Antrag - 12/SVV/0397

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde regelmäßig Schulungsangebote zu organisieren oder zu vermitteln, in denen interkulturelle Kompetenzen erlernt werden können.

 

Die Teilnahme an Weiterbildungen oder der Nachweis interkultureller Kompetenzen soll für alle MitarbeiterInnen künftig verpflichtend sein.

 

Über die vorgesehenen Maßnahmen soll die Stadtverordnetenversammlung im Oktober 2012 informiert werden.

 

 

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Erläuterung

 

Begründung:

 

Für MigrantInnen und Flüchtlingen sind Behörden eine der ersten Anlaufstellen bei ihrer Ankunft. Auch nach der Ankunft in Deutschland bleibt der Umgang mit Verwaltungsstellen ein Alltagserfordernis. So stehen VerwaltungsmitarbeiterInnen der Ausländerbehörde Potsdam im täglichen Kundenkontakt mit Menschen aus anderen Staaten und Kulturkreisen. Als Repräsentanten des Gastlandes müssen sie daher auf differierende Wertvorstellungen, auf Umgangsformen, welche von den ihnen Vertrauten abweichen und auf Sprachschwierigkeiten eingehen.

 

Gerade MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde können durch ein sensibles Auftreten maßgeblich zur konfliktärmeren Integration beitragen. Die Fähigkeit zu einem professionellen Umgang mit interkulturellen Differenzen erhöht auch die Arbeitszufriedenheit der VerwaltungsmitarbeiterInnen.

 

Für MitarbeiterInnen in der öffentlichen Verwaltung, insbesondere in der Ausländerbehörde, ist es daher wichtig, über Interkulturelle Kompetenz zu verfügen. Interkulturell kompetent agiert nach dem Leitfaden für die Bildungspraxis, Band 35 „Interkulturelle Kompetenz für die öffentliche Verwaltung“ herausgegeben vom Forschungsinstitut für Betriebliche Bildung (fbb), eine Person, die bei der Zusammenarbeit mit Menschen aus ihr fremden Kulturen deren spezifische Konzepte des Wahrnehmens, Denkens, Fühlens und Handelns erfasst.

 

Diese Kompetenz und deren Umsetzung in beruflichen Handlungssituationen ist erlernbar.

 

Im Rahmen einer Großen Anfrage der Fraktion Die Andere – Drucksache 12/SVV/0043 – beantwortete die Ausländerbehörde der Stadt Potsdam Fragen, welche die Lebenssituation von Flüchtlingen thematisierten. Neben statistischen Informationen wurden u.a. Fragen nach den Arbeitsabläufen in der Behörde, der Qualifikation und Fortbildung der Mitarbeitenden und der sprachlichen Verständigung mit den MigrantInnen gestellt.

 

Anlass zu der Großen Anfrage hatten u.a. Verbesserungsvorschläge und Nachfragen, aber auch kritische Berichte über den Umgang mit MigrantInnen in der Ausländerbehörde Potsdam geboten.        Zwar hat die Verwaltung bislang nicht alle Teilkomplexe der Großen Anfrage beantwortet. Jedoch lassen die schon vollständig beantworteten Teilbereiche zur Qualifikation und Fortbildung, sowie zur sprachlichen Verständigung – Teilfragen 10 bis 20 – bereits Rückschlüsse auf die Arbeit der Ausländerbehörde zu.  

 

Teilfrage 17 zielt auf Erkenntnisse über die Interkulturelle Kompetenz der MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde und erfragt, nach welchen Kriterien diese Kompetenz eingeschätzt wird. In der Antwort wird lediglich darauf hingewiesen, dass alle Stellenausschreibungen seit 2010 den Hinweis am Interesse der LHP auf Bewerbungen von Menschen mit Interkultureller Kompetenz enthalten. Dies ist aus Sicht des Antragstellers grundsätzlich ein guter erster, wenn auch eher selbstverständlicher Ansatz. Dennoch bedeutet die Antwort im Umkehrschluss, dass die vor 2010 eingestellten MitarbeiterInnen bislang nicht in den Genuss interkultureller Schulungen gekommen sind und dies auch bis dato kein Einstellungskriterium darstellte.   

