Mitteilungsvorlage - 21/SVV/0111

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Der Hauptausschuss nimmt zur Kenntnis:

 

I. Einleitung

Vor dem Hintergrund des SARS-CoV-2-Ausbruchs am Klinikum Ernst von Bergmann im Frühjahr 2020 wurde nach Vorschlag durch den Oberbürgermeister als Vertreter der Gesellschafterin, der Landeshauptstadt Potsdam (LHP), durch den Aufsichtsrat am 29.04.2020 eine unabhängige Expertenkommission zur Prüfung und Empfehlung organisatorischer und hygienischer Maßnahmen und Abläufe im Klinikum beauftragt. Vorangestellt sei daher, dass parallel zu den Aufarbeitungen der Expertenkommission Veränderungsprozesse hinsichtlich Führungs-, Organisationskultur und Hygiene eingeleitet wurden, die in der folgenden Mitteilungsvorlage teilweise eingeflossen sind.

Des Weiteren wurde durch den Oberbürgermeister als Vertreter der Gesellschafterin mit der Beurlaubung der bestehenden Geschäftsführung am 25.04.2020 eine Interimsgeschäftsführung bestellt, die die stufenweise Wiederinbetriebnahme des Klinikums, unter der Etablierung eines interdisziplinär erarbeiteten, weitreichenden Schutz-, Hygiene- und Sicherheitskonzeptes in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt, eingeleitet und umgesetzt hat. Unter anderem unter Zuhilfenahme von externem Sachverstand (RKI, Kienbaum, Prof. Zastrow) wurde das Krankenhaus organisatorisch in drei Bereiche (Covid, Non-Covid und Normalversorgung) geteilt, die Wegeführung unter hygienischen Gesichtspunkten optimiert und ein umfangreiches, systematisches Testregime für Patienten und Mitarbeiter unter Zuhilfenahme ausschließlich eigens aufgebauter hauseigener Labordiagnostik etabliert. Die Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen zeigt sich insbesondere in der aktuellen zweiten Infektionswelle, in der das Klinikum Ernst von Bergmann seinem Versorgungsauftrag als Schwerpunktversorger der Region umfassend nachkommt.

 

Die unabhängige Expertenkommission erhielt konkret den Auftrag:

-          aufzuklären, worauf die im Bericht des RKI vom 03.04.2020 benannten Mängel zurückzuführen sind,

 

-          zu prüfen, ob die Mängel auf grundlegenden organisatorischen und hygienischen Defiziten im Klinikum Ernst von Bergmann beruhen und

 

-          ob es deshalb zu vermeintlichen Fehleinschätzungen und Handlungen beim Ausbruchsgeschehen des Coronavirus im Klinikum Ernst von Bergmann gekommen ist,

 

-          interne Abläufe und Verantwortlichkeiten nach den geltenden Standards aufzuarbeiten,

 

-          Empfehlungen für die Optimierung der Unternehmenskultur und des Betriebsklimas in der Klinikgruppe Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH und

 

-          zur Verbesserung des Zusammenwirkens sämtlicher Organe sowohl der Gesellschaft als auch des Gesellschafters und der Gremien der Stadtverordnetenversammlung (SVV) zu geben,

 

-          einen Bericht vorzulegen.

 

 

 

 

Aufgrund der am 15.06.2020 aufgenommenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erfolgte am 27.07.2020 eine Spezifizierung des Auftrags. Zur klaren Abgrenzung zur Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft soll sich die Kommission:

-          mit der Aufklärung organisatorischer und hygienischer Defizite und Mängel sowie Fehleinschätzungen und Handlungen beim Ausbruchsgeschehen in der Organisation des Klinikums Ernst von Bergmann befassen und diese aufzeigen.

 

-          Die Klärung von Schuldfragen und Verantwortlichkeiten einzelner handelnder Personen sowie daraus resultierende rechtliche Maßnahmen obliegt nicht der Kommission, sondern bleibt der Staatsanwaltschaft und den zuständigen Organen vorbehalten.

 

-          Elementarer Bestandteil der Arbeit der Kommission sind die aus den Untersuchungen folgenden Ableitungen sowie das Fassen von Empfehlungen für die zukünftige Arbeit des Klinikums.

 

Am 21.12.2020 legte die Expertenkommission den Bericht mit den Untersuchungsergebnissen vor. Die Erkenntnisse zu den Untersuchungsclustern teilen sich in die folgenden Bereiche auf:

-          Die Organisation betreffenden Bedingungen und Unternehmenskultur,

 

-          Vorbereitung auf die SARS-CoV-2-Pandemie und Bewältigungsstrategien,

 

-          Zusammenarbeit mit externen Akteuren.

