Mitteilungsvorlage - 00/SVV/0619

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Erläuterung

Die Stadtverordnetenversammlung nimmt die Stellungnahme zur DS 99/0181/1 zur Kenntnis:

Zwangsarbeit und Zwangsarbeiter in Potsdam 1939 bis 1945
l. Gesamtsituation         

Schätzungsweise arbeiteten während des Zweiten Weltkrieges ca. 11,3 Millionen ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge im Deutschen Reich. Diese drei Gruppen werden unter dem Oberbegriff „Zwangsarbeiter"  zusammengefaßt.   Für  sie  galt,   dass  sie  in   Lagern   untergebracht waren,   sie  ihr Arbeitsverhältnis nicht lösen konnten und außerhalb ihrer Heimatländer eingesetzt wurden. In Notfällen bestand für sie kein soziales Netz, über das dienstverpflichtete deutsche Arbeitskollegen verfügten. 

Als 1936 durch die Rüstungskonjunktur Vollbeschäftigung im Deutschen Reich erlangt wurde, ließ das Regime in zunehmendem Maße Ausländer in Land, obwohl erhebliche ideologische Bedenken bestariden. Je länger der   Krieg  jedoch   andauerte,   desto   mehr  wurden   die   Machthaber  durch die   Anforderungen   der Rüstungsproduktion gezwungen, diese Bedenken fallen zu lassen.

Der Konflikt zwischen ideologischen Rassevorstellungen und rüstungswirtschaftlicher Notwendigkeit wurde anfänglich gelöst, indem 1939 die Tschechen als Bewohner des Protektorats Böhmen und Mähren zu Inländern zweiter Klasse erklärt wurden. Hinsichtlich der polnischen Arbeitskräfte wurde ein Sonderrecht geschaffen, die sogenannten Polenerlasse, die starke Diskriminierung beinhalteten. (1)

Etwas günstiger gestaltete sich das Schicksal der Westarbeiter aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden.

Da die deutsche Außenpolitik ein Großeuropa unter Einschluß dieser Länder plante, war die Behandlung dieser Arbeitskräfte besser. Sie erhielten oftmals vollen Lohn und konnten sich ihre Quartiere außerhalb der Lager suchen.

Die anfänglichen militärischen Erfolge brachten immer mehr Kriegsgefangene nach Deutschland. Um diese besser in den Arbeitsprozess eingliedern zu können, wurden besonders Polen, Franzosen und Niederländer in den Zivilstatus überführt (2)

Am  menschenunwürdigsten  wurden  sowjetische  Kriegsgefangene  behandelt.  Sie wurden zunächst  in frontnahen Lagern interniert und dort dem Hungertod ausgesetzt Erst Ende Oktober 1941 wurde entschieden, auch sowjetische Kriegsgefangene zur Arbeit im Reich einzusetzen.

Ähnlich menschenverachtend als vermeindliche Verräter wurden die Italiener nach dem Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten im Spätsommer 1943 behandelt. Als größte Einzelgruppe kamen seit Frühjahr 1942 die „Ostarbeiter" ins Deutsche Reich. Zu ihnen gehörten Ukrainer, Russen und Weißrussen. Sie erwartete ausnahmslos harte Arbeit in der Industrie, schlechte Ernährung und Kleidung, Unterbringung in Lagern bei lächerlichem Lohn. (3)

Als der Krieg an der Ostfront immer mehr Einberufungen deutscher Arbeitskräfte notwendig machte, wurden ab 1942 zunehmend KZ-Häftlinge als letzte Arbeitskraftreserve eingesetzt.

Die deutsche Industrie war aktiv am Zwangsarbeiterprogramm beteiligt. Die Nachkriegszeit im Blick wurde versucht, durch Rüstungsaufträge Sachkapital zu akkumulieren, auch wenn das nur durch Ausnutzung von Zwangsarbeitern möglich war.

