Beschlussvorlage - 11/SVV/0772

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Verwaltung setzt das beigefügte städtebauliche Konzept für die Mittelstraße und die Benkertstraße wie folgt um:

 

-          Die in den Skizzen dargestellten Bereiche in der Mittelstraße und in der Benkertstraße werden dauerhaft der Nutzung durch den ruhenden Kraftfahrzeugverkehr entzogen.

-          An der Einmündung der Mittelstraße zur Hebbelstraße werden entsprechende Verkehrszeichen gemäß Straßenverkehrsordnung aufgestellt.

-          An der Einmündung der Mittelstraße zur Friedrich-Ebert-Straße werden Fahrradständer aufgestellt. Dabei soll ein Teil der Fläche für ein Fahrradverleihsystem genutzt werden.

-          An der Kreuzung Mittelstraße / Benkertstraße werden Poller und/oder geeignete Elemente aufgestellt.

-          Auf der Südseite der Gutenbergstraße am Rand des Bassinplatzes wird Bewohnerparken eingerichtet.

 

Eine Möblierung mit Bänken, Fahrradständern, Pflanzkübeln oder eine Nutzung durch die anliegenden Gastronomie- und Einzelhandelsbetriebe ist möglich.

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Erläuterung

Begründung:

 

Das Holländische Viertel ist als ein Teil der Zweiten Barocken Stadterweiterung in den Jahren 1733 bis 1742 entstanden. Sechs der ehemals sieben Blöcke (Karrees) sind heute noch vorhanden. Im 18. und 19. Jahrhundert war das Viertel durch eine Mischung von Wohnen, Handwerk und Kunsthandwerk geprägt. Die Gebäude sind für eine gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss entworfen worden. In der Gründerzeit kam es wegen des gewerblichen Entwicklungsschubes und der Bevölkerungszunahme zu einer Verdichtung der Blockinnenbereiche mit kleinen gewerblich genutzten Remisen und auch mit mehrgeschossigen Wohngebäuden. Bis auf einzelne Bombenschäden hat das Viertel den 2. Weltkrieg gut überstanden. In der Zeit danach begann der langsame Verfall des Viertels. Nur einzelne Gebäude wurden zwischen 1970 und 1990 instandgesetzt. Insgesamt befanden sich im Jahr 1990 75 % der Gebäude in einem schlechten bis sehr schlechten baulichen Zustand.

Im Jahr 1992 wurde das Holländisches Viertel förmlich festgelegtes Sanierungsgebiet.

Die hohen Kosten für die städtebaulich und denkmalpflegerisch aufwendige Sanierung der Gebäude, aber auch der Straßen und Plätze wurden mit rund 20 Mio. Euro Städtebaufördermitteln unterstützt. Nur noch wenige Gebäude sind unsaniert und in ihrem Bestand gefährdet. Die Zahl der Einwohner mit Hauptwohnsitz ist von 387 im Jahr 1996 auf 752 Ende 2010 gestiegen. Der Kfz-Bestand hat sich in der Zeit nur von 323 auf 389 erhöht. Das zeigt, dass sich vermehrt Anwohner im Viertel niedergelassen haben, die auf das Auto verzichten.

 

Die angestrebte Mischung von Wohnen und kleinteiligem Gewerbe, mit der das Viertel sowohl tagsüber als auch abends belebt sein soll, funktioniert nicht in dem gewünschten Umfang. Kunst, Handwerk, Einzelhandel, Dienstleister und Gastronomie im Viertel haben mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Kunst und Handwerk sind fast völlig aus dem Viertel verschwunden. Das Viertel war in der Vergangenheit nie Einzelhandelsstandort. Als solcher hat sich das Viertel bei den Potsdamern auch 20 Jahre nach der Wende nicht etablieren können, obwohl sich die Zahl der Läden seit 1990 mehr als verdoppelt hat. Die Fluktuation im Einzelhandel ist im Holländischen Viertel etwas höher, als in dem Rest der Innenstadt. Ein großer Teil der Kunden sind Touristen. Auch an einigen Gastronomiestandorten gab es mehrfach Betreiberwechsel. Dies sind alles Anzeichen dafür, dass die Lage des Gewerbes im Gebiet noch nicht stabil ist.

