Antrag - 09/SVV/0536

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Stadt Potsdam hat wiederholt einen Bürgerhaushalt durchgeführt und kann sich dabei über Interesse und Unterstützung aus der Bürgerschaft freuen.

 

Um diesen Trend fortzusetzen, soll für Projekte und Maßnahmen auf der Ebene der Quartiere ein fester Betrag aus dem Haushalt zur Verfügung gestellt werden, der 1 Prozent des jeweiligen Entwurfs des Gesamthaushaltes umfasst. Die Gelder werden mittels Quartiersfonds der Bürgerschaft zur Verwaltung übergeben. Dies soll ohne größeren Aufwand mit den bisherigen Vorschlags- und Voting-Verfahren gekoppelt werden.

 

Parallel dazu werden durch die Bürgerschaft weiterhin Projekte von gesamtstädtischem Interesse diskutiert und priorisiert.

 

 

 

              Ute Grimm                                 Carsten Herzberg                               Lutz Boede

 

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Erläuterung

 

Begründung:

 

Die Diskussion über den diesjährigen Haushalt hat gezeigt, dass es parallele Planungen gibt, die sich gegenseitig behindern. Während die Verwaltung und Stadtverordneten einen Haushalt mit ihren Prioritäten und Projekten aufstellen, gibt es einen Bürgerhaushaltsprozess, der dies in ähnlicher Weise vornimmt. Am Ende entstehen so Schwierigkeiten, die Vorschläge der Bürger/innen zu integrieren, da die zur Verfügung stehenden Gelder bereits verplant sind.

 

Der oben angeführte Vorschlag ist mit einer Reihe von weiteren Vorteilen verbunden, die zu einer Entlastung von Politik und Verwaltung führen können:

 

a) Entlastung bei der Bestimmung von Prioritäten für quartiersnahe Maßnahmen: Durch die Delegierung der Prioritätensetzung werden der Verwaltung Analyse und Planungsprozesse abgenommen: Die Bürgerschaft entscheidet z.B. selbst, ob sie lieber einen Spielplatz ausbauen oder einen Stadtteilkoordinator finanzieren möchte. Dies führt zu einer erheblichen Arbeitsentlastung, da die Bürger selbst anzeigen, wo Veränderungsbedarf besteht.

 

Dieser Argumentation liegt zu Grunde, dass Bürger/innen tagtäglich Erfahrungen mit der Infrastruktur und öffentlichen Einrichtungen in ihrem „Kiez“ sammeln. Sie sind sozusagen die Experten, was ihren eigenen Bedarf angeht. Die Verwaltung muss bisher dieses Wissen umständlich durch eigene Analysen und Vor-Ort-Begehungen (oder durch eine kostspielige Beauftragung Dritter) erheben. Ein entsprechender Bürgerhaushalt kann jedoch diese Expertise erheblich verbessern und gleichzeitig die Verwaltung entlasten.

 

b) Weniger Konflikte bei der Interpretation von Vorschlägen: In der Vergangenheit wurde von der Bürgerschaft mehrmals kritisiert, dass zwar z.B. ihrem Vorschlag folgend Radwege gebaut werden, jedoch nicht der Ausbau der konkreten Wege, die dem Vorschlag zugrunde liegen.

 

c) Konkretisierung von bürgerschaftlichem Engagement: Bürger/innen, die sich engagieren wollen und hierzu für die Organisation von Stadtteilfesten, die Umsetzung von Projekten oder die Gestaltung von Grünanlagen Zuschüsse benötigen, können diese in einem klaren und transparenten Verfahren beantragen.

 

d) Transparenz bei der Förderung von Projekten: Bei Anträgen an die Verwaltung bzw. Stadtverordnetenversammlung ist (den Antragstellern) oft nicht klar, weshalb manche Initiativen gefördert werden und andere nicht. Dies liegt daran, dass entsprechende Anträge nacheinander im Laufe eines Jahres in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht werden – eine Abwägung der Projekte gegeneinander kann auf diese Weise nicht erfolgen. Bei einem Quartiersfonds wird dieser Prozess der Abwägung von der Bürgerschaft selbst übernommen und die Entscheidungen transparent gemacht.

 

Ein Beispiel: Es ist völlig unklar, weshalb einige Initiativen aus dem jährlich zu vergebenden 10.000-Euro-Topf eine Förderung erhalten und andere nicht bzw. weshalb die Förderungen für einzelne nicht dauerhaft fortgesetzt werden.

 

e) Förderung einer sozialen Stadtentwicklung: Das oben beschriebene Verfahren wurde in der sozialen Stadtentwicklungspolitik, z.B. bei den Berliner Bürgerjurys, erfolgreich erprobt. Die Neuheit besteht darin, dieses Verfahren auf die Quartiere bzw. Sozialräume flächendeckend auf ganz Potsdam auszuweiten. Dabei ist es möglich, Gebieten mit besonderem Entwicklungsbedarf mehr Gelder zur Verfügung zu stellen als solchen, die bereits über eine relativ gute Infrastruktur verfügen. Auf diese Weise können Bürgerhaushalt und Soziale Stadt miteinander verbunden werden und müssen nicht mehr als getrennte Prozesse parallel verlaufen, was zusätzliche Energien frei setzen kann. Denn gerade Mittel aus sozialen Programmen des Landes, des Bundes und/oder der EU könnten zur Aufstockung der Bürgerhaushaltsgelder in den betreffenden Gebieten genutzt werden.

 

f) Weniger parteipolitische Profilierung und dadurch Entlastung der Stadtverordnetenversammlung: Viele kleinteilige Maßnahmen, wie z.B. die Aufstellung von Fahrradständern an Bushaltestellen, beschäftigen die Stadtverordnetenversammlung. Es ist bisher Aufgabe der Stadtverordneten, diese Bedarfe durch entsprechende Anträge anzuzeigen. Dies hat jedoch nur allzu oft den Beigeschmack einer parteipolitischen Profilierung, was zum Teil auch verständlich ist, da auf diese Weise Mandatsträger/innen eine gewisse Nähe zu ihrer Wählerschaft herstellen können. Letztlich sollten jedoch ehrenamtlich arbeitende Mandatsträger/innen auch die Zeit haben, sich ausreichend um gesamtstädtische Belange zu kümmern. Eine gewisse Delegierung der Entscheidungskompetenz für quartiersnahe Projekte schafft hierfür mehr Freiheiten.

 

g) Bürgerkommune und Stadtmarketing: Der Bürgerhaushalt ist das Herzstück der „Bürgerkommune“ in Potsdam. Gleichzeitig scheint das Verfahren aus den oben dargelegten Gründen noch nicht ausgereift zu sein. Ein präzisier Bürgerhaushalt könnte das Profil der Bürgerkommune in Potsdam schärfen und dem Bürger/der Bürgerin handfest vermitteln, was mit Leitbild gemeint ist. Potsdam wird somit auch für Außenstehende noch attraktiver. Die Stadtverwaltung kann ruhigen Gewissens das eigene Verfahren „loben“, das bundesweit eine notwendige Innovation des stockenden Bürgerhaushaltsprozesses in Deutschland darstellt.

 

Finanzierung:

Es werden keine zusätzlichen Mittel benötigt. Die Verwaltung und beauftragte Treuhänder übernahmen bisher die Realisierung von quartiersnahen Maßnahmen. Dies soll auch weiter so erfolgen. Lediglich ein Teil der Gelder wird aus dem Budget der Fachbereiche abgekoppelt und der Bürgerschaft zur Verwaltung übergeben.

 

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