12.02.2003 - 2 Streichung aus der Ehrenbürgerliste

Beschluss:
abgelehnt
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Der Oberbürgermeister begrüßt zunächst die anwesenden Gäste, insbesondere Herrn Prof. Kroener, Historische Fakultät der Universität Potsdam, Herrn Dr. Martin Sabrow, Zentrum für Zeithistorische Forschung e.V., Herrn Wiede, Initiative Bildungsforum und Schülerprojekt zum „Tag von Potsdam“ sowie Herrn Vogel, Initiative Bildungsforum und Schülerprojekt zum „Tag von Potsdam“.

 

Der Oberbürgermeister bittet zunächst die beiden Historiker, ihre Sichtweisen zur Streichung Paul von Hindenburgs von der Liste der Ehrenbürger der Stadt Potsdam darzulegen.

 

Herr Prof. Kroener verweist in seinen Ausführungen u.a. auf die Bedeutung einer Ehrenbürgerliste als zeithistorisches Geschichtsdokument Im Weiteren äußert sich Herr Prof. Kroener zur Person Paul von Hindenburgs und seine Rolle als Reichspräsident. Wie er u.a. ausführt, halte er eine Gleichsetzung der Person Hitler und Hindenburg für problematisch. Dass Hindenburg Hitler zur Macht verholfen habe, sei im Entscheidungskontext der damaligen Zeit zu betrachten. Dies wird von ihm näher ausgeführt. Herr Prof. Kroener legt an 2 Beispielen dar, dass Hindenburg dem Versuch widerstanden habe, Hitler die Reichskanzlerschaft anzutragen. Im Weiteren macht er deutlich, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen den Nationalsozialisten und Hindenburg gebe. Er verweist auf die Problematik, dass bislang nur Nazis aus der Ehrenbürgerliste Potsdam gestrichen worden seien, wenn nunmehr Hindenburg von der Liste gestrichen werde, dann setze man ihn mit Hitler gleich. Herr Prof. Kroener gibt auch zu bedenken, dass die Personalisierung der Machtübernahme Hitlers die Verantwortung der Wähler übersehe.

 

Herr Prof. Sabrow verweist in seinen Ausführungen u.a. darauf, dass es nicht um die Frage gehe, Pro oder Contra zu Hindenburg, sondern  die Frage, wie weit eine geschichtspolitische Reinigung gehen solle. Es könne  nicht Aufgabe der Historiker sein, die richtige Geschichte ins Geschichtsbuch zu schreiben.  Wie Herr Prof. Sabrow u.a. ausführt, könne man Hindenburg zum einen als Steigbügelhalter Hitlers sehen, jedoch könne Hindenburg auch als Bollwerk gegen die Nationalsozialisten gesehen werden. Dies wird von Herrn Prof. Sabrow im einzelnen ausgeführt. Herr Prof. Sabrow gibt zu bedenken, den Kontext der Verleihung der Ehrenbürgerschaft zu betrachten. Was die Potsdamer Ehrenbürgerschaft betreffe, so könne Hindenburg hier als der monarchische Geist von Potsdam gesehen werden. Wolle man eine Korrektur der Ehrenbürgerschaften in der Vergangenheit vornehmen, dann sei dies nur angebracht, wenn man die Ehrenbürgerliste in ihrer Gesamtheit einer Prüfung unterziehe.

 

Herr Vogel bedankt sich bei den Stadtverordneten, dass diese Diskussion zustande gekommen ist, die wertvoll sei für die Auseinandersetzung mit der Person Paul von Hindenburg.

 

Herr Wiede macht in seinen Ausführungen u.a. deutlich, dass die Ehrenbürgerschaft Hindenburgs nicht vergleichbar sein mit anderen, weil das Handeln von Hindenburg in der Folge zu betrachten sei, also das, was dann nach der Machtübernahme von Hitler geschehen ist.

Die vorgetragenen Thesen der Historiker betrachte er unter diesem Gesichtspunkt als Polemik. Es gehe in der Frage der Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung nicht um eine Würdigung des Lebens von Hindenburg, sondern um die Beurteilung des zentralen politischen Vorganges, der Verleihung der Ehrenbürgerschaft.  Hindenburg und Hitler waren sich an diesem Tag von Potsdam sehr nah. Dieser Akt könne heute korrigiert werden, ohne dass die Geschichte verändert werde.