 

Ein Punkt, der von Bewohnern und Gewerbetreibenden gleichermaßen bemängelt wird, ist der ruhende Verkehr mit allen seinen Aspekten. Speziell wird jedoch kritisiert, dass das Erscheinungsbild des Viertels durch den ruhenden Verkehr beeinträchtigt wird. Ansonsten gehen die Meinungen zum Parken weit auseinander. Es gibt Gewerbetreibende die eine Fußngerzone wollen, aber auch welche, die wollen, dass ihre Kunden mit dem Auto bis vor den Laden fahren können. Es gibt Anwohner, die es stört, wenn Autos vor der Haustür Lärm verursachen und es gibt Anwohner, die ihren Parkplatz vor der Haustür haben wollen.

 

Angesichts der geäußerten Probleme in dem Viertel hat die Stadtverordnetenversammlung am

9. Mai 2009 den Beschluss 09/SVV/0302 – „Workshop Holländerviertel“ gefasst:

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit einem geeigneten Verfahren einen Meinungsaustausch mit Gewerbetreibenden, Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Stadt- und Verkehrsplanern im Holländischen Viertel zu organisieren. Ziel soll es sein, Probleme und Lösungsvorschläge zu diskutieren, die ein Miteinander von Wohnen und Gewerbe in der Innenstadt, die den ruhenden und fließenden Verkehr und die touristischen Bedürfnisse betreffen und miteinander verknüpfen.“

 

Entsprechend des Beschlusses wurde eine Arbeitsgruppe bestehend aus Anwohnern, Gewerbetreibenden, Hauseigentümern, dem Geschäftsstraßenmanager und Mitarbeitern der Stadtverwaltung gebildet. In der Arbeitsgruppe wurde ein Verkehrsversuch ausgearbeitet. Dieser wurde den Betroffenen am 18. November 2009 im Rahmen einer Bürgerversammlung vorgestellt und diskutiert.

 

Vom 23. April 2010 bis zum 3. Oktober 2010 wurde ein Verkehrsversuch durchgeführt.

Es wurde getestet, ob sich durch die Verlagerung von PKW-Stellplätzen die Aufenthaltsqualität und damit Attraktivität des Viertels verbessert.

 

Im Kreuzungsbereich Mittelstraße und Benkertstraße wurden kleine Areale vom ruhenden Verkehr freigehalten. An der Einmündung der Mittelstraße in die Hebbelstraße wurde der Beginn des Bewohnerparkbereichs bis zur Brandgasse versetzt. An der Kreuzung Mittelstraße / Benkertstraße wurden die freizuhaltenden Bereiche durch Holzbalken abgegrenzt. An der Einmündung der Mittelstraße in die Friedrich-Ebert-Straße wurden auf den Flächen Fahrradständer aufgestellt.

 

Insgesamt konnten während des Versuchs 24 Bewohnerparkplätze in der Mittelstraße und in der Benkertstraße nicht genutzt werden. Ersatz wurde in der Gutenbergstraße entlang des Bassinplatzes geschaffen. Dort wurde ein eingeschränktes Halteverbot (von 8 bis 16 Uhr) zu zeitlich unbegrenzten Bewohnerparkplätzen umgewandelt. Somit wurde die absolute Anzahl der Bewohnerstellplätze durch den Versuch nicht reduziert. Die zeitlich unbegrenzt nutzbaren Bewohnerparkplätze in der Gutenbergstraße wurden nach dem Verkehrsversuch in  Mischparkplätze umgewandelt.

 

Die Flächen, die vom ruhenden Verkehr freigehalten wurden, waren symmetrisch angeordnet, weil die Symmetrie eine der wichtigsten Gestaltungsprinzipien des Barock war und dies der Anordnung der Häuser im Holländischen Viertel entspricht. Insofern ist es städtebaulich logisch und konsequent, wenn die Anordnung der Stellplätze, bzw. der Flächen auf denen keine PKW stehen sollen, dem Prinzip der Anordnung der Gebäude folgt. Auch die Größe dieser Flächen orientiert sich an den Gebäuden. Die Flächen erstreckten sich von der Kreuzung bis zur Grundstücksgrenze zwischen dem Eckgebäude und dem nächsten Gebäude.

