Mitteilungsvorlage - 10/SVV/0806

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung nimmt zur Kenntnis:

 

Durch das Auslaufen von Förderzeiträumen ist der Bestand an mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen in den letzten Jahren mehr und mehr zurückgegangen. Es ist absehbar, dass diese Entwicklung sich auch in den Folgejahren fortsetzt, wenn es nicht gelingt, diesen Prozess durch Schaffung neuer Bindungen aufzuhalten bzw. zu verlangsamen. Damit gehen der Stadt wichtige Steuerungsmöglichkeiten bei der Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte verloren.

 

Im Rahmen der Konkretisierung des StEK-Wohnen hat die Verwaltung in den zurückliegenden Monaten in verschiedenen Arbeitsgruppen geprüft, welche Möglichkeiten die Stadt hat, die Schaffung neuer Belegungsbindungen zu beeinflussen.

 

Da die Prüfungen in den Arbeitsgremien noch nicht abgeschlossen sind, kann diese Mitteilungsvorlage auch nur eine Zwischeninformation geben. Weitere Ergebnisse werden im Zusammenhang mit der Berichterstattung zum StEK-Wohnen vorgestellt.

 

 

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Erläuterung

Aus aktueller Sicht lässt sich zu den verschiedenen Möglichkeiten Folgendes feststellen.

 

1.      Geförderter Wohnungsneubau

Die intensiven Bemühungen der Landeshauptstadt Potsdam, das MIL von der Notwendigkeit der Förderung im Wohnungsneubau zu überzeugen, haben offenbar dazu beigetragen, dass zunächst bis 2013 Fördermittel in Höhe von 30 Mio. Euro für den Neubau von Mietwohnungen im Land Brandenburg bereitgestellt werden. Über die bis zum 15. Oktober im Rahmen eines Fördermittelwettbewerbs einzureichenden Anträge soll im November entschieden werden.

 

Das Förderprogramm, an dem sich auch das kommunale Wohnungsunternehmen beteiligt, sieht Belegungsbindungen verpflichtend für mindestens 25 % der neu errichteten Wohnungen vor.

 

Auch wenn dies ein Schritt in die richtige Richtung ist, ist absehbar, dass durch das begrenzte Fördervolumen die daraus in der Landeshauptstadt möglichen Bindungen nur relativ gering ausfallen können und den hohen Bedarf nicht in Gänze entsprochen werden kann.

 

 

2.      Förderung im Bestand

Die meisten Miet- und Belegungsbindungen wurden in der Landeshauptstadt Potsdam in den Jahren zwischen 1993 und 2003 durch Fördermaßnahmen zur Aufwertung der Bestandswohnungen geschaffen. Der hohe Sanierungsrückstau in den Wohnungsbeständen, widerspiegelte sich auch in der Zahl leer stehender Wohnungen.

 

 

1993

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

Leerstandsquote

2,4

2,5

3,1

5,3

7,4

6,7

6,2

3,3

2,5

 

Die Unternehmen der Wohnungswirtschaft – allen voran die im „Arbeitskreis Stadtspuren“  zusammenwirkenden Unternehmen – haben in den zurückliegenden Jahren große Anstrengungen zur Aufwertung ihrer Wohnungsbestände unternommen und dafür beträchtliche Fördermittel in Anspruch genommen. Aus Sicht der Wohnungsunternehmen führte dies zu ungewollten Konzentrationen einkommensschwacher Haushalte, da alle geförderten Wohnungen mit Belegungsbindungen versehen waren. Auch wenn die Zahl der dadurch entstandenen Miet- und Belegungsbindungen aus Sicht der Verwaltung alternativlos und dringend erforderlich war, wurde die konzentrierende Wirkung (alle Wohnungen des geförderten Objektes) ais sozialintegrativer Sicht ebenfalls kritisch gesehen.

 

Inzwischen hat sich die Situation deutlich verändert. Der Wohnungsleerstand lag 2009 mit 2,5 % auf seinem tiefsten Stand seit 1995 und der vermietbar leer stehende Wohnraum ist auf ein Rekordtief von unter 1 % gesunken. Mit der Aufhebung der Belegungsbindungen 2003 durch das Land für im Bestand sanierte Wohnungen sind auf einen Schlag über 9.000 Belegungsbindungen – und damit Steuerungsmöglichkeiten für die Kommune – weggefallen. Gleichzeitig hat die steigende Nachfrage nach preiswerten Wohnungen und das gleichzeitig schrumpfende Angebot derselben zu einer stetig wachsenden Anspannung des Wohnungsmarktes und damit auch zu steigenden Preisen geführt.