 

Herr Mühlberg äußert für die SPD-Fraktion, dass man die heutige Anhörung der Historiker abwarten wolle, bevor man sich eine endgültige Meinung zum Antrag äußert. Herr Mühlberg nimmt im Weiteren Bezug auf die im Jahr 2001 beschlossene Ehrenbürgersatzung, wonach die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod erlösche. Ehrenbürgerrechte können demzufolge nur von lebenden Personen in Anspruch genommen werden.

 

Der Oberbürgermeister verweist darauf, dass es nicht um die Löschung/Aberkennung der Ehrenbürgerschaft von Hindenburg gehe, sondern um die Streichung von Hindenburg aus der Ehrenbürgerliste.

 

Herr Richter erläutert nochmals die Intention des Antrages der Fraktion Die Andere. Es stelle sich die Frage, welche besonderen Verdienste Hindenburg um die Stadt Potsdam hat; dies sei eine Voraussetzung, um auf die Ehrenbürgerliste zu kommen. Hindenburg habe keine persönlichen Verdienste um die Stadt Potsdam. Es seien bereits Personen von der Ehrenbürgerliste gestrichen worden, insoweit sei dieses historische Dokument bereits verändert worden.

 

In der Weiteren Diskussion bringen Herr Dr. Scharfenberg, Herr Dr. Arlt, Herr Kapuste, Frau Hüneke, Frau Dr. Schröter und Frau Platzeck ihre Auffassungen zum Ausdruck und richten Fragen an die anwesenden Historiker, die von Herrn Prof.  Kroener und Herrn Prof. Sabrow beantwortet werden.

 

Frau Hünecke weist darauf hin, dass die Ehrenbürgerliste kein amtliches Dokument sei und letztlich mache man mit einer Streichung Hindenburgs die Ehrenbürgerschaft 1933/34 nicht ungeschehen. Im Späteren unterbreitet Frau Hünecke den Vorschlag, sich fraktionsübergreifend der Initiative zur Erarbeitung einer gemeinsamen Erklärung zur Person Paul von Hindenburgs anzuschließen.

 

Herr Kapuste äußert seine Bedenken zu dem Vorschlag von Frau Hüneke.

 

Der Oberbürgermeister macht nochmals deutlich, dass es bei der Entscheidung zur Streichung von Hindenburg von der Ehrenbürgerliste darum gehe, ob Hindenburg zu Recht oder zu Unrecht die Ehrenbürgerschaft verliehen wurde, ob er gestrichen wird und mit welchen Konsequenzen dies verbunden ist. Trifft man die Entscheidung nicht, so könnte dies so interpretiert werden, als würde man die Ereignisse von damals heute für gut heißen. Der Oberbürgermeister begrüßt den Vorschlag von Frau Hünecke zu einer Initiative für eine Erklärung zur Person Hindenburg.

 

Herr Richter merkt an, dass der Antrag der Fraktion Die Andere nicht zurückgezogen werde.

 

Herr Mühlberg verweist darauf, dass eine Aberkennung nur mit einer 2/3-Mehrheit möglich sei.

 

 

Der Oberbürgermeister stellt den Antrag der Fraktion Die Andere zur Abstimmung.

 

Der Hauptausschuss stimmt über den Antrag 03/SVV/022 ab:

 

 4 Ja-Stimmen

 9 Gegenstimmen und

 1 Stimmenthaltung

 

Damit ist der Antrag abgelehnt.

 

Der Oberbürgermeister sowie alle an der Diskussion beteiligten Mitgliedern des Hauptausschusses sprechen ihren Dank an Herrn Prof. Sabrow und Herrn Prof. Kroener aus für ihre vorgetragene wissenschaftliche Bewertung zur Unterstützung der Entscheidungsfindung zum vorliegenden Antrag der Fraktion Die Andere.

 

In der Ergänzung des Protokolls sei von hier auf den Artikel von Herrn Volkmar Klein in der Märkischen Allgemeinen, Potsdamer Stadtkurier vom 13. Februar 2003 sowie auf den Artikel von Herr Prof. Sabrow vom 16.02.2003 in der Berliner Morgenpost sowie im Tagesspiegel hingewiesen.

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Beschlusstext:

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Abstimmungsergebnis:

 

Zustimmung:

Ablehnung:

Stimmenthaltung: