Mitteilungsvorlage - 00/SVV/0619
Grunddaten
- Betreff:
-
Beteiligung der Stadt Potsdam an dem Einsatz von Zwangsarbeitern in der Nazizeit
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Mitteilungsvorlage
- Federführend:
- Fachbereich Ordnung und Sicherheit
- Einreicher*:
- Oberbürgermeister, FB Ordnung und Sicherheit
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | PA |
---|---|---|---|---|
●
Erledigt
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|
Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam
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Vorberatung
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|
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01.11.2000
|
Erläuterung
Die Stadtverordnetenversammlung nimmt die
Stellungnahme zur DS 99/0181/1 zur Kenntnis:
Zwangsarbeit und Zwangsarbeiter in Potsdam 1939
bis 1945
l. Gesamtsituation •
Schätzungsweise
arbeiteten während des Zweiten Weltkrieges ca. 11,3 Millionen ausländische
Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge im
Deutschen Reich. Diese drei Gruppen werden unter dem Oberbegriff „Zwangsarbeiter" zusammengefaßt. Für sie galt, dass sie in Lagern untergebracht waren, sie ihr Arbeitsverhältnis
nicht lösen konnten und außerhalb ihrer Heimatländer eingesetzt wurden. In
Notfällen bestand für sie kein soziales Netz, über das
dienstverpflichtete deutsche Arbeitskollegen verfügten.
Als 1936 durch die Rüstungskonjunktur
Vollbeschäftigung im Deutschen Reich erlangt wurde, ließ das Regime in
zunehmendem Maße Ausländer in Land, obwohl erhebliche ideologische Bedenken
bestariden. Je länger der Krieg jedoch andauerte, desto mehr
wurden die Machthaber durch die Anforderungen der Rüstungsproduktion gezwungen, diese
Bedenken fallen zu lassen.
Der Konflikt zwischen ideologischen
Rassevorstellungen und rüstungswirtschaftlicher Notwendigkeit wurde anfänglich
gelöst, indem 1939 die Tschechen als Bewohner des Protektorats Böhmen und
Mähren zu Inländern zweiter Klasse erklärt wurden. Hinsichtlich
der polnischen Arbeitskräfte wurde ein Sonderrecht geschaffen,
die sogenannten Polenerlasse, die starke Diskriminierung beinhalteten. (1)
Etwas günstiger gestaltete sich das Schicksal
der Westarbeiter aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden.
Da die deutsche Außenpolitik ein Großeuropa
unter Einschluß dieser Länder plante, war die Behandlung dieser
Arbeitskräfte besser. Sie erhielten oftmals vollen Lohn und konnten sich ihre
Quartiere außerhalb der Lager suchen.
Die anfänglichen militärischen Erfolge
brachten immer mehr Kriegsgefangene nach Deutschland. Um diese besser
in den Arbeitsprozess eingliedern zu können, wurden besonders Polen, Franzosen
und Niederländer in den Zivilstatus überführt (2)
Am
menschenunwürdigsten
wurden sowjetische Kriegsgefangene behandelt. Sie wurden zunächst
in frontnahen Lagern interniert und dort dem Hungertod
ausgesetzt Erst Ende Oktober 1941 wurde entschieden, auch sowjetische
Kriegsgefangene zur Arbeit im Reich einzusetzen.
Ähnlich
menschenverachtend als vermeindliche Verräter wurden die Italiener nach dem
Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten im
Spätsommer 1943 behandelt. Als größte Einzelgruppe kamen seit Frühjahr
1942 die „Ostarbeiter" ins Deutsche Reich. Zu ihnen gehörten Ukrainer,
Russen und Weißrussen. Sie erwartete ausnahmslos harte Arbeit in
der Industrie, schlechte Ernährung und Kleidung, Unterbringung in Lagern
bei lächerlichem Lohn. (3)
Als der Krieg an der
Ostfront immer mehr Einberufungen deutscher Arbeitskräfte notwendig machte,
wurden ab
1942 zunehmend KZ-Häftlinge als letzte Arbeitskraftreserve eingesetzt.
Die deutsche
Industrie war aktiv am Zwangsarbeiterprogramm beteiligt. Die Nachkriegszeit im
Blick wurde versucht, durch Rüstungsaufträge Sachkapital zu akkumulieren, auch
wenn das nur durch Ausnutzung von Zwangsarbeitern möglich
war.
Andererseits sahen sich die
Unternehmen wegen der steigenden Zahl der Einberufungen von Fachkräften genötigt,
bei den Arbeitsämtern Arbeitskräfte anzufordern, auch wenn ersichtlich war,
dass nur noch unfreiwillige Arbeitskräfte vorhanden waren.
Maschinen unbesetzt zu lassen wäre jedoch weder von der Rüstungsbürokratie noch
von der Gestapo toleriert worden. Den Betrieben wurde hinsichtlich der
Behandlung der Zwangsarbeiter ein weiter
Spielraum gelassen, so dass das Spektrum von skrupelloser Ausbeutung bis zu
verständnisvoller Rücksichtnahme reichte.
II. Beteiligung der
Potsdamer Industriebetriebe am Zwangsarbeiterprogramm
Potsdam als typische
Militär- und Beamtenstadt verfügte kaum über industrielle Ansiedlungen. Das
änderte sich erst mit der Eingliederung der Stadt Babelsberg und
umliegender Gemeinden, wodurch Potsdam bevölkerungsmäßig zur
Großstadt avancierte. Babelsberg verfügte schon seit Jahrzehnten über ein beachtliches
Industriepotential. Vorhandene Unternehmen wurden in die Aufrüstung und
Kriegsproduktion einbezogen, neugegründete Firmen arbeiteten vorwiegend für den
militärischen Bedarf im weitesten Sinne. Fast drei Viertel der
industriellen Arbeitskräfte waren in anerkannten wehrwirtschaftlichen Betrieben
tätig.
Zu den größeren Betrieben
zählten die Arado-Flugzeugwerke, Orenstein & Koppel (ab 1940 Maschinenbau und
Bahnbedarf AG), Frieseke & Höpfner Verbundglas GmbH, die
Aluminium-Präzisionsguß AG, Kunstseidenfabrik Glissa und nicht
zuletzt die UFA. Auch kleinere Betriebe und Werkstätten wie Wollmershäuser
& Gurth, Greifeidt & Cie., Stollenwerk und Mechanoptik in Babelsberg
sowie Koppen & Co. in Potsdam und die Armaturenfabrik Luipold Schott in
Born waren in das Rüstungsprogramm integriert. (4)
Wie im gesamten
Reichsgebiet konnten auch die Potsdamer Betriebe mit zunehmender Kriegsdauer
die Produktion
nur noch mit einer entsprechend immer höheren Zahl von Arbeitskräften aus den
annektierten und okkupierten Ländern
aufrecht erhalten. Die größeren Produktionsstätten errichteten vor allem in den
Jahren 1942 bis 1944 eigene Lager,
kleinere Betriebe, soweit keine eigenen Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden waren,
erhielten ihre Arbeitskräfte über das Arbeitsamt aus diesen Lagern zugewiesen.
Aus einer Statistik über zivile ausländische
Arbeitskräfte in den Arbeitsamtsbezirken des Landesarbeitsamtes Brandenburg vom 31. Juli 1943 geht hervor, dass im
Arbeitsamtsbezirk Potsdam insgesamt 17.145 ausländische Arbeitskräfte,
davon mehr als ein Drittel Ostarbeiter beschäftigt waren. (5)
3
Über die konkreten Arbeitsbedingungen in den
Potsdamer Betrieben geben die vorhandenen Quellen nur unzureichende Auskunft.
Auch die wenigen Berichte von Zeitzeugen schweigen sich meist über die
Arbeitsbedingungen aus. Die allgemeine Arbeitszeit für Männer betrug
wöchentlich 62 bis 63 Stunden, bei vordringlichen Aufträgen bis zu 69 Stunden.
Bei Frauen und Jugendlichen war die Arbeitszeit bis Mai
1944 auf 56 Stunden festgelegt, eine 60 bis 66 stündige Wochenarbeitszeit wurde
für später angestrebt. Selbst Jugendliche unter 18 Jahren mussten 48 Stunden
pro Woche arbeiten. (6)
Die medizinische Versorgung erfolgte bis
1943 in den normalen Stationen des städtischen Krankenhauses. Danach wurde eine
gesonderte Baracke für die Versorgung der Fremdarbeiter auf dem
Krankenhausgelände errichtet. Einlieferungsgründe für eventuelle Arbeitsunfälle
waren vornehmlich Brüche und Schnittverletzungen, die auf einen generell
niedrigen Arbeitsschutz zurückgeführt werden können, aber auch auf
die fehlende Qualifikation der Arbeitskräfte für bestimmte Arbeiten hinweisen.