 

II. Ergebnis der Expertenkommission

Insgesamt gelangt die Expertenkommission zu dem Ergebnis, dass seit dem 2005 in der SVV der Landeshauptstadt Potsdam beschlossenen und vollzogenen Transformationsprozess des Klinikums von allen Beteiligten eine zu starke Konzentration auf ökonomische Belange erfolgt sei. Kritisch wird gesehen, dass konkrete Umsatzrenditen eingefordert wurden und die Landeshauptstadt Potsdam Gewinnabführungen für soziale und gesundheitliche Aufgaben der Landeshauptstadt Potsdam erwartet. So sei die Geschäftsführung von der Gesellschafterin, der Landeshauptstadt Potsdam, und dem Aufsichtsrat primär am wirtschaftlichen Erfolg gemessen worden, nicht an der Versorgungsqualität und Patientensicherheit. Das Ergebnis sei „… dass Wirtschaftlichkeit bei allen Entscheidungen im Vordergrund stand, während Fragen der Sicherheit, Hygiene und Qualität im blinden Fleck“ lagen. Die Anforderungen für Sicherheit, Hygiene und Qualität wurden zwar formell auf dem Papier befriedigt, jedoch nicht proaktiv als zentraler Wert in der Unternehmensführung verankert.“ Die primär ökonomische Ausrichtung des Klinikums sei verbunden gewesen mit einer eher geringeren Offenheit, sich mit externen Impulsen zu beschäftigen, den Austausch mit Externen zu suchen und Empfehlungen auch umzusetzen. Auch habe es wenige Bemühungen und Mechanismen gegeben, sich mit internen Impulsen zu bescftigen. Die Expertenkommission äert diesbezüglich die Vermutung, dass einige der im Bericht benannten Missstände und Empfehlungen, zwar bereits unternehmensintern angesprochen, aber weder von der Unternehmensführung noch von den externen Kontrollgremien aufgegriffen wurden.

In der Gesamtschau des Berichts wird deutlich, dass aus Sicht der Expertenkommission die benannte Grundproblematik der Ökonomisierung des Gesundheitswesens und der damit verbundene Fokus auf diesen Punkt am Klinikum Ernst von Bergmann dem SARS-CoV-2-Ausbruch mit seinen tragischen Folgen erheblichen Vorschub geleistet hat und dringend einer Lösung bedarf.

Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass der 2005 begonnene Transformationsprozess in erster Linie Wirtschaftlichkeitsziele verfolgte, um das defizitäre Krankenhaus dauerhaft finanziell zu stabilisieren und eine Privatisierung zu verhindern. Damit ist man dem damaligen und heute immer noch vorherrschenden Zeitgeist der Ökonomisierung der Daseinsvorsorge gefolgt, der sich insbesondere durch eine starke Kommerzialisierung im Gesundheitswesen auszeichnet. Im Bereich der Krankenhausfinanzierung wird dies beispielsweise am einzelfallbasierten Vergütungssystem, dem DRG-System, besonders deutlich. Auch wenn die benannte Kritik nachvollziehbar und in Teilen berechtigt sein mag, darf nicht übersehen werden, dass die wesentlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb eines Krankenhauses und der Versorgung der Bevölkerung auf Bundes- und Landesebene erfolgt. Neben der Krankenhausfinanzierung, die eben keine Vorhaltestrukturen vorsieht, ist insbesondere die notwendige und bisher unzureichende Ausstattung mit Investitionsmitteln durch die Länder zu nennen. Darüber hinaus zeigt sich in der zweiten Welle der Pandemie, dass auch andere Krankenhäuser in Brandenburg und der Bundesrepublik Deutschland mit ähnlich gelagerten Ausbrüchen zu kämpfen haben und das, obwohl es die Erfahrungen der ersten Welle gibt, persönliche Schutzausrüstung in ausreichendem Maß vorhanden ist und auch Testkapazitäten etabliert wurden.

Erst in den letzten Jahren gewinnt das Thema der Versorgungsqualität in der Gesundheitspolitik an Bedeutung, so z.B. durch Vorgaben von Mindestmengen für eine bestimmte Behandlungsmethode. Trotzdem zwingen die aktuellen Rahmenbedingungen jeden Krankenhausbetreiber primär zu einem der Wirtschaftlichkeit verpflichtetem Handeln. Neben der Vergütungssystematik trägt hierzu auch die unzureichende Investitionskostenfinanzierung durch das Land bei.

