Mitteilungsvorlage - 10/SVV/1004
Grunddaten
- Betreff:
-
Bürgerkredit, Bürgerfonds und kommunale Anleihen
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Mitteilungsvorlage
- Federführend:
- GB Zentrale Steuerung und Service
- Einreicher*:
- Oberbürgermeister, Servicebereich Finanzen und Berichtswesen
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | PA |
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Erledigt
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Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam
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zur Kenntnis
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01.12.2010
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15.12.2010
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Erledigt
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Ausschuss für Finanzen
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zur Kenntnis
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12.01.2011
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Erledigt
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Hauptausschuss
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zur Kenntnis
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19.01.2011
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09.02.2011
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Beschlussvorschlag
Die Stadtverordnetenversammlung nimmt zur Kenntnis:
In Umsetzung des Beschlusses 10/SVV/0349 zum Prüfauftrag der Umsetzbarkeit alternativer Finanzierungsmodelle wird der folgende Zwischenbericht bekannt gegeben.
Zwischenbericht zur Prüfung der Umsetzbarkeit alternativer Finanzierungsmodelle für die Landeshauptstadt Potsdam
1. Rechtlicher Rahmen
Den rechtlichen Rahmen zu Kreditaufnahmen der Kommune bilden die Brandenburgische Kommunalverfassung (BbgKVerf), die Kommunale Haushalts- und Kassenverordnung (KomHKV), der Runderlass des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg Nr. 7/2003 zum Kreditwesen der Kommunen und das Gesetz über das Kreditwesen (KWG). Dabei werden Investitionskredite und Kassenkredite unterschieden.
Die alternativen Finanzierungsmöglichkeiten wie z.B.
¦ Bürgerkredite
¦ Bürgerfonds
¦ Kommunalanleihen
unterliegen ebenfalls diesen Vorschriften.
2. Zweckbestimmung
Zur Finanzierung von im Haushalt veranschlagten Maßnahmen dienen ausschließlich Investitions-kredite. Kassenkredite sind keine Finanzierungsmittel, sie dienen der Überwindung von Liquiditäts-engpässen. In den folgenden Ausführungen werden Kassenkredite daher außer Acht gelassen.
§ 74 (1) BbgKVerf legt speziell zu den Investitionskrediten fest, dass diese nur für Investitionen, Investitionsförderungsmaßnahmen und zur Umschuldung bestehender Investitionskredite aufge-nommen werden dürfen. Kreditähnliche Rechtsgeschäfte, zu denen die alternativen Finanzierungsmöglichkeiten gehören, sofern sie nicht unter Investitionskredite fallen, regelt § 74 (5) BbgKVerf. Kreditaufnahmen zur Finanzierung der Aufwendungen aus dem Ergebnishaushalt lässt die Brandenburgische Kommunalverfassung nicht zu.
3. Genehmigungspflicht und dauernde Leistungsfähigkeit
Da Kredite und kreditähnliche Rechtsgeschäfte zu erheblichen langfristigen Haushaltsbelastungen führen, unterliegen diese Geschäfte gemäß § 74 (2) und (5) BbgKVerf der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde. Die Genehmigung ist davon abhängig, ob der Gemeinde eine geordnete Haushaltswirtschaft bescheinigt werden kann. Dazu sind die Einhaltung aller Haushaltsgrundsätze und das Bestehen einer dauernden Leistungsfähigkeit notwendig. Im Wesentlichen geht es darum, ob die Gemeinde jetzt und in Zukunft alle Verpflichtungen, die sich aus dem Kreditvertrag oder Verträgen zu kreditähnlichen Rechtsgeschäften ergeben und darüber hinaus die aus den Investitionen resultierenden Folgekosten tragen kann.
4. Haushaltslage
Die Landeshauptstadt Potsdam kann den Haushaltsausgleich voraussichtlich erst in 2016 wieder erreichen. Sie gehört seit vielen Jahren zu den Kommunen, die ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen haben. Aufgrund der derzeit nicht gegebenen dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune besteht die Aussicht auf Genehmigung für entsprechende Geschäfte ausschließlich dann, wenn diese künftig zu einer Verbesserung der Haushaltslage führen würden, d.h. wenn es sich um so genannte rentierliche Maßnahmen handelt.
5. Finanzierungsarten
Im Folgenden sollen einzelne Finanzierungsarten der Fremdfinanzierung von Investitionen näher dargestellt werden:
5.1 Investitionskredite
Investitionskredite sind Kredite zur Veränderung des Anlagevermögens und zur Gewährung von Investitionszuwendungen an Dritte oder Eigenbetriebe. Die Weiterleitung der Kreditmittel ist dabei gemäß Runderlass zum Kreditwesen (Abschnitt 1.2.3) nur für gemeindliche Aufgaben zulässig. Seit 1997 hat die Landeshauptstadt Potsdam, mit Ausnahme der zinslosen Schulbaudarlehen, erstmals wieder eine Kreditaufnahme vorgesehen. Genehmigt wurde für das Haushaltsjahr 2010 ein Teilbetrag i.H.v. 407.700 EUR.