(7)
III. Zwangsarbeit
in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens
Einige wenige erhaltengebliebene Quellen im
Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam und im Stadtarchiv
Potsdam lassen den Schluss zu, dass das gesamte öffentliche Leben der Stadt nur
unter verstärkter Einbeziehung von ausländischen
Arbeitskräften aufrecht erhalten werden konnte. Landwirtschaftliche
Betriebe im eingemeindeten Umland von Potsdam wurden ebenso mit Ausländern bewirtschaftet
wie sich auch die beiden Forstämter in Potsdam ausländischer Arbeitskräfte
bedienten. (8) Beide Bereiche pflegten einen regen saisonbedingten
Austausch von Arbeitskräften. Waren die Zwangsarbeiter bei der
Frühjahrsbestellung und Ernte vorwiegend in der Landwirtschaft eingesetzt, wurden
sie zum winterlichen Holzeinschlag zur Forstwirtschaft umgesetzt.
Periodische Erhebungen zur Arbeitskräftebilanz in verschiedenen
Industriebranchen in der Zeit von________
1941 bis 1945 geben
auch darüber Auskunft, dass fast ausnahmslos Handwerker aller Gewerke Ausländer
und Kriegsgefangene beschäftigten. Leider läßt sich mit den vorhandenen
Unterlagen lediglich die Anzahl der beschäftigten Ausländer und der jeweilige
Handwerksbetrieb bestimmen. Aussagen über Namen, Nationalität und
Art der Unterbringung sind nicht möglich. (9)
Vollständigkeitshalber
muß noch darauf hingewiesen werden; dass auch in Potsdam angesiedelte
Teile zentraler Behörden und Einrichtungen, wie das RAW, das
Reichsbahnbetriebswerk Potsdam, die
Deutsche Post, die Verwaltung der Schlösser und Gärten oder das DRK vom
Fremdarbeitereinsatz
profitierten.
Eine nicht mehr festzustellende Zahl von
Ausländern war auch in privaten Haushalten als Hausangestellte,
Gärtner usw. beschäftigt.
IV. Zwangsarbeit
und öffentlicher Dienst
Der öffentliche Dienst War nicht nur
Nutznießer der Zwangsarbeit, er war in seinem Territorium auch
Mitorganisator des Systems der Zwangsarbeit.
Die bisher zugänglichen Quellen lassen nur
eine sehr verbale Einschätzung der Gesamtsituation zu.
Generell kann festgestellt werden, dass
besonders in den städtischen Betrieben, wie Gas- und
Elektrizitätswerke, Wasserversorgung und
besonders Verkehrsbetriebe ausländische Arbeiter
eingesetzt wurden. Dabei war es
offensichtlich die Regel, für die mehr oder weniger qualifizierten
Arbeiten die sogenannten Westarbeiter, für
alles andere Ostarbeiter zu verwenden. Der städtische
Verkehrsbetrieb Potsdam beispielsweise
setzte als Straßenbahnfahrer hauptsächlich Niederländer ein,
während in der Wagenwäsche vorwiegend Polen,
Russen und Ukrainer tätig waren.
Auch bei der Garten- und Friedhofsverwaltung
wurden zeitweise Polen und Ukrainer beschäftigt, bei
Bedarf wurden diese auch in andere Bereiche
des Magistrats, zum Beispiel das Liegenschaftsamt,
umgesetzt. (10)
Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte
durch den Magistrat Potsdam muß aber wesentlich
umfangreicher gewesen sein, als die nur
fragmentarisch erhalten gebliebenen Dokumente aussagen.
Davon zeugt ein in eigener Verantwortung
geführtes Arbeitslager in der Wiesenstraße gegenüber der
ehemaligen Eisfabrik Fix.
Die aktive Rolle des Magistrats Potsdam im
System der Zwangsarbeit zeigt sich darin, dass der l.
