Antrag - 13/SVV/0229

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bei der Weiterführung des Gestaltungsrates und der Neubesetzung der Sitze sicherzustellen, dass der Gestaltungsrat

 

1. neuere Entwicklungen in der Architektur in seiner beratenden Tätigkeit stärker berücksichtigt

2. in seinen Empfehlungen das Ziel der sozialen Durchmischung und Vielfalt der Bevölkerung berücksichtigt (Alter und Lebensphasen der Bewohner/innen, sozio-ökonomischer Status und  Lebensformen)

3. in seinen Empfehlungen die folgenden öffentlichen Belange in der Beratung mit berücksichtigt:

- Ausbau der sozialen, wirtschaftlichen, und kulturellen Infrastruktur (z.B. Ladenflächen, Gaststätten, Räumlichkeiten für kulturelle Veranstaltungen, Bandproberäume, Atelierflächen, etc.)

- Verträglichkeit mit sich verändernden Anforderungen für Verkehr (insb. mehr Stellplätze für Fahrräder).

Die Aufgabenstellung und Geschäftsordnung des Gestaltungsrates sollen entsprechend überarbeitet werden und sind den Stadtverordneten zur Beschlussfassung vorzulegen.

In Zusammenhang mit den Punkten 2. und 3. ist weiterhin zu prüfen, inwiefern die fachliche Besetzung des Gremiums verändert bzw. erweitert werden muss.

Der Stadtverordnetenversammlung ist bis September 2013 Bericht zu erstatten.

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Erläuterung

 

Begründung:

 

Der Gestaltungsrat wurde vor drei Jahren eingerichtet. Eine Neubesetzung des Gremiums steht bis Ende des Jahres an. Die Aufgabe des Gestaltungsrates ist „Vorhaben im Hinblick auf städtebauliche, architektonische und gestalterische Qualitäten zu beurteilen und die Beteiligten in dieser Hinsicht zu beraten.“ Die „Einordnung in die charakteristischen Qualitäten des Potsdamer Stadtbildes“ wird dabei besonders hervorgehoben. Der Aufgabenstellung folgend ist das Gremium mit Fachleuten aus Architektur, Städtebau und Landschaftsplanung besetzt.

 

Im Zuge der Neubesetzung des Gestaltungsrates gilt es eine Zwischenbilanz zu ziehen. Die Probleme des Gestaltungsrates in der Praxis sind vierfach zu betrachten.

 

Erstens, die gestalterischen Empfehlungen des Gestaltungsrates sind sehr stark an den vorhandenen Strukturen orientiert. Die Weiterentwicklung neuer gestalterischer Konzepte wird häufig verhindert. So wurde gleich in der ersten Sitzung (TOP 7) ein Vorhaben gering geschätzt mit den Worten: „Der Gestaltungsrat empfiehlt, vor Sanierung der Fassaden und Balkone ein speziell zu ihrem ´frechen‘ Dach kontrastierendes ruhiges Farbkonzept und die Planung angemessener Balkonanlagen.“ (Hervorhebung im Original) Dergleichen Beispiele finden sich in den Protokollen in großer Zahl. Damit gibt der Gestaltungsrat eine Linie vor, die darauf hinausläuft, dass neue Ideen despektierlich bewertet werden und die Empfehlungen den Weg weisen in Richtung: unauffällig, gewöhnlich, angepasst. Das Potsdamer Stadtbild ist im Wesentlichen dadurch entstanden, dass es während verschiedener Epochen bewusst weiterentwickelt wurde. Diesem Gedanken muss auch der Gestaltungsrat verpflichtet werden, so dass neue Ideen und Konzepte Raum für die Umsetzung finden.

 