 

Der Verkehrsversuch brachte folgende Ergebnisse:

Die Auslastung der Fahrradständer an der Einmündung Mittelstraße / Friedrich-Ebert-Straße zeigt, dass eine Nachfrage vorhanden ist. Die Fahrradstellplätze an dem Standort entsprechen auch der Radverkehrsstrategie der Landeshauptstadt Potsdam. Darin ist als Ziel die Verbesserung der Abstellsituation vor allem an Bahnhöfen und Haltestellen (Bike & Ride) benannt. Die Fahrradständer befinden sich unmittelbar an der Straßenbahn- und Bushaltestelle „Nauener Tor / Holländisches Viertel“ und an der „Radialroute D“. Eine mehrwöchige Beobachtung der Fahrradständer ergab, dass die Fahrradständer auch für Bike & Ride genutzt worden sind.

 

Die Einndung der Mittelstraße in die Friedrich-Ebert-Straße ist für die meisten Touristen und Besucher das Entree zum Holländischen Viertel. Die Fahrradständer und Fahrräder sind niedriger und transparenter als parkende Kraftfahrzeuge. Dadurch ergibt sich ein freierer und großgigerer Einblick in die Mittelstraße, wodurch diese letztlich auch einladender wirkt. Die Häuser und die Architektur sind besser zu erleben, die Autos stehen nicht mehr so im Fokus. Gleiches gilt für die Einmündung der Mittelstraße in die Hebbelstraße. Da hier keine Einbauten vorgenommen wurden, ist die optische Wirkung noch größer. Die Einmündung steht jedoch nicht so sehr im Fokus der Betrachter, weil die Fußngerfrequenz in der Hebbelstraße geringer ist, als in der Friedrich-Ebert-Straße.

 

Ergebnisse der Passanten- /Bewohnerbefragung:

Im Rahmen einer Passantenbefragung wurden im Zeitraum von Oktober 2009 bis Juni 2010 insgesamt 400 Personen zu verschiedenen Themen des Holländischen Viertels befragt. Im April 2010 wurde der Fragebogen um gezielte Fragen zum Verkehrsversuch erweitert. Dazu wurden 241 Personen befragt. Auf die Frage, wie die neue Verkehrssituation mit der Freihaltung des Kreuzungsbereiches und der Einmündungsbereiche vom ruhenden Verkehr empfunden wird, antworteten 34% (absolut 83) der Befragten „sehr gut“, 41% (98) „gut“, 11% (26) „weniger gut“ und 12% (29) „schlecht“. 2% (5) der Befragten machten dazu keine Angaben. D.h. die überwiegende Mehrheit von 75% der Befragten beurteilte diese Lösung positiv. Im Juli/August 2010 wurden an 530 Haushalte und Gewerbebetriebe im Holländischen Viertel Fragebögen verteilt. Auch hier wurde explizit nach dem Empfinden zum Verkehrsversuch gefragt. Von den 530 Fragebögen kamen jedoch lediglich 88 (rd. 16%) beantwortete Fragebögen zurück. 44% (39) beurteilten den Verkehrsversuch „gut“ bis „sehr gut“, 52% (46) „weniger gut“ bis „schlecht“ und 3% (3) machten keine Angaben dazu.

 

In der Summe äerten sich also 329 Personen zum Verkehrsversuch. Davon mehr als 2/3 (rd. 67%) positiv und knapp 1/3 (rd. 31%) negativ.

 

Kritik wurde in erster Linie an der Ausführung mittels Holzbalken und deren optischer Wirkung geübt. Für den Verkehrsversuch musste jedoch eine Lösung gewählt werden, die relativ kostengünstig und reversibel ist und gleichzeitig den verkehrsrechtlichen Anforderungen entspricht. Diese Kriterien haben die Balken erfüllt. Für die dauerhafte Absperrung der Flächen sind geeignete Elemente (bei Dunkelheit und schlechter Sicht besser wahrnehmbare Elemente) und die in der Innenstadt üblichen anthrazitfarbenen Poller nach historischem Vorbild vorgesehen.

 

Abwägung:

Unfälle und Beschädigungen von Kraftfahrzeugen als Folge des Verkehrsversuchs sind nicht bekannt. Die Anzahl der Bewohnerparkplätze wurde nicht reduziert. Insofern hat sich die Situation für Anwohner mit Kraftfahrzeugen nicht verschlechtert. Dem stehen städtebauliche Verbesserungen gegenüber. Die Kreuzung Mittelstraße / Benkertstraße hat durch das Freihalten von Kraftfahrzeugen deutlich an Aufenthaltsqualität gewonnen.