Nachtragshaushaltsplan der Stadt Potsdam für
das Rechnungsjahr 1942 unter dem Posten
Gesundheitswesen, Krankenhaus Potsdam 37.000
RM für die Aufstellung und Einrichtung einer
Baracke für Ausländer und 65.000 RM für eine
Baracke zur Unterbringung von 100 sogenannten
Zivilrussen vorsah, Ebenso für das
Rechnungsjahr 1943 wurden zusammen 115.000 RM für die
Aufstellung einer Massivbaracke im Gemeinschaftslager
an der Wiesenstraße sowie einer
Kriegsgefangenen-Baracke ebenfalls an der
Wiesenstraße bewilligt. (11)
Genehmigungen für den Bau von Baracken und
die Errichtung ganzer Barackenlager mußten nach
Antragsstellung durch die Betriebe bei der städtischen
Baupolizei eingeholt werden. Auch die
Abnahme der Gebäude erfolgte durch diese
Einrichtung. In der Regel erfolgte die Zustimmung und
. ' 4
Abnahme in Potsdam problemlos, es sei denn,
aus feuerpolizeilichen oder luftschutztechnischen Gründen wurden
wesentliche Mängel festgestellt. (12)
Entsprechend einer Verfügung des
Oberbürgermeisters der Stadt Potsdam vom 31.03.1943 wurde zur einheitlichen
Überwachung und Fortentwicklung des Unterkunftswesens für die ausländischen
Arbeitskräfte ein im Magistrat angestellter Oberbaurat eingesetzt. Auch
stillgelegte Geschäftsräume sollen in
zunehmendem Maße zur Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte genutzt werden.
Zwar sei hierfür die Preisbehörde federführend, die Prüfung der Eignung
von Räumen sowie deren spätere Betreuung und Beaufsichtigung wurde jedoch
ebenfalls dar Kompetenz des Oberbaurates unterstellt. Die Begründung dieser
Maßnahme zeigt den Geist, der sich nach den Vorstellungen des damaligen Oberbürgermeisters Friedrichs im Magistrat
durchsetzen sollte. Es gehöre „zum Charakter des totalen Krieges,...,... ein großes Ausländerarbeitwesen
mit allen Konsequenzen" zu schaffen. „Zucht, Ordnung, Arbeitsdisziplin, Sitte sind, je größer
dieses Gebilde anschwillt, nur dann gewährleistet, wenn auch die Stadtführung
hier Pflichten sieht und einen Verantwortungsträger einschaltet." Weiter
unten in der Verfügung heißt es: „ Für meine Verwaltung ist es
notwendig, dass jede Dienststelle, die ausländische Arbeitskräfte braucht,
weiß, wer die Verantwortung trägt und an wen man sich zu wenden hat." (13)
Welche Bedeutung dem Arbeitseinsatz der
Ausländer beim Magistrat beigemessen wurde, geht aus einer weiteren Verfügung
des Oberbürgermeisters vom 3. August 1943 hervor, nach der alle Dienststellen jeden Sonnabend zahlenmäßig nach
Nationen getrennt die beschäftigten Ausländer zu melden haben. (14)
Leider sind diese Meldungen
nicht erhalten geblieben.
V, Zwangsarbeiterlager
in Potsdam
Abhängig von den wirtschaftlichen Bedürfnissen und den
territorialen Gegebenheiten gab es vier Grundarten
von Lagern: Großlager, betriebseigene Wohnbaracken, Gasthaussäle bzw. aridere stillgelegte
geeignete Geschäftsräume und betriebseigene Heime. (15)
Eine mögliche
Belegungsstärke von 10 Personen war nach damaliger Auffassung
ausschlaggebend für die
Anwendung des Lagerbegriffs. (16)
In den Großlagern und den betriebseigenen
Wohnbarackenlagern waren vornehmlich Polen, Ostarbeiter und aus den Balkanländern stammende
Zivilarbeiter untergebracht, während
Gasthaussäle oder ähnliche Räumlichkeiten den Westarbeitern
vorbehalten blieben.