 

III. Empfehlungen der Expertenkommission

Die Expertenkommission kommt aufgrund ihrer Feststellungen zu verschiedenen Empfehlung, die an die

-          Geschäftsführung,

-          die Gesellschafterin und den Aufsichtsrat,

-          die Landeshauptstadt Potsdam

-          und das Land Brandenburg

 

gerichtet sind. Die Verfasser machen dabei aber deutlich, dass es unrealistisch sei, allen Empfehlungen sofort zu folgen. Vielmehr bedarf es eines langfristig angelegten und durchdachten Veränderungsprozesses, der sich auch zunächst auf einige ausgewählte Maßnahmen konzentrieren sollte.

 

1. Empfehlung an die Geschäftsführung

Das Expertengutachten beleuchtet insbesondere die organisationsbezogenen Bedingungen und die bisherige Unternehmenskultur im Klinikum. Hierzu werden verschiedene Empfehlungen ausgesprochen, die auf einen langfristigen Veränderungsprozess mit weniger Fokus auf der Ökonomie und stärkerem Fokus auf der Patientensicherheit und einer Lern- und Veränderungsbereitschaft des Unternehmens insgesamt liegen. Erste Schritte wurden bereits von der Interimsgeschäftsführung initiiert. So wurde ein erster Strategieworkshop mit dem Aufsichtsrat durch pflegerische Zentrumsleitungen sowie Chefärzte mit vorbereitet und durchgeführt. Weitere Workshops, mit dem Ziel der Aufwertung der Pflege unter Einbindung aller Hierarchieebenen und der Mitarbeitervertretung, sind in Vorbereitung. Der von der Gesellschafterin bestellten Interimsgeschäftsführung ist dabei wichtig, interdisziplinär und hierarchieübergreifend zu denken und zu handeln. Damit wurde bereits ein wie im Bericht geforderter Veränderungsprozess hinsichtlich Führungs- und Organisationskultur eingeleitet. Wo früher Entscheidungen intransparent durch einen bzw. wenige getroffen wurden, werden Entscheidungen heute offen kommuniziert, was insbesondere durch eine verstärkte interne Kommunikation gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Ausdruck kommt. Fehlerkultur, Aufbau von Risikomanagement, offene Kommunikation haben ein deutlich stärkeres Gewicht bekommen. Auf der fachlichen Ebene wurde die Hygiene durch die Einbindung von Prof. Dr. Zastrow deutlich gestärkt.

Die Kommunikationskultur hat sich durch Transparenz und den Einsatz intensiver interner unterschiedlicher Informationsinstrumente verändert. 

Aus Sicht der Verwaltung sollte die Geschäftsführung beauftragt werden, einen Vorschlag zu erarbeiten, der zu einer nachhaltigen weiteren Veränderung in der Unternehmenskultur führt. Dabei sind die Empfehlungen des Expertengutachtens, aber auch die bestehenden Rahmenbedingungen für den Betrieb des Krankenhauses zu berücksichtigen. Allen Beteiligten sollte dabei klar sein, dass die Finanzierung der Krankenhausleistungen als einzelfallbasiertes Vergütungssystem dazu führen wird, dass es Stützungsmaßnahmen des Eigentümers geben werden muss, um die steigenden Aufwendungen dauerhaft zu refinanzieren.

 

2. Empfehlung für den Gesellschafter und den Aufsichtsrat

Grundsätzlich erkennt die Expertenkommission an, dass das Klinikum Ernst von Bergmann in der Rechtsform der gemeinnützigen GmbH über viele Jahre wirtschaftlich erfolgreich agiert hat und nach Überwindung einer höchst defizitären Lage über mehrere Jahre Überschüsse erwirtschaftet hat, die in das Klinikum investiert wurden und auf verschiedene Weise der LHP zugutegekommen sind. Da man aber gleichzeitig die Gefahr eines Steuerungsverlustes erkennt, empfiehlt man zwar an der Rechtsform der gemeinnützigen GmbH festzuhalten, aber die Aufsichtsräte zu stärken, die Geschäftsführung neu zu strukturieren und zu erweitern sowie die Organisationsstrukturen des Klinikums strategisch weiterzuentwickeln.

