Antrag - 14/SVV/0731

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, einen öffentlichen Diskurs zum Versöhnungsort Garnisonkirche zu initiieren, in dem Befürworter wie die Fördergesellschaft sowie die kirchliche Stiftung Garnisonkirche Potsdam als Trägerin des Projektes und Kritiker wie die Initiative Potsdam ohne Garnisonkirche sowie die Stadtpolitik gleichermaßen die Gelegenheit zur Erläuterung ihrer Positionen haben.

              Der Diskurs soll neutral moderiert und öffentlich stattfinden.

              Themenkomplexe sollen klar strukturiert behandelt werden, Geschichte und Konzept in Beziehung gesetzt und wissenschaftlicher Sachverstand einbezogen werden.

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich dafür einzusetzen und seitens der Landeshauptstadt zu unterstützen, dass in einem Workshop Entwürfe entwickelt und erörtert werden, die an dem zu rekonstruierenden Gebäude den historischen Bruch in der Geschichte deutlicher als bisher allein mit dem Nagelkreuz sichtbar macht.

              Das Ergebnis des Workshops ist bis Januar 2015 mitzuteilen und in den öffentlichen Diskurs einzubringen.

  1. Das Konzept für den Ablauf der Veranstaltungen ist dem Hauptausschuss spätestens im Oktober 2014 vorzulegen. Er soll spätestens im Dezember 2014 beginnen und im Frühjahr 2015 seinen Abschluss finden. Ergebnis sollen die sachliche Darstellung von Positionen sowie wenn erforderlich eine Grundlage für die Erforschung der öffentlichen Meinung in Form einer Bürgerbefragung oder einer repräsentativen Meinungsumfrage sein.

 

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Erläuterung

Begründung

 

Die Stadt ist nicht Trägerin des Wiederaufbaus der Garnisonkirche.

Ungeachtet der Erledigung des Auftrags der STVV vom 29. Juli 2014 durch den Oberbürgermeister soll deshalb mit dem hier vorgeschlagenen Beschluss ein unabhängig moderierter öffentlicher Diskurs in Gang gesetzt  werden, der den sachlichen Austausch der Argumente, eine umfassende Information der Potsdamerinnen und Potsdamer sowie die Entwicklung von Kompromissen ermöglicht.

 

Seit 1990 engagieren sich Bürgerinnen und Bürger aus Potsdam und darüber hinaus für den Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam. Sie steht im Kontext der Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte und ist zugleich ein wichtiger Gedenkort in Potsdam.

 

1998 wurde ein Städtebaulicher Rahmenplan gefasst, der neue städtebauliche Ziele für den Bereich der Garnisonkirche fasste. Die Synode des evangelischen Kirchenkreises bestätigte das Projekt und das Konzept als Ort der Versöhnung im September 2001. Am 23. Januar 2002 erfolgte in großem Konsens ein Stadtverordnetenbeschluss, der das Projekt unter Bedingungen stützte: Versöhnungszentrum, nur der Turm, keine städtischen Mittel.

 

2004 erging der „Ruf aus Potsdam“, mit dem Spenden eingeworben werden sollen, für die gesamte Kirche als „Stadtkirche, Symbolkirche und Ort der Versöhnung“. Eine Fördergesellschaft wurde gegründet. Im selben Jahre wurde das Projekt Mitglied der Nagelkreuzgemeinschaft Deutschland e.V.

 

2008 wurde die „Stiftung Garnisonkirche“ gegründet, die Trägerin des Projektes ist. Die Stadtverordnetenversammlung fasste mit großer Mehrheit den Beschluss, als Mitstifterin das Grundstück in die Stiftung einzubringen, wobei auch beschlossen wurde, dass das Versöhnungskonzept verwirklicht wird, lediglich der Turm wieder errichtet wird und keine weiteren städtischen Mittel für die Verwirklichung des Stiftungszwecks aufgewendet werden dürfen.

 

2009 übernahm der Bundespräsident Horst Köhler die Schirmherrschaft.

 

2013 wurde der Bauantrag nach dem Entwurf des Architekten Thomas Albrecht genehmigt. Der Turm ist so geplant, dass eine spätere Anfügung des Kirchenraumes möglich ist.

Nach den bisherigen Planungen soll die Kirche vollständig nach historischem Vorbild wiedererrichtet werden, das Kirchenschiff in einer zweiten Etappe. 2013 sagte die Bundesregierung Fördermittel zu, die zur Verfügung stehen sollen, wenn die Gesamtfinanzierung gesichert ist.

2014 erfolgte die endgültige Trennung von der Stiftung Preußisches Kulturerbe, die aus der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiels e.V. hervorgegangen war. Diese hatte zuerst Spenden eingeworben und ein konservativ-religiöses Nutzungskonzept verfolgt, das nicht mit dem modernen Versöhnungskonzept der Kirche  vereinbar ist.

 

Alle Mehrheitsentscheidungen wurden vor dem Hintergrund intensiver Debatten gehrt, das Projekt wurde immer auch kritisch gesehen. So hat sich 2003 die Heilig-Kreuz-Gemeinde dagegen ausgesprochen. In der Stadtverordnetenversammlung hat sich die Fraktion Die Andere immer grundsätzlich gegen das Projekt positioniert.

 

2014 fand ein Bürgerbegehren mit dem Anliegen statt, „… dass die Stadt alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten nutzt, um auf die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche hinzuwirken“. Die Kritik richtet sich gegen die militärische Geschichte und Symbolik der Kirche, gegen ihre belastete Symbolwirkung durch den Tag von Potsdam, gegen die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte, sie enthält die Befürchtung des Militarismus und des Symbolortes für Neonazis und sieht einen Verstoß gegen die Trennung von Staat und Kirche. Erklärtes Ziel der Projektgegner ist es, den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu verhindern, die Zuwendung öffentlicher Mittel auszuschließen und potentielle Spender abzuschrecken.

 

Am 30. Juli 2014 bestätigte die Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich die Zulässigkeit des Begehrens und beauftragte den Oberbürgermeister, alle für die Stadt rechtlich zulässigen Möglichkeiten zu nutzen, um auf die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche Potsdam hinzuwirken. Dadurch entfällt nach den gesetzlichen Vorgaben der Bürgerentscheid. Nach der Information des Rechtsamtes kann der Auftrag aus rechtlichen Gründen jedoch nicht erfüllt werden.

 

Die jüngste Entwicklung hat gezeigt, dass die schon geführten Diskussionen, die qualifizierten Stimmen für oder gegen das Projekt, aus dem Blick geraten sind. Sachlich falsche Annahmen, das Geld für die Kirche würde bei den Schulneubauten und der Kitasanierung der Landeshauptstadt fehlen oder es sei eine Militärkirche geplant, haben Missversndnisse erzeugt. Die Diskussion ist zuletzt sehr konfrontativ verlaufen. Fragen zum Konzept, die Themenkomplexe aus Geschichte/Kirchengeschichte, aus Religion und Politik, aus der Aufarbeitung von Krieg und zur aktuellen Friedensarbeit berühren, bedürfen ebenso der Erörterung wie ein bauliches Zeichen für die neuen Aufgabe dieser Kirche. Deshalb ist ein erneuter, intensiver öffentlicher Diskurs erforderlich.

 

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