In Potsdam gab es nach bisherigen Erkenntnissen Mitte 1943 ca. 60
solche Lager, die über das gesamte
Stadtgebiet verteilt waren. (17)
Ob sich diese Zahl zum Ende des Krieges hin
noch vergrößerte, kann wegen
fehlender Quellen nicht beurteilt werden. Den Charakter eines Großlagers hatte in Potsdam
lediglich das Arbeiterdurchgangslager Rehbrücke. Ende 1941/Anfang 1942 für ca. 1.200 Personen geplant, waren im August
1942 sämtliche Baulichkeiten gerichtet und eingedeckt, so dass die
Inbetriebnahme im Herbst 1942 erfolgen konnte, (18)
In diesem Lager nahm auch ab 01.11.1943 eine polizeiliche
Erfassungsdienststelle ihre Tätigkeit auf. Erst nach erkennungsdienstlicher Erfassung
wurden die Ausländer, besonders die Italiener, auf andere Lager verteilt (19)
Über die größten betriebseigenen Lager
verfügte die Maschinenbau und Bahnbedarf AG, die hauptsächlich für das
Reichsluftfahrtministerium produzierenden Arado-Flugzeugwerke und die Fa.
Frieseke & Höpfner sowie die Universum-Film-AG (UFA).
Verfügte die Maschinenbau und Bahnbedarf AG bereits 1942 über ein
Zivilarbeiter- und ein
Kriegsgefangenenlager mit einer Kapazität
von je 500 Personen an der Grünstraße, wurde im Rahmen der Lagerbauaktion. 1943
ein weiteres Zivilarbeiterlager mit ca. 950 Plätzen ah der Ahornstraße
errichtet. (20)
Der Bau eines weiteren Lagers wurde noch Ende 1944 geplant, wegen
Materialmangels
kam es jedoch nicht mehr zur Ausführung. (21)
Auch das Stammwerk ßabelsberg der a. Frieseke & Höpfner
errichtete im Laufe des Jahres 1942 zwei
Barackenlager in der Großbeerenstraße 215/219 und 235/237 für
zusammen ca. 700 Arbeitskräfte. (22)
Die in diesem Fall
überlieferten Lageskizzen ermöglichen einen Eindruck vom Aufbau solcher Lager (Anlage l und II). Aufgrund
unterschiedlicher Lagebezeichnungen muß davon ausgegangen werden, dass auch die
Arado-Flugzeugwerke über mehrere Lager verfügten. Ein ganzer Komplex befand
sich an der Straße Arri Brunnen südöstlich das Neuen Friedhofs, ein anderes
Lager war auf der anderen Seite der Heinrich-Mann-Allee
auf dem ehemaligen Kleinen Exerzierplatz (Sporthalle, ehemaliges Jugendfreizeitzentrum) angesiedelt.
Das Lager der UFA befand sich beim Sportplatz an der Sandscholle.
Im Rahmen dieser Studie würde es zu weit führen, auf die vielen
kleineren Lager einzugehen. Oftmals fehlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt
gesicherte Angaben über die genaue Lage, den Trägerbetrieb, die Lagerkapazität
und die jeweils untergebrachten Nationalitäten. (23)
VI. Quellenlage
zur Zwangsarbeit in Potsdam
Die Ausführungen stützen sich im
wesentlichen auf schriftliche Unterlagen, die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv
Potsdam (BLHA) und im Stadtarchiv Potsdam aufbewahrt werden. Insgesamt
5
ergeben diese Dokumente
jedoch kein vollständiges und in sich stimmiges Bild vom tatsächlichen
Ausmaß des Zwangsarbeitereinsatzes in Potsdam und den katastrophalen
Lebens- und
Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter selbst. Vieles wird zu ergänzen oder zu
korrigieren, manches •
wird wahrscheinlich nie mehr zu rekonstruieren sein. .
Die Überlieferungslage auf der mittleren
Administrationsebene, dem ehemaligen Regierungsbezirk Potsdam, ist hinsichtlich
der kreisfreien Stadt Potsdam mangelhaft und nur fragmentarisch erhalten. Die
Unterlagen der Landesbehörden lassen nur unvollkommen Schlüsse auf die konkrete
Situation in Potsdam zu. Untersetzt werden müßten die zum größten Teil
verallgemeinerten Darstellungen durch Berichte, Einschätzungen,
Statistiken usw. Der lokalen Behörden, die in die Zwangsarbeiterproblematik
integriert waren. Das ist jedoch bezüglich der Stadt Potsdam nicht möglich.