Die Freiplätze der Gastronomie wurden ebenso aufgewertet. Die Gäste der Lokale schauen nicht mehr auf Autos und werden nicht mehr durch die Abgase an- und abfahrender Kraftfahrzeuge belästigt. Der Straßenraum / Kreuzungsbereich wirkt ohne Autos optisch großgiger. Die Stre kann in dem Bereich weitgehend so erlebt werden, wie sie früher war.

Es ist ein Bedarf an Fahrradstellplätzen nachgewiesen, der es rechtfertigt, die Kfz-Stellplätze teilweise für Fahrradabstellanlagen zu nutzen.

Auf der Südseite der Gutenbergstraße wurde während des Verkehrsversuchs das vorher bestehende beschränkte Halteverbot zu Bewohnerparken umgewandelt. Dies soll dauerhaft eingerichtet werden. Zur Kompensation der entfallenden 24 Bewohnerparkplätze in der Mittelstraße und der Benkertstraße werden die in der Skizze dargestellten Abschnitte der Gutenbergstraße dem Parken für Anwohner des Quartiers vorbehalten.

Vorübergehend ist dort derzeit Mischparken angeordnet.

An der Einmündung der Mittelstraße in die Hebbelstraße wurde das Parken verboten, dort können jedoch Lieferfahrzeuge halten. Dies trägt dazu bei, dass nicht mehr so viele Lieferfahrzeuge auf der Fahrbahn halten und den fließenden Verkehr behindern.

 

Mit der Eröffnung des Parkhauses in der Hebbelstraße im Januar 2011 hat der Parkdruck auf das Gebiet bislang nur geringfügig abgenommen.

 

 

Beschlussgegenstand:

Die in den Skizzen dargestellten Bereiche in der Mittelstraße und in der Benkertstraße werden dauerhaft der Nutzung durch den ruhenden Kraftfahrzeugverkehr entzogen.

 

An der Einmündung der Mittelstraße zur Hebbelstraße werden entsprechende Verkehrszeichen gemäß Straßenverkehrsordnung aufgestellt.

 

An der Einmündung der Mittelstraße zur Friedrich-Ebert-Straße werden Fahrradständer aufgestellt. Dabei soll ein Teil der Fläche für ein Fahrradverleihsystem genutzt werden.

 

An der Kreuzung Mittelstraße / Benkertstraße werden Poller und/oder geeignete Elemente aufgestellt.

 

Auf der Südseite der Gutenbergstraße am Rand des Bassinplatzes wird Bewohnerparken eingerichtet.

 

Eine Möblierung mit Bänken, Fahrradständern, Pflanzkübeln oder eine Nutzung durch die anliegenden Gastronomie- und Einzelhandelsbetriebe ist möglich.

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Fazit finanzielle Auswirkungen

Es sind Kosten in Höhe von voraussichtlich 35.000 € zu erwarten für:

·         Planung

·         Anschaffung und Installation von Pollern

·         Anschaffung und Installation von Verkehrssicherungselementen

·         Anschaffung und Installation von Verkehrszeichen

·         Anschaffung und Installation von Fahrradständern

 

Die Finanzierung erfolgt aus dem Haushaltsrest im Unterprodukt 5110606 – Soziale Stadt Innenstadt (Investitionsnummer 0749001110105). Im Antrag zu diesem Haushaltsrest heißt es unter anderem:“ Bei der Realisierung der Einzelmaßnahmen der Gesamtmaßnahme Innenstadt ergab sich immer wieder die Notwendigkeit der Funktionsstärkung des Holländischen Viertels, z. B. hinsichtlich der Verkehrsberuhigung. Da diese Maßnahmen nicht mehr förderfähig sind, ist die Stadt gehalten, im Sinne der Sicherung der Nachhaltigkeit der erfolgten Förderung hier entsprechende Leistungen im Mindestumfang zu sichern. Der von der SVV geforderte Workshop ergab ebenfalls dringenden Handlungsbedarf, wenn die Abwanderung der Gewerbetreibenden aufgehalten werden soll (siehe auch Mitteilungsvorlage 09/SVV/0580).“ Mit Datum vom 09.02.2011 wurde der Antrag durch 113 bestätigt.

 

Mit der Änderung des Mischparkens entlang des Bassinplatzes in Bewohnerparken wird ein Einnahmerückgang bei den Parkgebühren von ca. 12.000,- € bis 18.000,- € pro Jahr erwartet.

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Anlagen

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