Beschlussvorlage - 19/SVV/1166

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam entsendet in das Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche gemäß der Satzung der Stiftung Garnisonkirche § 6, Abs. 2, 7 und 8:

 

  1. als ordentliches Mitglied den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam
  2. als stellvertretendes Mitglied den/die Vorsitzende der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung.

 

Das Mitglied der Landeshauptstadt Potsdam nimmt im Kuratorium der Stiftung die in der Stiftungssatzung im §8, Abs. 1 und 2 definierten Aufgaben wahr und setzt sich darüber hinaus insbesondere für folgende Ziele ein:

a)      Der/die Vertreter/in der Landeshauptstadt Potsdam wirkt an der Schaffung einer Ausstellung, die die Geschichte des Ortes vollumfänglich darstellt, im Turm der Garnisonkirche mit und ernennt Vertreter/innen der Landeshauptstadt Potsdam für die Mitarbeit im Fachbeirat für Ausstellungen und im wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Garnisonkirche. Grundlage dieses Handlungszieles bildet die Wiederrichtung des Turms der Garnisonkirche aufgrund bereits erteilter Baugenehmigungen.

b)      Der/die Vertreter/in der Landeshauptstadt Potsdam im Kuratorium nimmt Gespräche mit der Stiftung Garnisonkirche und der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche e.V. auf mit dem Ziel, bei einer zunftigen Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück des ehemaligen Kirchenschiffs eine internationale Jugendbegegnungsstätte für Bildung und Demokratie zu errichten. Die zukünftige Architektur soll dabei kein rein historischer Nachbau werden, sondern den Anforderungen des Nutzungszwecks folgen. Bis zum Jahr 2023 soll ein inhaltliches Konzept erarbeitet werden, in dem auch die Frage der Trägerschaft einer solchen Einrichtung betrachtet wird.

c)      Der/die Vertreter/in der Landeshauptstadt Potsdam soll im Kuratorium darauf hinwirken, die Jugend- und Bildungsarbeit als Zweck in der Satzung der Stiftung Garnisonkirche zu verankern.


 

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Erläuterung

Berechnungstabelle Demografieprüfung:

 

 

Begründung:

 

Die Mitwirkung der Landeshauptstadt Potsdam an der Stiftung Garnisonkirche und dem Wiederaufbauprojekt ist durch widersprüchliche Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung gekennzeichnet. Einerseits wurde 2008 der Beschluss zum Eintritt der Landeshauptstadt Potsdam zur Stiftung Garnisonkirche getroffen (08/SVV/0325), andererseits aufgrund eines erfolgten Bürgerbegehrens auf die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche hingewirkt (14/SVV/0708).

 

Aus diesen Beschlüssen lassen sich weder eine eindeutige Positionierung der Landeshauptstadt Potsdam in der Frage des Wiederaufbaus von Turm und Kirchenschiff ableiten, noch ergeben sie die Grundlage für eine stadtgesellschaftliche Auseinandersetzung.

 

Mit dem im Bau befindlichen Turm der Garnisonkirche nimmt die Wiedergewinnung der Kirche gegenwärtig bereits bauliche Konturen an, die seitens der Landeshauptstadt Potsdam anerkannt werden. Zudem wird zukünftig ein städtischer Vertreter aktiv im Fachbeirat für Ausstellungen und im wissenschaftlichen Beirat der Stiftung an der Schaffung einer Ausstellung zur vollumfänglichen Geschichte des Ortes im Turm mitwirken.

 

Die Diskussion über die Geschichte der Garnisonkirche wird häufig auf ihre Symbolik für das verbrecherische nationalsozialistische Regime reduziert und ihr dabei darüber hinaus ein historisches Alleinstellungsmerkmal gegeben. Doch auch andere Städte weisen Bauten und Orte mit starken Bezügen zum nationalsozialistischen Regime und entsprechender Symbolwirkung aus. Dazu gehören zum Beispiel Nürnberg, München, Köln oder die Gemeinde Berchtesgaden.