5.2 Bürgerkredite
Bürgerkredite bezeichnen ein neues Finanzierungsmodell, bei dem sich die Gemeinde direkt von ihren Bürgern Geld leiht. Die Bürger verbinden damit den Wunsch zur Umsetzung von in ihrem Interesse liegenden Maßnahmen. Der Kredit wird verzinst und beide Seiten erhoffen sich aus dem Geschäft einen Zinsvorteil gegenüber herkömmlichen Geldanlagen bzw. Krediten.
Dieses Finanzierungsmodell wurde in 2009 erstmals durch die schleswig-holsteinische Gemeinde Quickborn realisiert. Dabei wurden die Bestimmungen des Gesetzes über das Kreditwesen missachtet, wonach für Kreditgeschäfte eine Zulassung als Bank bzw. Finanzdienstleister seitens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) benötigt wird. Das Verhalten der Gemeinde Qickborn wurde daher durch das zuständige Innenministerium gerügt und weitere Geschäfte gleicher Art wurden durch die BaFin untersagt.
In einem zweiten Versuch, bei dem eine Bank zwischengeschaltet wurde, konnte die ursprüngliche Kredithöhe von 4,0 Mio. EUR nicht mehr erreicht werden. Die Verwaltung vieler kleiner Einzelbeträge verursacht hohe Verwaltungskosten, die sich in den Zinssätzen niederschlagen.
Wird der Kredit seitens der Kommune für einen längeren Zeitraum benötigt als die Bürger ihr Geld im Einzelnen anlegen würden, sind über die Bank auch langfristige Modelle möglich, indem Geldanlagen der Bürger hintereinander geschaltet werden.
5.3 Bürgerfonds
Bei diesem Finanzierungsmodell ist ebenfalls die Zwischenschaltung einer Bank oder eines Kreditinstitutes notwendig, da die Kommune selbst zur Annahme fremden Geldes nicht berechtigt ist, und auch keine Banklizenz erwerben kann.
Bei Bürgerfonds können Bürger über eine Bank Fondsanteile kaufen, die sie nach einer festgelegten Laufzeit zurückgeben und dafür den Kapitalbetrag und Zinsen erhalten. Eine kurzfristige Kündigung ist unter Verzicht auf Zinsanteile ebenfalls möglich. Der Verwaltungsaufwand seitens des Kredit-institutes wirkt sich auf den durch die Kommune zu zahlenden Zins aus.
Die Stadtwerke hatten eine entsprechende Untersuchung durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass aus wirtschaftlichen Erwägungen einer klassischen Finanzierung der Vorzug gegeben wird.
5.4 Kommunalanleihen
Um das Geld privater Anleger zu nutzen, können Kommunen Anleihen aufnehmen. Bisher war diese Form der Finanzierung jedoch nicht üblich bzw. den Landeshaushalten und dem Bundeshaushalt vorbehalten. Anleihen werden direkt am Kapitalmarkt nach einem bestimmten Prozedere aufgenommen. Sie verursachen hohe Emissionskosten, die erst dann zu vernachlässigen sind, wenn das Emissionsvolumen eine Größe von mindestens 50 Mio. EUR, besser 100 Mio. EUR, erreicht. Die Emissionskosten haben Auswirkungen auf den Zins. Das Ziel der Kommune wäre jedoch eine geringe Verzinsung.
So hat die Landeshauptstadt Hannover in 2009 eine Anleihe mit einem Volumen von 105 Mio. EUR an den Kapitalmarkt gebracht.
6. Marktlage für Kommunalkredite
Derzeit herrscht am Kreditmarkt ein sehr günstiges Zinsniveau. Ist die Kommune im Besitz einer Kreditermächtigung, ist eine Kreditaufnahme zzt. sehr preiswert zu realisieren. Es gibt bisher für die Landeshauptstadt Potsdam auch keine Schwierigkeiten Kreditmittel (zur Umschuldung oder für den Eigenbetrieb KIS) zu erhalten.
7. Abstimmung mit dem Ministerium des Innern
Seitens der Rechtsaufsichtsbehörde wurde auf Nachfrage bezüglich der o.g. alternativen Finanzierungsmodelle signalisiert, dass diese nicht als abstraktes Finanzierungsmodell genutzt werden dürfen und die Aussicht auf Genehmigung nur für sehr spezifische Einzelprojekte besteht.