Zweitens, die Empfehlungen des Gestaltungsrates betreffen nicht nur die Gestalt der Baukörper, sondern gehen darüber hinaus. Es sollen einige Beispiele angeführt werden, um das zu veranschaulichen. Bei dem oben genannten Beispiel beginnt die Empfehlung mit dem folgenden Absatz: „Der Gestaltungsrat empfiehlt dem Bauherren noch einmal, die sozialen Konsequenzen des Vorhabens zu überdenken. Das Konfliktpotential zwischen der ruhigen älteren Bewohnerschaft der bescheidenen Architektur der unteren Geschosse und den aktiven jungen  Bewohnern im ´frechen´ Dachgeschoss ist als erheblich anzunehmen.” Hier geht der Gestaltungsrat klar über das ursprüngliche Beratungsmandat hinaus, da die Empfehlung die angestrebte sozial-räumliche Zusammensetzung der Bewohnerschaft betrifft. In der 16. Sitzung wurde im TOP 1 ein Vorhaben mit 231 Wohnungen behandelt und folgende Empfehlung ausgesprochen: „Trotz der innerstädtischen Dichte fehlen städtische Strukturmerkmale wie etwa […] Nicht-Wohnnutzungen im Erdgeschoss.“ Auch hier geht die Empfehlung ganz klar über das Beratungsmandat hinaus, da hier die Funktion der Gebäude behandelt wird. Das Problem besteht nicht in den Aussagen zur Sache selbst. Es ist im Gegenteil so, dass eine Beratung über den rein gestalterischen Aspekt hinaus sehr wünschenswert ist. Deswegen werden im Antragstext auch noch weitere Aspekte mit angeführt.

 

Der dritte Punkt bezieht sich auf die Vorschläge, die die Anpassung und Erweiterung des Beratungsmandats betreffen. Der Gestaltungsrat hat bislang nur sehr klassische Funktionen (Wohnen, Gewerbe) von Gebäuden berücksichtigt. Das ist keineswegs falsch, aber weitere Funktionen sollen in Zukunft pro-aktiv angeschoben werden. In den letzten Jahren sind verstärkt kulturelle Orte verloren gegangen, die in unsanierten Gebäuden aufgrund privater Initiative genutzt wurden. Im Zuge weiterer Sanierungen fallen in einem schleichenden Prozess Elemente einer kleinteiligen Struktur weg, die seit der Wende 1989 für das Potsdamer Kulturleben prägend war. Tagesaktuell steht die Sanierung der Brauerei am Brauhausberg an. Es besteht ein Nutzungskonflikt mit den dort beherbergten Probe- und Atelierräumen. In diesem Fall scheint sich eine Einigung mit dem Eigentümer abzuzeichnen. Leider ist das nicht immer so. Dem Gestaltungsrat soll es zur Aufgabe gemacht werden Bauherrn Denkanstöße zu geben, wie Räumlichkeiten gewonnen werden können, die kulturelle Initiativen in kleinteiligen Strukturen ermöglichen. Es erscheint weiterhin sinnvoll, in Zukunft stärker zu berücksichtigen, dass die Nutzung des Fahrrades die Anforderungen an Bauvorhaben verändert. Mit dem vorliegenden Antrag soll geprüft werden, inwiefern die funktionalen Aspekte künftiger Bauvorhaben in der Aufgabenstellung eines solchen Gremiums verankert werden können. Es wäre dann konsequenterweise auch zu fragen, inwiefern der Name „Gestaltungsrat“ die Aufgabenstellung überhaupt noch widerspiegelt oder nicht besser eine Umbenennung angebracht ist.

 

Der vierte Punkt folgt aus dem zweiten und dritten. Das Gremium ist bislang mit Experten der gestalterischen Fachdisziplinen besetzt. Im Zuge der Arbeit haben sich Fragen der Funktionalität als wichtiger und drängender herausgestellt. Damit ist aber auch die Fachexpertise der Gremiumsmitglieder überstrapaziert. Wenn also die Aufgabenstellung des Gremiums erweitert wird, um den notwendigen Beratungsbedarf zu tragen, muss der Kreis der Fachdisziplinen erweitert werden, die in das Gremium berufen werden.

 

Es sei abschließend noch angemerkt, dass die Infrastrukturaspekte unter Punkt zwei und drei die Stadt vor eine besondere Herausforderung stellen können. Die genannten Infrastruktureinrichtungen werten die Umgebung auf, wobei die Kosten aber nur dem jeweiligen Bauherren zu Buche schlagen. Die Aufwertung der bestehenden Gebäude kommt anderen als nur dem jeweiligen Bauherren zu Gute, dessen Vorhaben im Rat jeweils zur Beratung ansteht. Wenn es sich zeigen sollte, dass die Verbesserung der Infrastruktur angezeigt ist, wäre es unfair, diese Kosten dem Bauherren alleine auf zu bürden. Es stellt sich also die Frage, auf welche Art und Weise die Stadt den Bauherren dergleichen Investitionen „schmackhaft“ machen könnte. Es könnte beispielsweise angedacht werden, dass es zwischen verschiedenen Bauherren, Eigentümern des Bestandes und sonstigen Parteien zu Ausgleichszahlungen kommen kann, die von der Stadt oder einem Träger moderiert oder auch treuhänderisch verwaltet werden.             

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