 

In allen diesen Städten wird eine aktive Auseinandersetzung in Mitverantwortung der Stadt geführt. Die Stadt ist jeweils Betreiber oder Mitbetreiber von Zentren, in denen eine Dokumentation, Auseinandersetzung und Schulung insbesondere für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler ermöglicht wird. Die genannten Beispiele zeigen Perspektiven für Potsdam auf.

 

Die starke Kontroverse um den Wiederaufbau der Garnisonkirche mit ihrer verhängnisvollen nationalsozialistischen Vergangenheit sollte außerdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass die NS-Stadtgeschichte Potsdams noch nicht ausreichend aufgearbeitet ist. Eher müssen hier erhebliche Desiderate konstatiert werden, die mit der starken Fokussierung vor allem auf den einen historischen Moment in der Geschichte der Garnisonkirche, den „Tag von Potsdam“, zusammenhängen.

 

Die Landeshauptstadt Potsdam trägt deswegen eine Verantwortung zur Öffnung und Beförderung einer breit angelegten Auseinandersetzung mit der Geschichte, insbesondere mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Sie muss gleichzeitig darauf hinwirken, dass unumkehrbare inhaltliche Brüche mit der Geschichte der Kirche durch eine Nutzung des Kirchenschiffs erreicht werden. Nur so kann nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit dem historischen Ort als Exempel deutscher Geschichte befördert werden.

Mehr noch hat es darum zu gehen, aus der Vergangenheit Wege der Verantwortung und des demokratischen Zusammenhalts für die Gegenwart und Zukunft aufzuzeigen, insbesondere für die nachwachsende Generation. Dieser erinnerungs- und bildungspolitische Anspruch bedarf Orte.

 

Deswegen wird der/die Vertreter/in der Landeshauptstadt Gespräche mit der Stiftung Garnisonkirche und der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche e.V. aufnehmen mit dem Ziel, bei einer zukünftigen Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück, auf dem einst das Kirchenschiff stand, eine internationale Jugendbegegnungsstätte für Bildung und Demokratie zu errichten.

 

In Weimar haben das Land Thüringen und die Stadt Weimar mit der „Stiftung Europäische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar“ (EJBW) einen Ort der Jugendbildung, der internationalen Jugendarbeit sowie der Jugendsozialarbeit geschaffen, der für Potsdam Vorbildcharakter haben kann. Auftrag der EJBW ist es, am historischen Lernort Weimar Begegnung für junge Menschen, Multiplikatoren und Fachkräfte aus dem In- und Ausland zu ermöglichen. Leitmotiv ist die Demokratiestärkung durch die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen und einer Reflexion über den historischen Ort. Die Leitfrage derdagogischen Arbeit der EJBW ist:Was stärkt und was gefährdet Demokratie?

 

r Potsdam gilt es, in einem ersten Schritt bis zum Jahr 2023 ein inhaltliches Konzept zu erarbeiten, in dem auch die Frage der Trägerschaft einer solchen Einrichtung betrachtet wird.

 

Diese neue Nutzungsperspektive schafft den notwendigen inhaltlichen Bruch mit der Geschichte der Garnisonkirche und ermöglicht eine kompetente Auseinandersetzung vor allem mit der Geschichte vor Ort. Dabei gibt die anvisierte Funktion für die Bildungsstätte eindeutig die architektonische Form für den Neubau vor, der bewusst Brüche zum barocken Turm beinhalten kann. Die angestrebte Nutzung als Bildungsstätte in Verbindung mit dem barocken Turm soll dazu führen, dass die wiedererstehende Garnisonkirche ein integraler Bestandteil im städtischen Gefüge wird. Vernetzt und angenommen von der Potsdamer Stadtgesellschaft, überregional Impulse setzend für die Demokratie-Bildung.


 

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Fazit finanzielle Auswirkungen


 

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Anlagen

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