Fast das gesamte Schriftgut des Magistrats Potsdam wurde offenbar Opfer einer
stabsmäßig geplanten Vernichtungsaktion des ehemaligen
nationalsozialistischen Oberbürgermeisters, der Rest wurde durch die
Kriegseinwirkungen oder unsachgemäße Lagerung in den ersten Nachkriegsjahren
vernichtet. Möglichkeiten zur Ergänzung vorliegender Erkenntnisse dürften
dennoch bestehen. Aus den Akten des BLHA geht hervor, dass eine sehr
regelmäßige Berichterstattung bezüglich der Zwangsarbeiterproblematik von unten
nach oben erfolgte. Viele Berichte, statistische Ermittlungen usw.
Bis hin zu Lageplänen und Bauzeichnungen wurden durch die mittlere
Verwaltungsebene lediglich an die Zentralbehörden
weitergeleitet. Demzufolge sind die in Frage kommenden Bestände im Bundesarchiv
unbedingt zur Ergänzung auszuwerten.
Weitere Mosaiksteine dürften in den
Betriebsarchiven derjenigen Betriebe und Einrichtungen, die Zwangsarbeiter
beschäftigt haben bzw. deren Nachfolger zu finden sein. Z. B. existiert im BLHA
ein • Bestand
zu den Arado-Flugzeugwerken, in den Archiven der Deutschen Post oder der
Deutschen Bundesbahn könnten sich ebenfalls aufschlußreiche Dokumente befinden.
Bekannt ist auch, dass der Verkehrsbetrieb Potsdam in seinem
Archiv eine Abteilung mit Schriftverkehr vor 1945 besitzt. Auch
eine weitere gründliche Auswertung der bereits eingesehenen Bestände, besonders
des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, die den Rahmen
dieser Kurzstudie gesprengt hätte, wird sicherlich noch
eingehendere Erkenntnisse in Detailfragen erbringen.
VII.
Anmerkungen
(1)
Entsprechende Erlasse, Verordnungen,
Besprechungsprotokolle und Erfahrungsberichte vor allem
in: BLHA, Pr. Br.Rep. 2 A, l Pol. Nr. 2890 bis 2893.
(2)
BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Pol. Nr. 2890, Bl. 186 ff, 288.
(3) BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Pol. Nr. 2891, Bl. 176; BLHA, Pr. Br. Rep.
2 A, l Pol. Nr. 2894, Bl. 8, 22,
217/218, 235 ff.
(4)
Vgl. Almuth Püschel, „Es gibt verschiedene
Erinnerungen, meistens sehr schwere ..." •
Fremdarbeiter in Potsdam-Babelsberg
(5)
In der kreisfreien Stadt Brandenburg betrug
diese Zahl 32.5S5. Die Zahlen wurden einer Statistik
entnommen, die veröffentlicht ist in: Helmut Bräutigam, Fremdarbeiter
in Brandenburg in der NS-
Zeit, Interkulturelle Beiträge Heft 17, Schriftreihe der Regionalen
Arbeitsstellen für Ausländerfragen,
Jugendarbeit und Schule (RAA) Brandenburg e, V., S. 99.
(6)
BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l HG Nr. 49, Bl. 140.
(7) Vgl.
Almuth Püschel, a. a. O.
(8)
Es handelt sich um die Forstämter Potsdam,
Potsdam-Babelsberg, Steinstraße 1, zuständig für die
südlichen und südwestlichen Waldgebiete Potsdams sowie Königswald,
Potsdam, Jahnstr. 78
(heute Forststraße), zuständig für die nördlichen und nordwestlichen
Waldgebiete. Im Forstamt
Potsdam wurden vorwiegend Ostarbeiter eingesetzt, die im Arado-Lager Am Brunnen
untergebracht waren. Erstmals erfolgte der Einsatz Anfang 1942. Das
Forstamt Königswald begann
bereits Ende 1939, polnische Kriegsgefangene in den Wäldern arbeiten zu
lassen, die ab 1940
durch französische und serbische Kriegsgefangene ausgetauscht wurden. Das
Forstamt verfügte
über ein eigenes Barackenlager in der Nähe des Jägerhofes am Sacrower See. lm
Vergleich zu
anderen Wirtschaftsbereichen existiert im BLHA relativ umfangreiches
Quellenmaterial zur
Forstwirtschaft (Pr. Br. Rep.
2 A, III F, Nr. 2888 bis 2893, Nr. 10.006 u. Nr. 15.230). Die
überlieferten Fakten sind jedoch aufgrund der geringen Zahl der eingesetzten
Kräfte für die
Gesamtsituation in Potsdam nur beschränkt verallgemeinerungswürdig.