 

2.1. Vorschläge Transparenzkommission zur Information des Aufsichtsrats

Die Expertenkommission regt mit Verweis auf die Ergebnisse der Transparenzkommission an, die Informationsrechte des Aufsichtsrats zu stärken. Diese hatte empfohlen, eine Pflicht zur Berichterstattung in mindestens vierteljährlichem Abstand in einem standardisierten, aussagekräftigen Format zu definieren. Dies hat die Landeshauptstadt Potsdam auch mit ihrem Mustergesellschaftsvertrag und des Gesellschaftsvertrags der Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH 11 Abs. 8 GV) bereits seit langem umgesetzt.

 

2.2. Stärkung des Aufsichtsrats durch mehr Fachexpertise in seiner Funktionswahrnehmung

Der Aufsichtsrat der Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH besteht entsprechend der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zurzeit aus zwölf Mitgliedern. Den Vorsitz führt entsprechend den Vorschlägen der Transparenzkommission die Beigeordnete, sechs Mitglieder sind gemäß § 97 Abs.4 BbgKVerf von der SVV entsandt worden. Des Weiteren sind vier Mitglieder im Rahmen der freiwilligen Mitbestimmung aus der Mitte der Beschäftigten und ein Mitglied aus Potsdam-Mittelmark als Experte auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung bestellt.

Aus Sicht der Expertenkommission bedarf der Aufsichtsrat hinsichtlich seiner Fachexpertise einer Stärkung. Daher wird empfohlen, für die aus der SVV entsandten Mitglieder die gem. § 97 Abs.4 BbgKVerf gebotene Eignungsprüfung durch die Fraktion bereits im Verfahren, das zum Wahlvorschlag führt, verantwortungsvoll vorzunehmen. Bei der Bestellung soll künftig unbefangen geprüft werden, ob die vorgeschlagenen Mitglieder die für das Amt erforderlichen Kenntnisse und Erfahrung sowie Eignung gem. § 97 Abs.4 Kommunalverfassung verfügen. Des Weiteren sollen die Verfahrensregeln überprüft und angepasst werden.

Von Seiten der Kommission wird diese Empfehlung insbesondere mit einem fehlenden ausgeprägten Interesse für Defizite und Schwachstellen im Klinikum hinsichtlich Patientensicherheit, Qualität der Versorgung oder risikorelevanter Prozesse begründet, was aus Sicht der Kommission dazu führt, dass der Aufsichtsrat die Möglichkeiten, die ihm geboten sind, nicht vollumfänglich ausschöpft. Es seien auch keine Strategieklausuren durchgeführt worden.

Aus Sicht der Verwaltung kann diese Auffassung nicht vollumfänglich geteilt werden. So gab es in den vergangen Jahren Strategieklausuren. Es fanden in der Vergangenheit auch regelmäßig Schulungen der Aufsichtsratsmitglieder durch das Klinikum statt, um insbesondere krankenhausspezifisches Wissen zu vermitteln. Gegebenenfalls könnte überprüft werden, ob hier noch Verbesserungspotential besteht. Aus den Ausführungen ist auch nicht ersichtlich, inwieweit eine mangelnde fachliche Expertise für das von der Expertenkommission ausgemachte Verhalten des Aufsichtsrats ursächlich sein soll. Vielmehr scheint die Empfehlung einer kritischen Reflexion der bestehenden Verfahrensregeln geeignet, die ausgemachten Schwachstellen zu beheben. Die Empfehlung hinsichtlich der Auswahl von Mitgliedern für den Aufsichtsrat aus der SVV betrifft die Belange der entsendenden Fraktionen, die somit aufgefordert sind, eine entsprechende Reflexion der Verfahren durchzuführen. Allerdings ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass es einen Einschätzungsspielraum gibt, welche konkreten Qualifikationsmaßstäbe, insbesondere mit Blick auf die rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und branchenspezifischen Anforderungen zugrunde gelegt werden.

 