Andererseits sahen sich die Unternehmen wegen der steigenden Zahl der Einberufungen von Fachkräften genötigt, bei den Arbeitsämtern Arbeitskräfte anzufordern, auch wenn ersichtlich war, dass nur noch unfreiwillige Arbeitskräfte vorhanden waren. Maschinen unbesetzt zu lassen wäre jedoch weder von der Rüstungsbürokratie noch von der Gestapo toleriert worden. Den Betrieben wurde hinsichtlich der Behandlung der Zwangsarbeiter ein weiter Spielraum gelassen, so dass das Spektrum von skrupelloser Ausbeutung bis zu verständnisvoller Rücksichtnahme reichte.

II. Beteiligung der Potsdamer Industriebetriebe am Zwangsarbeiterprogramm

Potsdam als typische Militär- und Beamtenstadt verfügte kaum über industrielle Ansiedlungen. Das änderte sich erst mit der Eingliederung der Stadt Babelsberg und umliegender Gemeinden, wodurch Potsdam bevölkerungsmäßig zur Großstadt avancierte. Babelsberg verfügte schon seit Jahrzehnten über ein beachtliches Industriepotential. Vorhandene Unternehmen wurden in die Aufrüstung und Kriegsproduktion einbezogen, neugegründete Firmen arbeiteten vorwiegend für den militärischen Bedarf im weitesten Sinne. Fast drei Viertel der industriellen Arbeitskräfte waren in anerkannten wehrwirtschaftlichen Betrieben tätig.

Zu den größeren Betrieben zählten die Arado-Flugzeugwerke, Orenstein & Koppel (ab 1940 Maschinenbau und Bahnbedarf AG), Frieseke & Höpfner Verbundglas GmbH, die Aluminium-Präzisionsguß AG, Kunstseidenfabrik Glissa und nicht zuletzt die UFA. Auch kleinere Betriebe und Werkstätten wie Wollmershäuser & Gurth, Greifeidt & Cie., Stollenwerk und Mechanoptik in Babelsberg sowie Koppen & Co. in Potsdam und die Armaturenfabrik Luipold Schott in Born waren in das Rüstungsprogramm integriert. (4)

Wie im gesamten Reichsgebiet konnten auch die Potsdamer Betriebe mit zunehmender Kriegsdauer die Produktion nur noch mit einer entsprechend immer höheren Zahl von Arbeitskräften aus den annektierten und okkupierten Ländern aufrecht erhalten. Die größeren Produktionsstätten errichteten vor allem in den Jahren 1942 bis 1944 eigene Lager, kleinere Betriebe, soweit keine eigenen Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden waren, erhielten ihre Arbeitskräfte über das Arbeitsamt aus diesen Lagern zugewiesen.

Aus einer Statistik über zivile ausländische Arbeitskräfte in den Arbeitsamtsbezirken des Landesarbeitsamtes Brandenburg vom 31. Juli 1943 geht hervor, dass im Arbeitsamtsbezirk Potsdam insgesamt 17.145 ausländische Arbeitskräfte, davon mehr als ein Drittel Ostarbeiter beschäftigt waren. (5)

    3

Über die konkreten Arbeitsbedingungen in den Potsdamer Betrieben geben die vorhandenen Quellen nur unzureichende Auskunft. Auch die wenigen Berichte von Zeitzeugen schweigen sich meist über die Arbeitsbedingungen aus. Die allgemeine Arbeitszeit für Männer betrug wöchentlich 62 bis 63 Stunden, bei vordringlichen Aufträgen bis zu 69 Stunden. Bei Frauen und Jugendlichen war die Arbeitszeit bis Mai 1944 auf 56 Stunden festgelegt, eine 60 bis 66 stündige Wochenarbeitszeit wurde für später angestrebt. Selbst Jugendliche unter 18 Jahren mussten 48 Stunden pro Woche arbeiten. (6)

Die medizinische Versorgung erfolgte bis 1943 in den normalen Stationen des städtischen Krankenhauses. Danach wurde eine gesonderte Baracke für die Versorgung der Fremdarbeiter auf dem Krankenhausgelände errichtet. Einlieferungsgründe für eventuelle Arbeitsunfälle waren vornehmlich Brüche und Schnittverletzungen, die auf einen generell niedrigen Arbeitsschutz zurückgeführt werden können, aber auch auf die fehlende Qualifikation der Arbeitskräfte für bestimmte Arbeiten hinweisen. (7)