Daher wurde in der Studie
nicht ausführlicher darauf eingegangen.
(9)Es handelt sich hierbei um
den Bestand BLHA, Pr. Br. Rep. 55 Provinzialverband, Abt. l Nr. 2747
bis 2798 u. 2801 bis 2870. Hinter jeder Nummer verbirgt sich ein Karton mit ca
100 Einzelblättern,
geordnet nach Handwerkerinnungen der gesamten Provinz Mark Brandenburg.
Da aus den
Statistikblättern lediglich ein
zahlenmäßiger Überblick über den Einsatz von Kriegsgefangenen und anderen
Auslandern zu erlangen ist, schien eine genauere Auswertung im Rahmen des zur
Verfügung stehenden Zeitfonds wenig sinnvoll. Ebenso verhält es sich mit einem
aus 65 Paketen bestehenden Bestand (BLHA, Pr. Br. Rep. 35 A Staatspolizeistelle
Potsdam), der Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer aus der Zeit 1937 bis 1944
enthält. Diese alphabetisch nach Namen geordnete Lose-Blatt-Sammlung sollte die
Aufmerksamkeit späterer Auswertung finden, da hier auch
Hinweise über Arbeitsstelle und Unterbringung vermerkt sind.
(10)Stadtarchiv Potsdam, 1 - 14/103 und 1
-14/104. (11 Stadtarchiv Potsdam, 1 -6/115/1 und 1-6/122.
(12)Die einzige
bekannte Ablehnung erfolgte im April 1943, als die Althoff-Film Atelier KG,
Potsdam-Babelsberg, Wilhelmstr. 116/118 (heute Alt Nowawes) auf
dem Grundstück Auguststr. 29/31 (heute Tuchmacherstr.) eine Baracke zur
Unterbringung ausländischer Arbeiter aufzustellen beabsichtigte. BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Hb Nr. 1766,
ohne Blattzählung.
(13)Stadtarchiv Potsdam, 1 -1/15 D und 1
-1/49, Rundschreiben 1753. (14)ebenda, Rundschreiben 1794.
(13)BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l HG Nr. 3996,
Bericht des Gewerberaufsichtsamtes Potsdam vom
11.03.1944. (16)BLHA,
Pr. Br. Rep. 2 A, l Pol Nr.
2891, Bl. 22.
(17)Grundlage der
Zählung bildet eine Fremdarbeiterlagerliste,_die auf Weisung des Inspekteurs
der Ordnungspolizei, des Höheren SS- und Polizeiführers der
Reichshauptstadt Berlin und beim Oberpräsidenten der Provinz Mark Brandenburg
erstellt wurde (BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Pol Nr. 2894,
Bl. 87 ff.) sowie einer Lagerliste des Zentralen Unterkunftsnachweises beim
Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt (BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l HG, Nr.
3996, ohne Blattzählung).
(18)BLHA, Pr. Br.
Rep. 2 A l Hb Nr. 1766, ohne Blattzählung. (19)BLHA,
Pr. Br. Rep. 2 A Pol Nr. 2889, Bl. 65 ff. (20)BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l Hb Nr. 1767,
Bl. 135, 153.
(21)BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, III F Nr. 15.004, ohne
Blattzählung. Aus einem Bericht der Maschinenbau und Bahnbedarf AG an das
Gewerbeaufsichtsamt Potsdam bezüglich Arbeitskräftelage vom 12.05.1944
geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt 1.984 männliche (einschl. 557
Kriegsgefangene) und 293 weibliche ausländische Arbeitskräfte
beschäftigt waren. Dem standen 859 deutsche Arbeiter/innen gegenüber
BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, l HG Nr.
49, Bl. 2 u. 140.
(22)BLHA. Pr. Br. Rep. 2 A, l Hb Nr. 1765,
ohne Blattzählung, Schreiben der
Landesplanungsgemeinschaft Mark Brandenburg,
Bezirksstelle Potsdam an den Regierungspräsidenten in Potsdam vom
28.01.1942 und Stadtarchiv, WB 11.
(23)Verdichtete
Information zu den einzelnen Lagern liegen, soweit die Quellenlage es zuließ,
vor und können bei Bedarf bereitgestellt werden.