2.3. Geschäftsführung sollte auf drei Funktionen gemäß Krankenhausentwicklungsgesetz erweitert werden

Die Expertenkommission empfiehlt dem Gesellschafter, der Landeshauptstadt Potsdam, die Geschäftsführung „auf drei Personen, die den vom Krankenhausentwicklungsgesetz des Landes genannten Bereichen Ärztlicher Dienst, Pflegedienst und Wirtschafts- und Versorgungsdienst angehören.“ Die Kommission bezieht sich bei dieser Empfehlung auf § 23 „Leitung und medizinische Organisation“ im Gesetz zur Entwicklung der Krankenhäuser im Land Brandenburg. Hier heißt es „in jedem Krankenhaus wird eine kollegiale Betriebsleitung gebildet. An der Betriebsleitung sind eine leitende Ärztin oder ein leitender Arzt, die Leitung des Pflegedienstes und die Leitung des Wirtschafts- und Verwaltungsdienstes gleichberechtigt zu beteiligen. Der Krankenhausträger regelt die Aufgaben der Betriebsleitung und die Zuständigkeit ihrer Mitglieder.“ Um dieser sinnvollen Aufgabenteilung Rechnung zu tragen, wurde im Klinikum die sogenannte Klinikumsleitung etabliert, die sich aus den beiden Geschäftsführern sowie einem Ärztlichen Direktor als auch einer Pflegedirektorin zusammensetzt. Dies entspricht auch dem üblichen Vorgehen aller Krankenhäuser im Land Brandenburg. Mit der Aufgabenverteilung innerhalb der Klinikumsleitung, die über einen entsprechenden Geschäftsverteilungsplan verfügt, kann eine fundierte Meinungsbildung berufsgruppenübergreifend zur Entscheidungsfindung erfolgen und das Klinikum so zukunftssicher gesteuert werden.

 

2.4. Organisationsstrukturen sollen im Klinikum strategisch weiterentwickelt bzw. restrukturiert werden

Krankenhäuser sind komplexe Organisationsgebilde. Im Falle der Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH handelt es sich gar um eine Klinikgruppe mit mehreren Kliniken sowie ambulanten und Dienstleistungs-Tochtergesellschaften. Vor diesem Hintergrund wurden seitens der Expertenkommission mehrere Empfehlungen für die strategische Neugestaltung der Führungs- und Verantwortungsstrukturen bzw. Klinikbereiche gegeben.

Die Geschäftsführung hat bereits, um die Komplexität der Organisation des Klinikums zu reduzieren, das bisher gültige Organigramm überarbeitet. So wurden drei Organigramme erstellt, die jeweils einen anderen Fokus haben:

Ein Organigramm stellt die medizinische Organisation mit der Klinikumsleitung und den an sie angebundenen medizinischen Zentren und Kliniken dar. Das zweite Organigramm zielt auf die unterstützenden administrativen Bereiche des Krankenhauses ab und verdeutlicht die Anbindung, welcher Bereich welchem der beiden Geschäftsführer organisatorisch zugeordnet ist. Das dritte Organigramm zeigt die organgesellschaftliche Organisationsstruktur, also welche Gesellschaften zum Klinikum gehören, wer diese in der Geschäftsführung vertritt und welcher Geschäftsführer des Klinikums die Rolle des Gesellschaftervertreters wahrnimmt. Somit ist eine erste Weiterentwicklung bzw. Restrukturierung erfolgt, an der weitergearbeitet wird.

 

2.5. Paritätische Mitbestimmung Aufsichtsrat

Zur Erweiterung der fachlichen Kompetenz schlägt die Expertenkommission des Weiteren eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats vor, sodass sich die Zahl von Arbeitnehmerinnen-/Arbeitnehmervertreter*innen um zwei erhöhen würde. Dies würde zwangsläufig zur Verringerung der aus der SVV entsandten Mitglieder führen. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob hierbei noch von einem angemessenen Einfluss des kommunalen Trägers im Sinne des § 96 Abs.1 Nr.2 BbgKVerfG gesprochen werden kann. Gegebenenfalls sollte hierzu die Auffassung der Kommunalaufsicht eingeholt werden. Gemäß Gesellschaftsvertrag der Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH ist diese ein Tendenzbetrieb.

 

2.6. Fokus auf Qualität und Patientensicherheit stärken

Die neue Geschäftsführung hat sich zum Ziel gesetzt, hohe Qualität und maximale Patientensicherheit wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Dieses Ziel ist unter den geltenden gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen und hier besonders dem einzelfallbasierten Vergütungssystem eine besondere Herausforderung.

Die Geschäftsbereichsleitung Qualitätsmanagement wurde mit dem stellv. Ärztlichen Direktor besetzt, mit dem Ziel, das Thema Qualitätsmanagement qualifiziert und sichtbar in der ärztlichen Direktion anzuordnen, damit institutionalisiert einen hohen (klinischen) Stellenwert zu geben und somit eine höhere Durchdringung zu erreichen. Darüber hinaus sollen insbesondere die Kliniken des Hauses mit in die operative Umsetzung und Verantwortung des Qualitätsmanagements genommen werden. Die Krankenhaushygiene wird zum 01.04.2021 mit einer eigenen chefärztlichen Besetzung und die Betriebsmedizin ebenfalls mit einem eigenen ärztlichen Leiter zum 01.04.2021 gestärkt. Das bestehende Risikomanagementsystem wird systematisch um einen klinischen Teil erweitert und somit als strategisches Führungsinstrument eingesetzt. Patientensicherheit wird dadurch als strategisches Führungsziel regelhaft verankert.