 

Belegungsbindungen wurden und werden von den Wohnungsunternehmen wegen ihrer Konzentration in den Quartieren und Starrheit über den Förderzeitraum sehr kritisch gesehen. Das führte in den letzten Jahren dazu, dass das Förderprogramm nur unzureichend in Anspruch genommen wurde und immer öfter auf alternative Programme (z.B. KfW) zurückgegriffen wurde, die nicht mit der Bereitstellung von Miet- und Belegungsbindungen verbunden waren.

 

Zwar hat das MIL die Richtlinie zur Modernisierung und Instandsetzung von Bestandswohnungen überarbeitet und im Mai 2009 als „Richtlinie zur Förderung der generationsgerechten Anpassung von Mietwohngebäuden durch Modernisierung und Instandsetzung“ (Generationsgerecht ModInstR) in Kraft gesetzt. Die wirtschaftlichen Anreize für eine Inanspruchnahme sind jedoch aus Sicht der Wohnungsunternehmen nach wie vor unzureichend.  Deshalb hat sich die ablehnende Haltung der Wohnungsunternehmen nicht merklich verbessert.


 

Die Wohnungsunternehmen verweisen insbesondere darauf, dass auf Grund der aufzuwendenden Baukosten, der stetig steigenden Anforderungen an energetische Sanierungsstandards und die vorgegebene Mietobergrenze Fördermaßnahmen nicht wirtschaftlich darstellbar sind. Die Einschränkungen aus den einzuräumenden Belegungsbindungen wollen sie deshalb nicht hinnehmen. Bei den Genossenschaften wird diese Haltung noch dadurch verstärkt, dass sie sich zu allererst ihren Genossenschaftsmitgliedern verpflichtet sehen, die Belegungsbindungen aus der Förderrichtlinie sich jedoch grundsätzlich an alle bedürftigen Haushalte der Stadt wendet und das der Stadt zufallende Steuerungsrecht (Benennungs- und/oder Besetzungsrechte) in ihre eigene Entscheidungshoheit eingreift. Bemühungen der Verwaltung, Änderungen beim MIL zu erreichen, sind bisher mit der Begründung gescheitert, dass die Förderrichtlinie auf die überwiegenden Anforderungen im Land Brandenburg ausgerichtet sei. Allerdings weicht die Situation insbesondere des Wohnungsmarktes in der wachsenden Landeshauptstadt deutlich von der in den meisten Kommunen des Landes ab. Zur Einführung spezieller, auf die Erfordernisse der Landeshauptstadt ausgerichteter Konditionen, gab es bisher keine Bereitschaft.

 

Auch wenn die Verwaltung weiterhin auf die Unternehmen der Wohnungswirtschaft zugehen wird, um die Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Fördermitteln zu erhöhen, muss realistisch eingeschätzt werden, dass auch dieser Weg zur Schaffung neuer Miet- und Belegungsbindungen kurzfristig keinen nennenswerten Effekt erbringen wird.

 

 

3.   Modellprojekt zur Schaffung von Miet- und Belegungsbindungen

Da nach bisherigem Stand der Prüfung die klassischen Instrumente zur Schaffung von Miet- und Belegungsbindungen nicht in erforderlichem Maße greifen werden, hat die Verwaltung zusammen mit dem kommunalen Wohnungsunternehmen nach einer Möglichkeit gesucht, wie Miet- und Belegungsbindungen neu entstehen könnten und dabei gleichzeitig die bisherigen Hauptkritikpunkte wie

-          ungenügende soziale Treffsicherheit (Vergünstigungen aus der Förderung bestehen unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Bewohner über den gesamten Förderzeitraum fort)

-          starre Verortung der Bindungen (Bindungen bestehen über den gesamten Förderzeitraum unveränderlich an ein und derselben Wohnung)

-          auch bei mittelbaren Bindungen Konzentration auf wenige Quartiere mit noch Preiswerten Beständen (für die Begründung von mittelbaren Bindungen, also der Übertragung von Bindungen vom geförderten, auf ein anderes Bestandsobjekt, kommen nur gleichwertige Wohnungen bei denen die Miete noch nicht die Fördermiete überschreitet in Frage)

ausgeräumt werden könnten.