 

Diese Einschätzung wird untermauert durch die Beantwortung der Frage 20 der Großen Anfrage nach den fachlichen Fortbildungen, welche die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde in den vergangenen fünf Jahren durchlaufen haben. Unter sechs Anstrichen werden hier ausschließlich ausländerrechtliche, d.h. juristische Schulungen aufgelistet, welche sich zum nicht unerheblichen Teil mit negativ konnotierten Zusammenhängen des Ausländerrechts wie dem Erkennen von Scheinehen oder besonderen Problemen bei der Abschiebung und Ausweisung beschäftigen.  Eine Interkulturelle Schulung gehörte bislang nach Auskunft der Verwaltung nicht zum Katalog möglicher Schulungsmaßnahmen für Mitarbeitende der Ausländerbehörde Potsdam.

 

Bei der Erörterung der Großen Anfrage in der Stadtverordnetenversammlung am 04.04.2012 wurde von verschiedenen Fraktionen die Beantwortung der Frage 10 nach der sprachlichen Verständigung der BehördenmitarbeiterInnen mit den MigrantInnen kritisiert. Die Behörde antwortet dort auf die Frage, in welcher Sprache die MigrantInnen in der Ausländerbehörde beraten werden: „Nach § 23 I VwVfG ist die Amtssprache deutsch. Im Übrigen setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels häufig deutsche Sprachkenntnisse voraus.“ Diese Antwort spiegelt ein überkommenes Selbstverständnis der Behörde wieder. MigrantInnen und Flüchtlinge werden als Bittsteller wahrgenommen, die zunächst einmal die deutsche Sprache erlernen sollten, bevor sie mit ihren Wünschen an die Ausländerbehörde herantreten.

 

Aufenthaltsrechtlich ist es zudem schlicht unzutreffend, alle Flüchtling und MigrantInnen müssten der Sprache des Aufnahmelandes bereits bei der ersten Antragstellung mächtig sein. Beispielsweise setzen humanitäre Aufenthaltstitel – vgl. § 25 Absatz 4 AufhG – keine Sprachkenntnisse voraus. Ein Bemühen der Mitarbeitenden der Behörde, um eine Verständigung in beispielsweise englischer Sprache oder aber Eigeninitiative der BehördenmitarbeiterInnen bei der Hinzuziehung eines Dolmetschers, werden bei Beantwortu ng der Großen Anfrage nicht dargestellt. Die Behörde versteht sich offenbar nicht als Dienstleisterin gegenüber ihren KundInnen. Zu den Fähigkeiten der Mitarbeitenden der Ausländerbehörde sollte jedoch gerade auch die Akzeptanz der sprachlichen Schwierigkeiten der KundInnen gehören. 

 

Bei der Erörterung der Großen Anfrage im Rahmen des Migrantenbeirates der LHP am 17.04.2012 schlossen sich mehrere Beiratsmitglieder und Anwesende dem Wunsch nach einer besseren Interkulturellen Schulung des Behördenpersonals  an. So verwies unter anderem Frau Dr. Löbel –  Leiterin der Sicherheitskonferenz SiKo bei der Stadt Potsdam – auf den diesbezüglich problematischen Umgang der Potsdamer Ausländerbehörde mit ihren Klienten.

 

Nicht nur beim Treffen des MigrantInnenbeirates wurde beklagt, dass einige der MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde das notwendige Fingerspitzengefühl für die Probleme ihrer Klienten vermissen lassen. Fehlvorstellungen und Stereotypen über die kulturellen und politischen Hintergründe, die Beweggründe für einen Zuzug oder eine Flucht nach Deutschland, aber auch ein Mangel an Einfühlungsvermögen werden beklagt.

 

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Behörde trotz mehrfachen Hinweises den Bereich für MigrantInnen, welche im Besitz eines humanitären Aufenthaltstitels sind, nach wie vor als „Aufenthaltsbeendenden Bereich“ deklariert, obschon Flüchtlinge mit einem entsprechenden Aufenthaltstitel weder kurz- noch mittelfristig ausgewiesen werden (können). Auf die Frage, welche Wirkung diese Verfahrensweise auf die Klienten der Behörde haben mag, antwortet die Ausländerbehörde – Frage 7 – dass Daten darüber, „welche Wirkung das auf den Ausländer hat, mangels Erforderlichkeit nicht erhoben“ werden.        

 

Die Fraktion Die Andere und der Migrantenbeirat sehen das Thema der Interkulturellen Öffnung der Verwaltung als sehr wichtig an. Dieses Thema wurde daher auf die Tagesordnung des jährlichen Gespräches des Migrantenbeirates mit dem Oberbürgermeister gesetzt.

 

Das Referat Personalqualifizierung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bewertet die Wichtigkeit des Themas wie folgt: „Die Förderung Interkultureller Kompetenz ist ein entscheidender Baustein, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihrer Aufgabenerfüllung unterstützen und den respektvollen und konstruktiven Umgang miteinander unterstützen soll.“

 

 

Wie kann eine Interkulturelle Schulung der Ausländerbehörde aussehen?

 

Die Methode des interkulturellen Lernens ist das interkulturelle Training. Ein interkulturelles Training soll die Fähigkeit der TeilnehmerInnen zur Interaktion mit Angehörigen anderer Kulturkreise verbessern. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung einer Interkulturellen Schulung für die Ausländerbehörde Potsdam verweisen wir auf Band 35 des Leitfadens für die Bildungspraxis „Interkulturelle Kompetenz für die öffentliche Verwaltung“ herausgegeben vom Forschungsinstitut für Betriebliche Bildung (fbb).

Der Aufbau einer solchen Schulung wird dort etwa wie folgt vorgeschlagen:

 

1. Bedarfsermittlung und Ermittlung der Besonderheiten des Bedarfs der Behörde

Interkulturelle Trainings sind in der Wirtschaft längst bewährte Praxis, wenn ein Mitarbeitender im Ausland tätig wird. Der Bedarf interkulturell kompetenter BehördenmitarbeiterInnen unterscheidet sich hiervon. Der Schulungsbedarf bezieht sich hier nicht auf eine spezielle Kultur, sondern auf ein möglichst breites Wissensspektrum über kulturspezifische Unterschiede jener Regionen, aus denen die MigrantInnen, welche die Behörde frequentieren, stammen.

 

2. Auswahl eines Interkulturellen Trainings

Hier ist zunächst darauf Bezug zu nehmen, aus welchen Kulturkreisen die KundInnen der Ausländerbehörde stammen (siehe 1.) Im Rahmen einer Verknüpfung verschiedener Lernformen kann man den Lernprozess flexibel auf die konkreten Erfordernisse einer Behörde abstimmen. Bestandteile können sein, die kultur- und kommunikationstheoretische Grundlagen, landeskundliches Wissen zu bestimmten Herkunftsregionen von EinwanderInnen, Wissen über die Situation von EinwanderInnen hier in Deutschland und schließlich Module, welche interkulturelle Handlungskompetenzen und praktische Ratschläge für eine effektivere Kommunikation vermitteln.

Erfahrungen mit derartigen Trainingsmaßnahmen zeigen, dass die Teilnehmenden vor allem an praxisorientierten Mechanismen zur Konfliktlösung Interesse zeigen. Hilfreich sind daher Fallkonstellationen mit hohem Bezug zur Arbeitspraxis der Teilnehmenden. Deutlich zu machen ist jedoch auch, dass es selten Patentlösungen für interkulturelle Problemlagen gibt.

 

3. Teilnehmendenauswahl    

Weiterhin ist zu eruieren, welche Mitarbeitenden der Behörde auf welcher Ebene Kundenkontakt haben, denn insbesondere für diese MitarbeiterInnen ist das Interkulturelle Training gedacht.

 

4. Planung des Gesamtablaufs der Schulung und Organisation der Schulungsphasen

Entsprechend der ausgewählten Module des Trainings ist ein Gesamtablaufplan zu erarbeiten. Die organisatorischen Anforderungen an die Schulung – etwa EDV-Anforderungen – sind zu klären.

 

5. Einladung der Teilnehmenden

6. Durchführung der Lernphasen

7. Evaluation, Sicherstellung der Nachhaltigkeit und des Transfers

 

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