III.     Zwangsarbeit in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens

Einige wenige erhaltengebliebene Quellen im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam und im Stadtarchiv Potsdam lassen den Schluss zu, dass das gesamte öffentliche Leben der Stadt nur unter verstärkter Einbeziehung von ausländischen Arbeitskräften aufrecht erhalten werden konnte. Landwirtschaftliche Betriebe im eingemeindeten Umland von Potsdam wurden ebenso mit Ausländern bewirtschaftet wie sich auch die beiden Forstämter in Potsdam ausländischer Arbeitskräfte bedienten. (8) Beide Bereiche pflegten einen regen saisonbedingten Austausch von Arbeitskräften. Waren die Zwangsarbeiter bei der Frühjahrsbestellung und Ernte vorwiegend in der Landwirtschaft eingesetzt, wurden sie zum winterlichen Holzeinschlag zur Forstwirtschaft umgesetzt.

Periodische Erhebungen zur Arbeitskräftebilanz in verschiedenen Industriebranchen in der Zeit von________

1941 bis 1945 geben auch darüber Auskunft, dass fast ausnahmslos Handwerker aller Gewerke Ausländer und Kriegsgefangene beschäftigten. Leider läßt sich mit den vorhandenen Unterlagen lediglich die Anzahl der beschäftigten Ausländer und der jeweilige Handwerksbetrieb bestimmen. Aussagen über Namen, Nationalität und Art der Unterbringung sind nicht möglich. (9)

Vollständigkeitshalber muß noch darauf hingewiesen werden; dass auch in Potsdam angesiedelte
Teile zentraler Behörden und Einrichtungen, wie das RAW, das Reichsbahnbetriebswerk Potsdam, die
Deutsche Post, die Verwaltung der Schlösser und Gärten oder das DRK vom Fremdarbeitereinsatz
profitierten.                              

Eine nicht mehr festzustellende Zahl von Ausländern war auch in privaten Haushalten als Hausangestellte, Gärtner usw. beschäftigt.

IV.     Zwangsarbeit und öffentlicher Dienst

Der öffentliche Dienst War nicht nur Nutznießer der Zwangsarbeit, er war in seinem Territorium auch

Mitorganisator des Systems der Zwangsarbeit.

Die bisher zugänglichen Quellen lassen nur eine sehr verbale Einschätzung der Gesamtsituation zu.

Generell kann festgestellt werden, dass besonders in den städtischen Betrieben, wie Gas- und

Elektrizitätswerke, Wasserversorgung und besonders Verkehrsbetriebe ausländische Arbeiter

eingesetzt wurden. Dabei war es offensichtlich die Regel, für die mehr oder weniger qualifizierten

Arbeiten die sogenannten Westarbeiter, für alles andere Ostarbeiter zu verwenden. Der städtische

Verkehrsbetrieb Potsdam beispielsweise setzte als Straßenbahnfahrer hauptsächlich Niederländer ein,

während in der Wagenwäsche vorwiegend Polen, Russen und Ukrainer tätig waren.

Auch bei der Garten- und Friedhofsverwaltung wurden zeitweise Polen und Ukrainer beschäftigt, bei

Bedarf wurden diese auch in andere Bereiche des Magistrats, zum Beispiel das Liegenschaftsamt,

umgesetzt. (10)

Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte durch den Magistrat Potsdam muß aber wesentlich

umfangreicher gewesen sein, als die nur fragmentarisch erhalten gebliebenen Dokumente aussagen.

Davon zeugt ein in eigener Verantwortung geführtes Arbeitslager in der Wiesenstraße gegenüber der

ehemaligen Eisfabrik Fix.

Die aktive Rolle des Magistrats Potsdam im System der Zwangsarbeit zeigt sich darin, dass der l.