Gesundheitspolitisch müssen Vorhaltestrukturen auch als Vorhaltung vergütet werden, um die notwendigen Präventionsmaßnahmen im Sinne des klinischen Risikomanagements und der damit verbundenen Patientensicherheit adäquat abzusichern. Dies bedeutet eine Abkehr vom reinen DRG-System. Die Pandemie hat allerdings verdeutlicht, dass das unbedingt erforderlich ist.

 

2.7. Aufwertung Fachinstitute

Die Einschätzung, das Klinikum würde seinen „Instituten für Radiologie, Strahlentherapie, Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Pathologie“ keine ausreichende Bedeutung zukommen lassen, kann die Verwaltung nicht vollumfänglich teilen. Gerade die letztgenannten Bereiche erhalten als eigenständige Gesellschaft eine besondere Aufmerksamkeit. Die Diagnostik Ernst von Bergmann GmbH macht klinische „Sekundärprozesse“ wie Labormedizin und Pathologie zu eigenen Primärprozessen. Dies ist eine Aufwertung der Leistungen und stellt sie gleichzeitig in einen besonderen Fokus.

Im Rahmen der Pandemie wurden die Laborkapazitäten insbesondere für die Covid-19-PCR-Diagnostik aufgebaut, die wesentliche Grundlage eines umfassenden Schutz-, Hygiene- und Sicherheitskonzeptes sind.

 

3. Empfehlung für die Landeshauptstadt Potsdam

3.1. Überprüfung der Strategie: Regionale Kooperationen und Krankenhausverbände

Vor dem Hintergrund der Kritik, dass die bisherige strategische Zielsetzung eher am ökonomisch getriebenen Wachstum und weniger dem Gedanken einer Kooperation mit dem Ziel einer arbeitsteilig agierenden Versorgungslandschaft ausgerichtet ist, wird empfohlen, die Ausrichtung des Verbundes kritisch zu hinterfragen.

Diesen Prozess hat die LHP bereits gemeinsam mit der Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH angestoßen. Unabhängig vom Ergebnis der Expertenkommission ist anzuerkennen, dass Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft neben einer Verbesserung der Rahmenbedingungen der Krankenhausfinanzierung auf Bundes- und Landesebene eine Stärkung ihrer Stellung durch regionale Krankenhausverbünde erfahren können. Sie bieten neben wirtschaftlichen Vorteilen auch die Chance, die medizinische Versorgungsqualität zu verbessern, in dem es in den jeweiligen Häusern Spezialisierungen auf bestimmte Behandlungsbereiche gibt. Um hierbei die medizinische Versorgung in ländlichen, strukturschwachen Regionen zu gewährleisten, müssen aber immer der Erhalt der Notfallversorgung vor Ort und die verstärkte Nutzung von medizinischen Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft eine Rolle spielen. Die Strukturen sollten sich noch stärker am Ansatz der sektorübergreifenden Versorgung orientieren.

Ein gutes Beispiel für kommunale Verbundarbeit zeigt sich gerade in der aktuellen Pandemie. Im Rahmen des Versorgungsclusters Corona West wurde eine umfassende Kooperation von Kliniken aus Brandenburg an der Havel, Potsdam, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und dem Havelland im Frühjahr 2020 unter Federführung des Städtischen Klinikums Brandenburg, geschaffen. Mit dieser Kooperation wird ein Versorgungsgebiet von über 800.000 Einwohnern abgedeckt und eine optimale medizinische Versorgung aller Patienten unter Berücksichtigung der vorhandenen Gesamtressourcen während der Pandemie gewährleistet. In der zweiten Pandemiewelle hat das Klinikum Ernst von Bergmann die Leitung und Koordination übernommen, das System strukturell weiterentwickelt und professionalisiert. In regelmäßigen Videoschaltkonferenzen wird die Arbeit durch die Kooperationspartner evaluiert und begleitet.

