilfreich, wenn die Sprachkurse für die bleibeberechtigten,
sozial schwachen Einwanderer größten Teils aus Bundesmitteln finanziert werden
könnten.
7.
Interkulturelle
Öffnung der Verwaltung
Im
Jahr 2003 gab es mehrere Erörterungen in verschiedenen Fachgremien zum Thema
der interkulturellen Öffnung der Verwaltung. Meine Alltagserfahrung, die ich
aus konkreten Situationen gesammelt habe, bestätigt, dass die Zeit reif ist,
auch in unserer Verwaltung deren interkulturelle Öffnung anzugehen. In der
ersten Phase könnten praktische Maßnahmen durchgeführt werden:
-
Hausinterne
Fortbildungen im Ausländerrecht (Zuwanderungs-, Integrationsrecht je nach der
künftigen Rechtslage) für MitarbeiterInnen, die in leistungsgewährenden
Bereichen arbeiten. Diese Schulungen könnte unsere Ausländerbehörde
durchführen.
-
Die Sprachkenntnisse
der Mitarbeiter könnten durch den Besuch von VHS-Sprachkursen verbessert
werden.
-
Russische und englische
Beschilderung in den Häusern der Verwaltung könnte von Vorteil sein.
-
Es wäre zu prüfen, ob
eine (zuverlässige, dem Datenschutz verpflichtete) russisch-englisch sprechende
Arbeitskraft (mit einer nichtkommunalen Personalkosten-Finanzierung) die Arbeit
des Bereiches Soziales und Wohngeld als Springer-Dolmetscher unterstützen
könnte. (Eine ehrenamtliche Struktur der Begleitung einer nicht deutsch
sprechenden Klientel greift leider nicht in jedem Fall.)
In
einer nächsten Phase sollten Mitarbeiterschulungen mit komplexen
Fortbildungsprogrammen zum Thema „Interkulturelle Öffnung der Verwaltung“
angeboten werden.
Langfristig
könnte die Personalplanung der Verwaltung auch mit einem Blick auf den
Migrationshintergrund der Angestellten erfolgen, z.B. bei der Auswahl der
Auszubildenden.
8.
Die
neuen Ortsteile
Die
Eingemeindungen der neuen Ortsteile bringen eine Bereicherung und
interessante, neue Aufgaben auch im Migrantenbereich mit sich. In Golm
wohnen zahlreiche ausländische Studenten und Wissenschafter, in Groß Glienicke
und Fahrland leben viele deutsche Spätaussiedler und deren nichtdeutsche
Familienangehörige.
Erfreulich ist, dass durch den Wissenschaftsstandort Potsdam immer mehr hoch qualifizierte Menschen in unserer Stadt leben und den guten Namen Potsdams in die Welt hinaus tragen. Unsere Ausländerbehörde ist sehr bemüht, die notwendigen bürokratischen Handlungen auch für diese Gruppe schnell und professionell zu erledigen - auch wenn feststeht, dass die Sprache der Wissenschaft nicht mit der Amtsprache in Deutschland übereinstimmt.
In
Potsdam lebten bisher nur wenige Spätaussiedler (bedingt durch die gemeinsame
Aufnahmequote mit den jüdischen Zuwanderern). In Fahrland und Groß Glienicke
wohnen ziemlich konzentriert viele - generationsübergreifende –
Spätaussiedler-Familien. In den beiden Ortsteilen gibt es Einheimische vor Ort,
die Interesse an der Kontaktpflege mit Spätaussiedlern zeigen. Es ist
erfreulich, dass in Groß Glienicke eine Spätaussiedlerin als
Ortsbeiratsmitglied kandidiert hat.
Die
Unterstützung der Integration der Spätaussiedler und deren nichtdeutschen
Familienangehörigen sehe ich als eine sehr wichtige kommunale Aufgabe an. Mit
mehreren Akteuren vor Ort haben wir bereits konkrete Pläne für die
Intensivierung der Kontaktpflege mit den Spätaussiedlern aufgestellt.
9. Schlussbemerkung
In
meinem Bericht habe ich die wichtigsten migrantenrelevanten Themen des Jahres
2003, in der Regel verbunden mit Aufgaben für das nächste Jahr, dargestellt.
Nicht alle Bereiche meiner Arbeit (z.B. Entwicklung des Betreuungskonzeptes;
Opfer von rechter Gewalt) habe ich angesprochen.
Für
das Jahr 2004 wünsche ich eine gute und anregende Zusammenarbeit mit der neuen
Stadtverordnetenversammlung und den Ortsbeiräten. Ich würde mich sehr freuen,
wenn die Damen und Herren Abgeordnete und Ortsbeiratsmitglieder ihre
migrantenrelevanten Fragen, Ideen und Bedenken mit der Ausländerbeauftragten
erörtern würden.
Magdolna
Grasnick
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit des Berichts verwende ich nur die männliche Form der Substantive