Nachtragshaushaltsplan der Stadt Potsdam für das Rechnungsjahr 1942 unter dem Posten

Gesundheitswesen, Krankenhaus Potsdam 37.000 RM für die Aufstellung und Einrichtung einer

Baracke für Ausländer und 65.000 RM für eine Baracke zur Unterbringung von 100 sogenannten

Zivilrussen vorsah, Ebenso für das Rechnungsjahr 1943 wurden zusammen 115.000 RM für die

Aufstellung einer Massivbaracke im Gemeinschaftslager an der Wiesenstraße sowie einer

Kriegsgefangenen-Baracke ebenfalls an der Wiesenstraße bewilligt. (11)

Genehmigungen für den Bau von Baracken und die Errichtung ganzer Barackenlager mußten nach

Antragsstellung durch die Betriebe bei der städtischen Baupolizei eingeholt werden. Auch die

Abnahme der Gebäude erfolgte durch diese Einrichtung. In der Regel erfolgte die Zustimmung und

 .          '                                   4

Abnahme in Potsdam problemlos, es sei denn, aus feuerpolizeilichen oder luftschutztechnischen Gründen wurden wesentliche Mängel festgestellt. (12)

Entsprechend einer Verfügung des Oberbürgermeisters der Stadt Potsdam vom 31.03.1943 wurde zur einheitlichen Überwachung und Fortentwicklung des Unterkunftswesens für die ausländischen Arbeitskräfte ein im Magistrat angestellter Oberbaurat eingesetzt. Auch stillgelegte Geschäftsräume sollen in zunehmendem Maße zur Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte genutzt werden. Zwar sei hierfür die Preisbehörde federführend, die Prüfung der Eignung von Räumen sowie deren spätere Betreuung und Beaufsichtigung wurde jedoch ebenfalls dar Kompetenz des Oberbaurates unterstellt. Die Begründung dieser Maßnahme zeigt den Geist, der sich nach den Vorstellungen des damaligen Oberbürgermeisters Friedrichs im Magistrat durchsetzen sollte. Es gehöre „zum Charakter des totalen Krieges,...,... ein großes Ausländerarbeitwesen mit allen Konsequenzen" zu schaffen. „Zucht, Ordnung, Arbeitsdisziplin, Sitte sind, je größer dieses Gebilde anschwillt, nur dann gewährleistet, wenn auch die Stadtführung hier Pflichten sieht und einen Verantwortungsträger einschaltet." Weiter unten in der Verfügung heißt es: „ Für meine Verwaltung ist es notwendig, dass jede Dienststelle, die ausländische Arbeitskräfte braucht, weiß, wer die Verantwortung trägt und an wen man sich zu wenden hat." (13)

Welche Bedeutung dem Arbeitseinsatz der Ausländer beim Magistrat beigemessen wurde, geht aus einer weiteren Verfügung des Oberbürgermeisters vom 3. August 1943 hervor, nach der alle Dienststellen jeden Sonnabend zahlenmäßig nach Nationen getrennt die beschäftigten Ausländer zu melden haben. (14)    Leider sind diese Meldungen nicht erhalten geblieben.

V,     Zwangsarbeiterlager in Potsdam

Abhängig von den wirtschaftlichen Bedürfnissen und den territorialen Gegebenheiten gab es vier Grundarten von Lagern: Großlager, betriebseigene Wohnbaracken, Gasthaussäle bzw. aridere stillgelegte geeignete Geschäftsräume und betriebseigene Heime. (15)

Eine mögliche

Belegungsstärke von 10 Personen war nach damaliger Auffassung ausschlaggebend für die

Anwendung des Lagerbegriffs. (16)

In den Großlagern und den betriebseigenen Wohnbarackenlagern waren vornehmlich Polen, Ostarbeiter und aus den Balkanländern stammende Zivilarbeiter untergebracht, während

Gasthaussäle oder ähnliche Räumlichkeiten den Westarbeitern vorbehalten blieben.

In Potsdam gab es nach bisherigen Erkenntnissen Mitte 1943 ca. 60 solche Lager, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt waren. (17)

Ob sich diese Zahl zum Ende des Krieges hin noch  vergrößerte, kann wegen fehlender Quellen nicht beurteilt werden. Den Charakter eines Großlagers hatte in Potsdam lediglich das Arbeiterdurchgangslager Rehbrücke. Ende 1941/Anfang 1942 für ca. 1.200 Personen geplant, waren im August 1942 sämtliche Baulichkeiten gerichtet und eingedeckt, so dass die Inbetriebnahme im Herbst 1942 erfolgen konnte,     (18)

In diesem Lager nahm auch ab 01.11.1943 eine polizeiliche Erfassungsdienststelle ihre Tätigkeit auf. Erst nach erkennungsdienstlicher Erfassung wurden die Ausländer, besonders die Italiener, auf andere Lager verteilt (19)     

Über die größten betriebseigenen Lager verfügte die Maschinenbau und Bahnbedarf AG, die hauptsächlich für das Reichsluftfahrtministerium produzierenden Arado-Flugzeugwerke und die Fa. Frieseke & Höpfner sowie die Universum-Film-AG (UFA).

Verfügte die Maschinenbau und Bahnbedarf AG bereits 1942 über ein Zivilarbeiter- und ein

Kriegsgefangenenlager mit einer Kapazität von je 500 Personen an der Grünstraße, wurde im Rahmen der Lagerbauaktion. 1943 ein weiteres Zivilarbeiterlager mit ca. 950 Plätzen ah der Ahornstraße errichtet. (20)

Der Bau eines weiteren Lagers wurde noch Ende 1944 geplant, wegen Materialmangels

kam es jedoch nicht mehr zur Ausführung. (21)

Auch das Stammwerk ßabelsberg der a. Frieseke & Höpfner errichtete im Laufe des Jahres 1942 zwei

Barackenlager in der Großbeerenstraße 215/219 und 235/237 für zusammen ca. 700 Arbeitskräfte. (22)

 Die in diesem Fall überlieferten Lageskizzen ermöglichen einen Eindruck vom Aufbau solcher Lager (Anlage l und II). Aufgrund unterschiedlicher Lagebezeichnungen muß davon ausgegangen werden, dass auch die Arado-Flugzeugwerke über mehrere Lager verfügten. Ein ganzer Komplex befand sich an der Straße Arri Brunnen südöstlich das Neuen Friedhofs, ein anderes Lager war auf der anderen Seite der Heinrich-Mann-Allee auf dem ehemaligen Kleinen Exerzierplatz (Sporthalle, ehemaliges Jugendfreizeitzentrum) angesiedelt.

Das Lager der UFA befand sich beim Sportplatz an der Sandscholle.

Im Rahmen dieser Studie würde es zu weit führen, auf die vielen kleineren Lager einzugehen. Oftmals fehlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesicherte Angaben über die genaue Lage, den Trägerbetrieb, die Lagerkapazität und die jeweils untergebrachten Nationalitäten. (23)

VI.     Quellenlage zur Zwangsarbeit in Potsdam

Die Ausführungen stützen sich im wesentlichen auf schriftliche Unterlagen, die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam (BLHA) und im Stadtarchiv Potsdam aufbewahrt werden. Insgesamt

5

ergeben diese Dokumente jedoch kein vollständiges und in sich stimmiges Bild vom tatsächlichen
Ausmaß des Zwangsarbeitereinsatzes in Potsdam und den katastrophalen Lebens- und
Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter selbst. Vieles wird zu ergänzen oder zu korrigieren, manches 
wird wahrscheinlich nie mehr zu rekonstruieren sein.
                       .

Die Überlieferungslage auf der mittleren Administrationsebene, dem ehemaligen Regierungsbezirk Potsdam, ist hinsichtlich der kreisfreien Stadt Potsdam mangelhaft und nur fragmentarisch erhalten. Die Unterlagen der Landesbehörden lassen nur unvollkommen Schlüsse auf die konkrete Situation in Potsdam zu. Untersetzt werden müßten die zum größten Teil verallgemeinerten Darstellungen durch Berichte, Einschätzungen, Statistiken usw. Der lokalen Behörden, die in die Zwangsarbeiter­problematik integriert waren. Das ist jedoch bezüglich der Stadt Potsdam nicht möglich. Fast das gesamte Schriftgut des Magistrats Potsdam wurde offenbar Opfer einer stabsmäßig geplanten Vernichtungsaktion des ehemaligen nationalsozialistischen Oberbürgermeisters, der Rest wurde durch die Kriegseinwirkungen oder unsachgemäße Lagerung in den ersten Nachkriegsjahren vernichtet. Möglichkeiten zur Ergänzung vorliegender Erkenntnisse dürften dennoch bestehen. Aus den Akten des BLHA geht hervor, dass eine sehr regelmäßige Berichterstattung bezüglich der Zwangsarbeiterproblematik von unten nach oben erfolgte. Viele Berichte, statistische Ermittlungen usw. Bis hin zu Lageplänen und Bauzeichnungen wurden durch die mittlere Verwaltungsebene lediglich an die Zentralbehörden weitergeleitet. Demzufolge sind die in Frage kommenden Bestände im Bundesarchiv unbedingt zur Ergänzung auszuwerten.

Weitere Mosaiksteine dürften in den Betriebsarchiven derjenigen Betriebe und Einrichtungen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben bzw. deren Nachfolger zu finden sein. Z. B. existiert im BLHA ein   Bestand zu den Arado-Flugzeugwerken, in den Archiven der Deutschen Post oder der Deutschen Bundesbahn könnten sich ebenfalls aufschlußreiche Dokumente befinden. Bekannt ist auch, dass der Verkehrsbetrieb Potsdam in seinem Archiv eine Abteilung mit Schriftverkehr vor 1945 besitzt. Auch eine weitere gründliche Auswertung der bereits eingesehenen Bestände, besonders des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, die den Rahmen dieser Kurzstudie gesprengt hätte, wird sicherlich noch eingehendere Erkenntnisse in Detailfragen erbringen.

VII. Anmerkungen

(1)   Entsprechende Erlasse, Verordnungen, Besprechungsprotokolle und Erfahrungsberichte vor allem
in: BLHA, Pr. Br.Rep. 2 A, l Pol. Nr. 2890 bis 2893.

(2)   BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Pol. Nr. 2890, Bl. 186 ff, 288.

(3)   BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Pol. Nr. 2891, Bl. 176; BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Pol. Nr. 2894, Bl. 8, 22,
217/218, 235 ff.

(4)   Vgl. Almuth Püschel, „Es gibt verschiedene Erinnerungen, meistens sehr schwere ..."   
Fremdarbeiter in Potsdam-Babelsberg

(5)   In der kreisfreien Stadt Brandenburg betrug diese Zahl 32.5S5. Die Zahlen wurden einer Statistik
entnommen, die veröffentlicht ist in: Helmut Bräutigam, Fremdarbeiter in Brandenburg in der NS-
Zeit, Interkulturelle Beiträge Heft 17, Schriftreihe der Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen,
Jugendarbeit und Schule (RAA) Brandenburg e, V., S. 99.

(6)   BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l HG Nr. 49, Bl. 140.

(7)   Vgl. Almuth Püschel, a. a. O.

(8)   Es handelt sich um die Forstämter Potsdam, Potsdam-Babelsberg, Steinstraße 1, zuständig für die
südlichen und südwestlichen Waldgebiete Potsdams sowie Königswald, Potsdam, Jahnstr. 78
(heute Forststraße), zuständig für die nördlichen und nordwestlichen Waldgebiete. Im Forstamt
Potsdam wurden vorwiegend Ostarbeiter eingesetzt, die im Arado-Lager Am Brunnen
untergebracht waren. Erstmals erfolgte der Einsatz Anfang 1942. Das Forstamt Königswald begann
bereits Ende 1939, polnische Kriegsgefangene in den Wäldern arbeiten zu lassen, die ab 1940
durch französische und serbische Kriegsgefangene ausgetauscht wurden. Das Forstamt verfügte
über ein eigenes Barackenlager in der Nähe des Jägerhofes am Sacrower See. lm Vergleich zu
anderen Wirtschaftsbereichen existiert im BLHA relativ umfangreiches Quellenmaterial zur
Forstwirtschaft (Pr. Br.
Rep. 2 A, III F, Nr. 2888 bis 2893, Nr. 10.006 u. Nr. 15.230). Die
überlieferten Fakten sind jedoch aufgrund der geringen Zahl der eingesetzten Kräfte für die
Gesamtsituation in Potsdam nur beschränkt verallgemeinerungswürdig. Daher wurde in der Studie
nicht ausführlicher darauf eingegangen.

(9)Es handelt sich hierbei um den Bestand BLHA, Pr. Br. Rep. 55 Provinzialverband, Abt. l Nr. 2747
bis 2798 u. 2801 bis 2870. Hinter jeder Nummer verbirgt sich ein Karton mit ca 100 Einzelblättern,
geordnet nach Handwerkerinnungen der gesamten Provinz Mark Brandenburg. Da aus den

Statistikblättern lediglich ein zahlenmäßiger Überblick über den Einsatz von Kriegsgefangenen und anderen Auslandern zu erlangen ist, schien eine genauere Auswertung im Rahmen des zur Verfügung stehenden Zeitfonds wenig sinnvoll. Ebenso verhält es sich mit einem aus 65 Paketen bestehenden Bestand (BLHA, Pr. Br. Rep. 35 A Staatspolizeistelle Potsdam), der Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer aus der Zeit 1937 bis 1944 enthält. Diese alphabetisch nach Namen geordnete Lose-Blatt-Sammlung sollte die Aufmerksamkeit späterer Auswertung finden, da hier auch Hinweise über Arbeitsstelle und Unterbringung vermerkt sind.

(10)Stadtarchiv Potsdam, 1 - 14/103 und 1 -14/104. (11 Stadtarchiv Potsdam, 1 -6/115/1 und 1-6/122.

(12)Die einzige bekannte Ablehnung erfolgte im April 1943, als die Althoff-Film Atelier KG, Potsdam-Babelsberg, Wilhelmstr. 116/118 (heute Alt Nowawes) auf dem Grundstück Auguststr. 29/31 (heute Tuchmacherstr.) eine Baracke zur Unterbringung ausländischer Arbeiter aufzustellen beabsichtigte. BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Hb Nr. 1766, ohne Blattzählung.

(13)Stadtarchiv Potsdam, 1 -1/15 D und 1 -1/49, Rundschreiben 1753. (14)ebenda, Rundschreiben 1794.

(13)BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l HG Nr. 3996, Bericht des Gewerberaufsichtsamtes Potsdam vom

11.03.1944. (16)BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Pol Nr. 2891, Bl. 22.

(17)Grundlage der Zählung bildet eine Fremdarbeiterlagerliste,_die auf Weisung des Inspekteurs der Ordnungspolizei, des Höheren SS- und Polizeiführers der Reichshauptstadt Berlin und beim Oberpräsidenten der Provinz Mark Brandenburg erstellt wurde (BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Pol Nr. 2894, Bl. 87 ff.) sowie einer Lagerliste des Zentralen Unterkunftsnachweises beim Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt (BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l HG, Nr. 3996, ohne Blattzählung).

(18)BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A l Hb Nr. 1766, ohne Blattzählung. (19)BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A Pol Nr. 2889, Bl. 65 ff. (20)BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Hb Nr. 1767, Bl. 135, 153.

(21)BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, III F Nr. 15.004, ohne Blattzählung. Aus einem Bericht der Maschinenbau und Bahnbedarf AG an das Gewerbeaufsichtsamt Potsdam bezüglich Arbeitskräftelage vom 12.05.1944 geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt 1.984 männliche (einschl. 557 Kriegsgefangene) und 293 weibliche ausländische Arbeitskräfte beschäftigt waren. Dem standen 859 deutsche Arbeiter/innen gegenüber BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l HG Nr. 49, Bl. 2 u. 140.

(22)BLHA. Pr. Br. Rep. 2 A, l Hb Nr. 1765, ohne Blattzählung, Schreiben der

Landesplanungsgemeinschaft Mark Brandenburg, Bezirksstelle Potsdam an den Regierungspräsidenten in Potsdam vom 28.01.1942 und Stadtarchiv, WB 11.

(23)Verdichtete Information zu den einzelnen Lagern liegen, soweit die Quellenlage es zuließ, vor und können bei Bedarf bereitgestellt werden.

 

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