Die Kritik der Expertenkommission an der strategischen Ausrichtung und Steuerung machen des Weiteren deutlich, dass es hier einer Weiterentwicklung der Beteiligungssteuerung bedarf. Vor dem Hintergrund, dass es in der Vergangenheit auch immer wieder in anderen kommunalen Unternehmen (z.B. im Stadtwerkeverbund) zu Steuerungsdefiziten kam, werden die Ergebnisse des Expertengutachtens zum Anlass genommen, insbesondere den Ausbau der Beteiligungssteuerung durch eine bessere technische Ausstattung, z.B. durch Einführung einer Beteiligungssoftware und zusätzliches Personal, intensiv voranzutreiben. Bzgl. der Krankenhausversorgung wird auch im zuständigen Geschäftsbereich 3 ab 2022 eine entsprechende Stelle geschaffen.

 

3.2. Stärkung der Aufsicht durch das Gesundheitsamt

Den kommunalen Gesundheitsämtern kommt im Rahmen der Daseinsvorsorge bei der Sicherstellung einer adäquaten und qualitativ angemessenen medizinischen Versorgung der Bevölkerung eine tragende Rolle zu. Gerade die aktuelle Pandemie hat diese Gewichtigkeit insbesondere bezüglich der Gewährleistung des Infektionsschutzes und adäquater hygienischer Bedingungen unwiederbringlich verdeutlicht. Durch die gemeinnützige, ordnungsrechtliche Funktion der Gesundheitsämter sind sie eine notwendige Instanz des allgemeinen Gesundheitsschutzes. 

Um dieser tragenden Rolle gerecht werden zu können, spricht sich die Expertenkommission dafür aus, die Aufsichtsfunktion des Gesundheitsamtes gegenüber der ambulanten und stationären Versorgung deutlich zu stärken. Nur dann kann es dem Gesundheitsamt gelingen, dem Klinikum in der Aufsicht auf Augenhöhe zu begegnen. Es wird aber klar, dass eine solche Stärkung nur dann nachhaltig erfolgen kann, wenn der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) auch dauerhaft mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet wird. Neben einer adäquaten Bundes- und Landesfinanzierung der Krankenhäuser muss auch dem ÖGD in den kommenden Jahren eine entsprechende finanzielle Stärkung widerfahren, um seine öffentliche Funktion gerade auch unter den gestiegenen Anforderungen wahrnehmen zu können. Instrumente wie der 10-Punkte-Plan des Bundes zur Stärkung des ÖGD sind dazu erste entscheidende Schritte. 

Die deutlich werdenden steigenden Anforderungen an den ÖGD hat die Landeshauptstadt Potsdam bereits im Jahr 2016 dazu bewogen, die personellen und infrastrukturellen Ressourcen des Gesundheitsamtes aufzustocken. Im Rahmen des „Masterplans Gesundheitsamt“ der damals neu amtierenden Amtsleitung wurden die pflichtigen Aufgaben einer strukturellen Neuordnung unterzogen, ein Umstrukturierungsprozess angestoßen und seitdem stetig umgesetzt. Neben einem steten Personalaufwuchs von anfangs 45 auf 70 Mitarbeitende bis Anfang 2020 wurde auch die Infrastruktur den Anforderungen angepasst. Durch einen Umzug des Gesundheitsamtes in geeignete Räumlichkeiten auf dem Campus des Klinikums in den Jahren 2017/2018 wurde dieser Prozess stetig vorangetrieben. Mit dem schlagartigen und exponentiellen Aufwuchs der Anforderungen an das Gesundheitsamt mit dem Aufkommen der Covid-19-Pandemie Anfang 2020, wurde dem Gesundheitsamt von Beginn an stetig benötigtes Personal, intern wie extern, zugesteuert, Strukturen zur zügigen Einarbeitung etabliert sowie die technische und infrastrukturelle Ausstattung im Eiltempo den aktuellen Bedingungen angepasst. Die so geschaffenen Strukturen lassen sich auch nach Abflachen der Pandemie adäquat fortführen und haben schon heute zu einer weiteren deutlichen Stärkung des Gesundheitsamtes geführt. Durch die Einstellung weiteren Fachpersonals wurde auch die fachärztliche und gesundheitswissenschaftliche Expertise personell ausgebaut. Die dauerhafte Etablierung dieser Struktur wurde schließlich zu Beginn des Jahres 2021 mit der Neugründung des Fachbereiches „Öffentlicher Gesundheitsdienst“ erfolgreich zum vorläufigen Abschluss gebracht und damit dem Gesundheitsamt die notwendige Aufwertung im Rahmen der gesundheitlichen Daseinsvorsorge und im Gesamtkontext der Aufgabenerledigung der Landeshauptstadt Potsdam zu teil werden lassen.