D.h. es müssten ein oder einige wenige spezielle Einzelvorhaben ausgewählt werden, die über eines der alternativen Finanzierungsmodelle realisiert werden sollen. Die Projekte müssen einen direkten Bezug zu den Belangen der Bürger haben, die der Kommune zeitweise Geld überlassen. Danach wären die Umsetzbarkeit über eine Bank bzw. ein Kreditinstitut und die Belastbarkeit des Haushaltes dahingehend zu prüfen, ob die Summe aller Zins- und Tilgungsverpflichtungen die Leistungsfähigkeit der Gemeinde künftig nicht übersteigt, bevor ein Antrag auf Genehmigung an das Ministerium des Innern gestellt werden kann.
Das Ministerium des Innern wurde als Rechtsaufsichtsbehörde um eine generelle Einschätzung der Realisierbarkeit von Bürgerkrediten, Bürgerfonds und Kommunalanleihen gebeten. Das Ministerium verweist in seinem Antwortschreiben vom 11.11.2010, welches der Mitteilungsvorlage als Anlage 1 beigefügt wurde, darauf, dass die in Rede stehenden Finanzierungsformen grundsätzlich unter Genehmigungsvorbehalt durch die Kommunalaufsichtsbehörde stehen, da es sich um die Aufnahme von Fremdkapital handelt. Die Kreditaufnahmen bzw. kreditähnlichen Rechtsgeschäfte müssen im Einklang mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune stehen. Eine Erweiterung der Verschuldungsmöglichkeiten durch Bürgerkredite, Bürgeranleihen und ähnliche Rechtsgeschäfte wird seitens der Kommunalaufsicht ausdrücklich ausgeschlossen. Weiterhin wird darauf verwiesen, dass bei der Aufnahme von Bürgerkrediten, der Emission von Bürgeranleihen u.Ä. ebenfalls die allgemein geltenden Grundsätze der Subsidarität von Kreditaufnahmen sowie der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten sind. Gleichzeitig erfolgt der Hinweis darauf, dass die Kommune im Sinne des § 92 (6) BbgKVerf selbst keine Bankgeschäfte tätigen darf, so dass sie sich zur Realisierung der angesprochenen Finanzierungsinstrumente an die hierfür zugelassenen Geldinstitute wenden muss. Dafür fallen neben Zins- und Tilgungsleistungen ggf. noch weitere Aufwendungen wie Bearbeitungsgebühren u.Ä. an. Auf den Runderlass zum Kreditwesen mit den entsprechend zu beachtenden Regelungen wird verwiesen.
8. Fazit
Die Kommune ist dem Grundsatz der Sparsamkeit in hohem Maße verpflichtet. Die alternativen Finanzierungsmöglichkeiten sind mit großem Aufwand verbunden, welcher sich in den anwendbaren Zinssätzen niederschlägt. Kommunalanleihen sind zusätzlich vom aufzunehmenden Volumen her als für die Landeshauptstadt Potsdam als nicht realisierbar einzuschätzen. Der Schuldenstand und damit die Belastungen aus dem Schuldendienst würden sich drastisch erhöhen. Aus Gründen der Sparsamkeit sind diese Modelle derzeit nachrangig. Klassische Kommunalkredite dagegen sind derzeit sehr günstig zu erhalten. Die Landeshauptstadt hat keinen Grund auf andere Finanzierungs-quellen/Märkte auszuweichen.
In bestimmten Einzelfällen kann jedoch die Einbeziehung der Bürger in Finanzierungsfragen sinnvoll sein, um eine Identifizierung mit den umzusetzenden Maßnahmen zu erreichen. Dies wird jedoch nur für ein relativ geringes Finanzvolumen möglich sein, bis die Kommune den Haushaltsaugleich dauerhaft wieder erreicht.
Eine Entscheidung über die Umsetzung in Potsdam sollte vor dem Hintergrund der spezifischen Entwicklung der Landeshauptstadt und ihres Haushalts getroffen werden. Als wachsende Stadt muss zunächst die Finanzierung pflichtiger Aufgaben (wie Bereitstellung von Kita-, Schul- und Hortplätzen, Straßenbau etc.) gesichert werden.
Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Haushalt der Landeshauptstadt Potsdam in künftigen Haushaltsjahren durch Kreditaufnahmen Dritter belastet wird. So sind die Verbindlichkeiten aus der Entwicklung des Bornstedter Feldes vom Entwicklungsträger spätestens nach Beendigung der Entwicklungsmaßnahme in den Haushalt der Gemeinde zu übernehmen. Kreditaufnahmen und ÖPP-Modelle des Eigenbetriebes Kommunaler Immobilien Service werden über Mieten zu erheblichen Beträgen an die Gemeinde weiterberechnet.
Das Thema alternativer Finanzierungsmodelle wird insgesamt weiter verfolgt. Nach Abschluss der Prüfungen wird eine weitere Berichterstattung erfolgen.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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1
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(wie Dokument)
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91,6 kB
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