 

Im Ergebnis ist beabsichtigt, am 01.01.2011 ein zunächst über zwei Jahre laufendes Modellprojekt zu starten. Ziel ist es, die im Ergebnis von öffentlicher Förderung entstehenden Miet- und Belegungsbindungen flexibler zu gestalten und sie stärker als bisher an der sozialen Bedürftigkeit einkommensschwacher               Haushalte auszurichten. Zugleich soll damit der Segregation in bestimmten Wohnquartieren entgegengewirkt werden.

 

Mit diesem Modellprojekt wird ein völlig neuer, bundesweit bisher einmaliger Ansatz für die Begründung von Belegungsbindungen gewählt.

 

 

Und so funktioniert das Modell.

 

Zunächst wird der finanzielle Gegenwert der auf Grund öffentlicher Förderung entstandenen Bindungen ermittelt. Dieser finanzielle Gegenwert fließt als Guthaben in einen „Fond für Belegungsbindungen“ zu Gunsten der Landeshauptstadt Potsdam ein und steht dem Bereich Wohnen zur Schaffung mittelbarer Bindungen an Bestandswohnungen der PRO POTSDAM zur Verfügung.


 

Beispiel:             

Für ein Neubauvorhaben mit 100 Wohnungen werden durch das kommunale Wohnungsunternehmen Fördermittel des Landes Brandenburg in Anspruch genommen. Das Wohnungsunternehmen räumt für 100 % der Wohnungen Belegungsbindungen ein.  Die Förderrichtlinie begünstigt die zusätzlichen 75 % Belegungsbindungen (zwingend sind lediglich 25 % Belegungsbindungen vorgegeben) durch die Bereitstellung höherer Baudarlehen.

 

Die mit 25 % zwingend vorgegebenen Belegungsbindungen sind fest mit dem Förderobjekt verbunden und bleiben deshalb bei der Bestimmung des monetären Gegenwertes einer Bindung im Weiteren  außer Betracht.

 

Der finanzielle Gegenwert für die darüber hinausgehenden 75 Belegungsbindungen, der sich hauptsächlich aus dem Zinsvorteil durch die Förderung ergibt, wird beispielhaft (fiktiver Wert - konkreter Berechnungsmodus bedarf noch der Abstimmung mit der ILB) mit 6.000 € je Belegungsbindung (bezogen auf die Bindungszeit von 15 Jahren) beziffert. Im vorliegenden Fall wären das für 75 Belegungsbindungen 450.000 €. Dieser Betrag wird in den Fonds zur Schaffung von Belegungsbindungen eingespeist und steht dem Bereich Wohnen zur Finanzierung von Belegungsbindungen zur Verfügung.

 

Der Betrag, der für den „Ankauf“ einer Belegungsbindung aus diesem Fonds abfließt, bemisst sich nach

-               dem Differenzbetrag aus der zulässigen Monatsmiethöhe von 5,50 €/m² nach Förderung und der nach Mietspiegel zulässigen Miete für die anzukaufende Wohnung,

-               der Wohnfläche der betreffenden Wohnung sowie

-               der Bindungszeit.

 

Für die Belegungsbindung einer Wohnung mit 55 m² Wohnfläche und einer monatlichen, nach Mietspiegel zulässigen Netto-Kaltmiete von 5,82 €/m²,  wäre ein Jahresbetrag von 211,20 € (Differenzbetrag von 0,32 € x 55 m² x 12 Monate) aus dem Fonds einzusetzen. Bei einer Bindungszeit von 3 Jahren ergäbe sich ein Betrag von 633,60 €, der sich bei einer Bindungszeit von 5 Jahren auf 1.056 € erhöht.

 

Die Belegungsbindung für eine Wohnung mit 80 m², einer nach Mietspiegel zulässigen Miete von 5,90 € und einer Bindungszeit von 5 Jahren würde demzufolge 1.920 € kosten.

 

Während nach bisherigem Verfahren, bezogen auf das oben beispielhaft genannte Neubauvorhaben, lediglich 75 Wohnungen einer zusätzlichen Belegungsbindung unterliegen würden, könnten dies nach den vorgenannten Berechnungsvarianten zwischen 78 und 142 Wohnung bei einer vergleichbaren Bindungszeit von 15 Jahren sein. Bei der angestrebten Verkürzung der Bindungszeiten im Modellprojekt auf durchschnittlich 5 Jahre würde sich der zu erzielende Effekt unter den vorgenannten Annahmen weiter verstärken (234 bzw. 426 WE).

 

Die Belegungsbindungen im Rahmen des Modellprojektes entstehen im Regelfall im Zusammenhang mit dem Neuabschluss eines Mietvertrages. Bei der Anmietung von Wohnungen nach diesem Modell wird auf Neuvermietungszuschläge verzichtet. Während der Bindungszeit soll die Miete darüber hinaus in den ersten 3 Jahren unverändert bleiben und danach, unter Beachtung der Förderbestimmungen, nur geringfügig steigen.

 

Zur Zielgruppe gehören Haushalte, die auf Grund ihres geringen Einkommens die Einkommensgrenzen für einen WBS nicht überschreiten und somit auf preiswerten Wohnraum angewiesen sind.

 

Durch eine Begrenzung der Bindungszeit auf 3 bis 5 Jahre (mit Verlängerungsoption bei wirtschaftlichem Erfordernis) wird die Verfügbarkeit sozialer Bindungen für einkommensschwache Haushalte verbessert.

 

Wird nach Ablauf der Bindungszeit festgestellt, dass sich die wirtschaftliche Situation des Mieters so verbessert hat, dass er die maßgebliche Einkommensgrenze überschreitet, endet die Miet- und Belegungsbindung und die zulässige Mietentwicklung richtet sich wieder nach den Regeln des BGB.

 

Hat sich die wirtschaftliche Situation nicht verbessert, besteht bei Bedarf die Möglichkeit, den Bindungszeitraum unter Einsatz weiterer finanzieller Mittel aus dem Fonds zu verlängern.

 

 

Die Vorteile eines solchen Modells liegen für beide Seiten auf der Hand:

 

1.      Die Belegungsbindungen können stärker auf den tatsächlichen, sich ändernden Wohnungsbedarf (auch nach Wohnungsgrößen) abgestellt werden.

2.      Die verkürzten Bindungszeiträume ermöglichen eine viel stärkere Ausrichtung auf einkommensschwache Haushalte, als nach dem bisherigen Verfahren, bei dem es innerhalb der 15-jährigen Bindungszeit nicht darauf ankommt, ob der zum Zeitpunkt des Einzuges berechtigte Mieter später noch zum Kreis der Berechtigten zählt.

3.      Die Zahl der Wohnungen, die unter gleichem Mitteleinsatz gebunden werden können, steigt.

4.      Es können Wohnungen aus allen Gebieten der Stadt einbezogen werden, auch Wohnungen, deren Mietspiegelmiete bereits über 5,50 € liegt. Das ermöglicht eine stärkere Streuung von Haushalten mit geringem Einkommen im gesamten Stadtgebiet und hilft, Segregationserscheinungen entgegenzuwirken.

5.      Das Modell ist gleichermaßen bei geförderten Neubauvorhaben, wie auch bei Fördermaßnahmen im Bestand anwendbar.

 

 

Vor dem Start dieses Modellprojektes am 01.01.2011 sind noch weitere Gespräche mit dem MIL und der ILB erforderlich.

 

Da zu Beginn des Jahres noch keine Fördermaßnahmen (weder Neubau noch Sanierung) und damit Geldzuflüsse in den Fonds für Belegungsbindungen vorhanden sind, hat die PRO POTSDAM bereits zugesichert, zur Absicherung des Projektstartes jährlich 25.000 € (über 5 Jahre) in den Fonds einzuspeisen.

 

Nach erfolgreicher Modellphase besteht die Hoffnung, dass die erwarteten positiven Erfahrungen auch auf die Zusammenarbeit mit anderen Vermietern übertragen werden können, und  dass unter den genannten Rahmenbedingungen die Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Fördermitteln wieder wächst.

 

Darüber hinaus bietet dieses Modell auch die Möglichkeit, durch Einsatz städtischer Mittel (unabhängig von Fördermaßnahmen) einen Beitrag zur Schaffung zusätzlicher Belegungsbindungen zu erbringen.

 

Neben diesem Modellprojekt zwischen der Landeshauptstadt Potsdam und der PRO POTSDAM prüft die Verwaltung auch noch die Möglichkeiten, ein kommunales Wohnungsbauprogramm aufzulegen, dessen Hauptzweck die Generierung von Mietpreis- und Belegungsbindungen sein soll. Es ist jedoch schon jetzt erkennbar, dass hierfür erhebliche finanzielle Mittel der Stadt aufgewendet werden müssten.

 

Die Verwaltung schlägt vor, über den Fortgang der vorgenannten Themen im Rahmen der noch vor Ablauf des Jahres 2010 vorgesehenen zweiten Berichterstattung zum Stadtentwicklungskonzept Wohnen in den vorgesehenen Ausschüssen zu berichten.

 

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