In den kommenden Jahren wird eine notwendig gewordene, neue strategische Ausrichtung der gesundheitlichen Versorgung in der Landeshauptstadt Potsdam sowie der Region auch die Aufgaben des ÖGD weiter reformieren und diesem dabei auf Grund der fachlichen Expertise eine wichtige Funktion zukommen lassen. Die in der Pandemie gewonnenen Erfahrungen und die Empfehlungen der Expertenkommission werden hierzu ausgewertet, evaluiert und notwendige Konsequenzen entsprechend fachlich und organisatorisch umgesetzt. Ein besonderes Augenmerk wird in Zukunft auch auf die stationäre, teilstationäre sowie ambulante Pflege gelegt.

 

 

3.3. Besetzung des Vorsitzes des Aufsichtsrats durch die zuständige Beigeordnete kritisch prüfen

Die Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes mit der fachlichen zuständigen Beigeordneten entspricht den Vorschlägen der Transparenzkommission. Mit ihrer Kritik an diesem Vorgehen widerspricht die Expertenkommission aus Sicht der Verwaltung ihrer eigenen Empfehlung der Stärkung der fachlichen Expertise des Aufsichtsrats und der Empfehlung der Transparenzkommission. Der angedeutete Rollenkonflikt der Beigeordneten zwischen Dienstvorgesetzter der Amtsärztin auf der einen und Aufsichtsratsvorsitzender auf der anderen Seite stellt mangels Weisungsrechts der Beigeordneten gegenüber fachlich-medizinischen Entscheidungen der kraft Amtes weisungsunabhängig agierenden Amtsärztin keinen tatsächlichen Konflikt dar. Aus Sicht der Verwaltung stellt die derzeitige Lösung die bestmögliche Auflösung der verschiedenen Konflikte dar.

 

4. Empfehlung langfristige bauliche Entwicklung

Die Expertenkommission macht deutlich, dass die bisherige, über Jahrzehnte, teilweise gar Jahrhunderte gewachsene Baustruktur des Klinikums erheblich zum Ausbruchsgeschehen beigetragen hat. Sie spricht die klare Empfehlung für einen Neubau in verschiedenen denkbaren Szenarien aus. Eine Festlegung zu einem Szenario (Neubau an neuem Standort vs. Neubau am bestehenden Standort im laufenden Betrieb) wird nicht getroffen. Allerdings empfiehlt die Expertenkommission die Einbindung erfahrener externer Experten in den Entscheidungsprozess. Zwingende Berücksichtigung soll die Klärung der medizinischen Schwerpunkte aller Kooperationspartner des Klinikums dabei finden. Der Gesellschafter, der Aufsichtsrat und die Geschäftsführung haben dieses Problem bereits im vergangenen Jahr erkannt und erste Überlegungen dazu angestellt. Allen Beteiligten ist klar: Ein Neubau ist unerlässlich.

 

5. Empfehlung für Land Brandenburg

 

Die Empfehlung der Expertenkommission in Richtung des Landes Brandenburg wird der Oberbürgermeister dem Land schriftlich zur Kenntnis geben. Insbesondere die Empfehlung zur Krankenhausfinanzierung sind aus Sicht der Verwaltung unterstützenwert, um auch künftig Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft zu erhalten.

 

6. zukünftige Begleitung des nötigen Transformationsprozesses

 

Auch aus der Erfahrung des Umgangs mit dem Bericht der Beratungsgesellschaft McKinsey zum Klinikum Ernst von Bergmann aus dem Jahr 2005, dessen Umsetzung zwar durch die Stadtverordnetenversammlung beschossen wurde, aber in den Jahren keiner regelmäßigen Überprüfung und Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen durch die Stadtverordnetenversammlung unterzogen wurde, schlägt der Oberbürgermeister vor, den jetzt anstehenden Transformationsprozess in ein dauerhaftes Projekt zu überführen. Dazu wird der Oberbürgermeister im vierten Quartal 2021 dem Hauptausschuss den konkreten Auftrag und die Zusammensetzung der Projektgruppe vorlegen und dabei auf die seit 2 Jahren etablierte Projekt- und Berichtsform zurückgreifen, wie sie auch bei den strategischen Projekten „Krampnitz“ und Verwaltungscampus Anwendung finden. Dies stellt sicher, dass der Hauptausschuss in vergleichbarer Form über strategische Projekte informiert wird.

 

 

 

 

Anlage 1

 

Kopie Abschlussbericht der Expertenkommission
 

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Anlagen

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